"Die unbezahlbaren Vorschläge der Parteien", titelt Le Soir. "Viele Geschenke, doch wer soll sie bezahlen?", fragt De Standaard auf Seite eins. Das Föderale Planbüro hat eine Analyse einiger Wahlversprechen einzelner Parteien für die Föderalwahlen vorgelegt. Die Analyse soll darstellen, welche finanziellen Auswirkungen die Versprechen haben. Es ist das erste Mal, dass eine solche Analyse der Wahlprogramme in Belgien durchgeführt wurde.
Le Soir freut sich darüber. Die Analyse des Planbüros ermöglicht, die Versprechen der Parteien zu vergleichen. Sie bietet dem Wähler ein Hilfsmittel bei seiner Entscheidung und demaskiert Demagogen. Klar: Die Analyse des Planbüros ist unvollständig. Es ist zu bedauern, dass man auf halbem Wege stehen geblieben ist. Das Planbüro hatte nicht die Mittel, um die kompletten Wahlprogramme durchzurechnen. Vieles von den Ergebnissen ist nur Stückwerk. Aber immerhin ein Beginn. Jetzt heißt es, das alles zu perfektionieren, fordert Le Soir.
Ein schlechter Start
L'Echo sieht das genauso: Nach diesem ersten Versuch, die Wahlversprechen auf ihre finanziellen Auswirkungen hin zu untersuchen, kann man sich fragen, wie Belgien so lange auf so ein Instrument verzichten konnte. Diese Analyse muss weitergeführt und vor allem ausgeweitet werden. Sie trägt zur Transparenz bei und ermöglicht den Bürgern, eine bewusste Wahl zu treffen. Sie zeigt, wie realistisch die Programme der Parteien sind. "We want more", wünscht sich auf Englisch die Wirtschaftszeitung L'Echo.
La Libre Belgique hingegen ist skeptischer und fragt: Sind die Zahlen, die das Planbüro da vorgelegt hat, glaubwürdig? Vielleicht ja, vielleicht nein. Man kann es nicht wirklich sagen. Denn viel zu wenig Vergleichbares kann miteinander verglichen werden. Das ursprüngliche Ziel, nämlich demagogische Wahlversprechen zu entlarven, ist nur teilweise geglückt. Ein schlechter Start für ein Projekt, das aber auf jeden Fall weitergeführt werden sollte. Aber bitte mit vielen Verbesserungen, wünscht sich La Libre Belgique.
Das GrenzEcho hält fest: Alle vorgeschlagenen Maßnahmen, die vom Planbüro durchgerechnet worden sind – und wir haben uns dabei auf die Parteien im französischsprachigen Landesteil konzentriert – führen unter dem Strich zu Mehrausgaben in Milliardenhöhe. Berücksichtigt man die 8,8 Milliarden Euro an Haushaltsdefizit, die am Ende dieser Legislatur voraussichtlich zurückbleiben, stellt sich die Frage: Woher nehmen und nicht stehlen?, so ratlos das GrenzEcho.
Verkatertes Aufwachen ist vorprogrammiert
De Tijd schlägt in die gleiche Kerbe und hält fest: Es ist sehr beunruhigend, dass keine einzige flämische oder französischsprachige Partei erklärt, wie sie die Staatsschuld am Ende der kommenden Legislaturperiode auf unter 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts drücken will. Keine einzige Partei zeigt auf, wie sie das Haushaltsdefizit bis 2024 kleiner machen will, als es heute ist. Und vergessen wir dabei nicht, dass eine neue Klimapolitik Belgien zu hohen Mehrausgaben zwingen wird. Die ganze Wahlkampagne wird dadurch zum Fantasialand. Egal, welche Partei am Ende gewinnt: Sie wird in einem anderen Land aufwachen, ziemlich verkatert. Und dann gezwungen sein, eine deutlich realitätsnähere Politik führen zu müssen, als sie jetzt verspricht, weiß De Tijd.
De Standaard notiert: Wenn man sich die Analyse des Planbüros anschaut, stellt man fest: Der Wahlkampf dieses Jahr unterscheidet sich fundamental vom Wahlkampf von 2014. Damals ging es um die Sanierung des Haushalts. Davon ist jetzt bei keiner Partei etwas zu hören. Ideologien stehen wieder im Vordergrund. Ideologien aber kosten Geld. Es ist eine verantwortungslose Sorglosigkeit, mit der die Parteien dieses Mal um die Wählergunst buhlen, ärgert sich De Standaard.
Wahlkampfthema Menschenschmuggel?
Zum gewaltsamen Tod des neunjährigen Daniels aus einem Antwerpener Asylzentrum kommentiert De Morgen: Die Politik sollte diesen tragischen Vorfall zum Anlass nehmen, den Kampf gegen Menschenschmuggel wieder zu intensivieren. Denn wahrscheinlich – so lassen erste Vermutungen erkennen – ist Daniel Opfer von Menschenschmugglern geworden. Eine unbezahlte Rechnung für Schlepperdienste könnte der Grund sein. Menschenschmuggel aber ist ein dreckiges Geschäft. Der belgische Staat sollte alles dafür tun, gegen Menschenhandel vorzugehen. Den Flüchtlingen, die auf diese Weise nach Belgien gelangen, sollte auch klargemacht werden, dass ihnen die Justiz hilft, wenn sie gegen Menschenschmuggler aussagen. Das Thema sollte unbedingt eine große Rolle spielen im aktuellen Wahlkampf, so De Morgen.
Het Laatste Nieuws kommt auf den Beschluss der Kammer zurück, das Mindestalter für den Kauf von Zigaretten und Tabak von 16 auf 18 Jahre zu erhöhen. Die flämischen Liberalen mit Gesundheitsministerin Maggie De Block hatten sich bei der Abstimmung enthalten. Het Laatste Nieuws schreibt: De Block meint, dass 16-Jährige erwachsen genug sind, um eigenverantwortlich Fehler zu machen. Doch selbst in einer liberalen Logik ist diese Aussage nicht haltbar. Nirgendwo in unserer Gesellschaft werden 16-Jährige wie Erwachsene behandelt. Das passiert erst ab 18 Jahren. Warum sollte da gerade bei Tabak eine Ausnahme gemacht werden? Zumal die gesundheitlichen Schäden von Tabak nachweislich verheerend sein können, schüttelt Het Laatste Nieuws den Kopf.
Kay Wagner
Die ganze Rechnerei haette man sich sparen koennen, denn Wahlversprechen sind auch nur Maerchen, nur dass die nicht mit "es war einmal" anfangen, sondern mit "wir versprechen". Und jeder weiss das, Buerger und Politiker.
Und zum Glueck ist Belgien hoch verschuldet. Das zwingt zum realitaetsnahen Denken und Handeln.
Fuer die naechste Legislaturperiode duerfen wir nichts revolutionaeres erwarten. Wenn noch mehr an der Steuerschraube gedreht wird, zum Beispiel um Klimaschutz zu finanzieren, dann gehen vermehrt Gelbwesten auf die Strasse.