"Emmanuel Macron sucht zweiten Schwung", titelt La Libre Belgique. "Macron antwortet auf Gelbwesten-Krise", heißt es bei De Morgen auf Seite eins.
Der französische Staatspräsident Macron hat am Donnerstagabend in einer Fernsehansprache auf die heftige Kritik der französischen Gelbwesten an seiner Politik reagiert. Gleich mehrere Zeitungen analysieren das am Ffeitag in ihren Leitartikeln.
La Libre Belgique findet: Der Auftritt von Macron schien bis ins Detail geplant, seine Worte klangen vernünftig und inspirierend. Macron gab zu, nicht immer alles richtig gemacht zu haben. Aber er schloss aus, Maßnahmen wieder rückgängig zu machen. Vielmehr kündigte er an, seine Reformen jetzt mit noch mehr Eifer voranbringen zu wollen. Außerdem packte er die Franzosen bei ihrer Ehre. Frankreich sei nicht eine Gesellschaft von Individuen, sondern eine Nation von Bürgern. Diese müssten selbstverantwortlich handeln. In einem Staat gebe es Rechte aber auch Pflichten. Wird Macron damit die Franzosen überzeugt haben? Wichtig ist, dass dem französischen Projekt wieder Sinn eingehaucht wird, schließt unentschlossen La Libre Belgique.
"Begeisterung im Keim erstickt"
Le Soir bezweifelt, dass Macron das gelungen sein könnte. Die Zeitung schreibt: Macron hat zwar den richtigen Ton getroffen in seiner Ansprache. Aber das, was er sagte, war nicht wirklich weltbewegend. Einen Wow-Effekt, wie man heute ja wohl sagt, hat er nicht erzeugt. Schlimmer noch: Durch seine Aussage, dass die Franzosen mehr arbeiten müssten, hat er jegliche Begeisterung für seine Rede im Keim erstickt, urteilt Le Soir.
L'Avenir notiert: Mit dieser Rede wollte Macron einen Neuanfang starten. Die 32 Wochen des Protests, des Zorns und der Infragestellung seiner Politik durch die Gelbwesten wollte er beenden und den Blick nach vorne richten. Zusammen mit den Gelbwesten. Fraglich, ob ihm das gelungen ist. Denn im Grunde hat er genauso reagiert, wie andere französische Präsidenten vor ihm auf Krisen reagiert haben. Im klassischen Stil hat er hier und da ein paar Veränderungen angekündigt. Aber auch gesagt, dass er an seiner Politik festhalten wolle. Es ist nicht sicher, dass all die Franzosen, die sich ungerecht behandelt fühlen von ihrem Staat, am Donnerstag das Gefühl bekommen haben, wirklich verstanden worden zu sein, resümiert L'Avenir.
Einwanderung sollte Wahlkampfthema bleiben
Ein anderes hervorstechendes Thema sind die anstehenden Wahlen. Genau in einem Monat ist der Superwahl-Sonntag. "Was die Regierung Michel wirklich erreicht hat und was nicht", kündigt La Libre Belgique auf ihrer Titelseite eine erste Bilanz der vergangenen Legislaturperiode an. "Im GrenzEcho können sie schon morgen wählen", titelt die ostbelgische Zeitung. Und Het Nieuwsblad startet eine Wahlkampfserie. Im Zentrum stehen dabei drei Themen, die die Zeitung in ihrem Leitartikel rechtfertigt: Es soll, so Het Nieuwsblad, bei dem Vergleich der Wahlversprechen besonders um die Themen Klimawandel, Einwanderung und Wohlfahrt gehen. Denn das sind die großen Themen, die uns sowohl in den vergangenen Monaten beschäftigt haben als auch nach den Wahlen noch lange beschäftigen werden, so Het Nieuwsblad.
Auch De Tijd findet, dass es wichtig wäre, jetzt wieder mehr über Einwanderungspolitik zu reden. Allerdings beobachtet die Zeitung: Die Debatte um Einwanderung ist fast verstummt, seitdem Theo Francken nicht mehr Asylstaatssekretär ist. Seine Nachfolgerin Maggie De Block ist vorsichtiger bei dem Thema. "Keine Tweets, die für Aufregung sorgen - was im Grunde, ja auch ganz gut ist. Doch gar nicht mehr über Einwanderung zu sprechen, ist falsch, denn sie findet weiter statt und die Probleme, die damit verbunden sind, bestehen ebenfalls weiter. Viele Fragen rund um das Thema Einwanderung sind noch nicht beantwortet. Deshalb wäre es gut, wenn jetzt auch vor den Wahlen nochmal mehr über das Thema diskutiert wird. Allerdings muss das sachlich geschehen, fordert De Tijd.
Sorge um die Benachteiligten
De Morgen veröffentlicht auf seinen Internetseiten einen Offenen Brief von CD&V-Vizepremierminister Kris Peeters. "CD&V greift N-VA frontal an", fasst die Zeitung Peeters Brief in ihrer Printausgabe auf die Titelseite zusammen. Im Kommentar heißt es: Mit diesem Brief versucht die CD&V, ihr Profil zu stärken. In den vergangenen Monaten hatte man oft Schwierigkeiten, zu verstehen, wofür die CD&V eigentlich steht. Bei den Debatten um die Themen Einwanderung, Kaufkraft und Renteneintrittsalter trat die Partei mit einer eigenen Meinung kaum in Erscheinung. Jetzt greift Peeters die Sozialpolitik der N-VA deutlich an und distanziert sich von ihr. N-VA wie OpenVLD machen sich ja knallhart für die Mittelschicht stark. Die CD&V gibt sich mit Peeters Brief jetzt ihr klassisches Sozialprofil zurück, das auch die ärmeren Bevölkerungsschichten berücksichtigt. Das wird nicht überall in Flandern auf Beifall treffen, tut der Partei aber gut, weiß De Morgen.
L'Echo beschäftigt sich mit den jüngsten Zahlen zu neuen Firmengründungen und schreibt: 100.000 Neugründungen in einem Jahr, das ist ein Rekord und gut fünf Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Wenn man die Firmenpleiten davon abzieht, macht das gut 22.600 neue Firmen netto. Doch die Wallonie profitiert kaum davon. Hier wurden netto nur ganz wenige Firmen neu gegründet. Das zeigt: Die Zweiteilung unseres Landes aus wirtschaftlicher Sicht bleibt bestehen, bedauert L'Echo.
Kay Wagner