Gestern Abend berichtete das flämische Privatfernsehen VTM, dass die Brüsseler Anklagekammer urteilte, die Hausdurchsuchungen bei der so genannten Adriaenssens-Kommission im vergangenen Juni seien illegal gewesen.
Damals wurden nicht nur Hausdurchsuchungen im Bistum Mechelen-Brüssel und in der Privatwohnung von Kardinal Danneels durchgeführt, beschlagnahmt wurden auch die Unterlagen der Adriaenssens-Kommission. Das war eine unabhängige Einrichtung, bei der sich Missbrauchsopfer von Angehörigen der Kirche anonym melden konnten.
"Operation Kelch null und nichtig, meldet dazu das Grenz-Echo. "Justiz muss 475 Pädophile-Akten zurückgeben" titelt Het Nieuwsblad. De Morgen bringt als Aufmacher: "Todesstoß für Operation Kelch". Unklar ist, warum die Beschlagnahmung der Unterlagen nicht zulässig war.
Im Kommentar meint das Blatt: Die Staatsanwaltschaft übernimmt sang- und klanglos die Position der Kirche. Es ist nicht auszuschließen, dass bei der jetzigen Entscheidung der Anklagekammer eine gezielte Einflussnahme bestand. Die einzigen, die jetzt zufrieden sein können, sind die Priester, die sich des Sexualmissbrauchs schuldig gemacht haben. Das ist eines Rechtsstaats unwürdig, findet De Morgen.
Het Laatste Nieuws kommentiert: Die Brüsseler Justiz hat sich absolut blamiert. Wogegen kann denn jetzt noch ermittelt werden? Die Opfer der pädophilen Priester haben ihr Vertrauen in die Arbeit von Polizei und Justiz nun völlig verloren.
Hat Danneels Vangheluwe in Schutz genommen?
De Standaard und Het Nieuwsblad veröffentlichen auch den Wortlaut der so genannten "Danneels-Tapes". Das Opfer des ehemaligen Brügger Bischofs Vangheluwe hat sein Gespräch über diesen Missbrauch mit dem Kardinal heimlich aufgenommen und diese Aufnahme den Zeitungen zur Verfügung gestellt. "Wie Kardinal Danneels versuchte, den Vangheluwe-Skandal geheim zu halten" heißt es dazu in Het Nieuwsblad.
Im Kommentar schreibt die Zeitung: Dieses Dokument belegt, dass Danneels die gesellschaftliche Irrelevanz seines Instituts mit organisiert. Trotz seines modernen Auftretens tat er so, als stehe die Kirche über den Regeln der Welt. Anstatt gegen Bischof Vangheluwe vorzugehen, bevorzugte er es, die jahrelangen Verbrechen des Mannes unter dem Mantel der Geheimhaltung zu verbergen und von den Opfern Vergebung zu verlangen.
De Standaard kommentiert: Diese Aufnahme belegt, dass Kardinal Danneels nur mit einer Sache beschäftigt war: Der Schadensbegrenzung. Das beweist seine Gefühlsarmut. Warum hat er sich nicht mit den Missbrauchsopfern solidarisiert, fragt der Leitartikler von De Standaard.
Entscheidendes Wochenende für Elio Di Rupo
Die politische Entwicklung ist das zweite Schwerpunktthema in der Presse. Präformator Elio Di Rupo bleibt nur noch ein Wochenende, um ein Abkommen über Brüssel-Halle-Vilvoorde zu erzielen, so fasst La Dernière Heure die Situation zusammen.
Het Nieuwsblad titelt auf Seite 1: "Die Französischsprachigen sind beunruhigt: De Wever spricht Niederländisch". Bisher war die Verhandlungssprache Französisch. Seit vorgestern nun spricht De Wever nur noch Niederländisch und das wird von den frankophonen Parteien als beunruhigend empfunden.
Misstrauen
Le Soir meint im Kommentar: Es ist offensichtlich, dass Belgien immer weiter auseinander driftet. Aber müssen die Frankophonen sich denn weiterhin darauf versteifen, diese Entwicklung abzulehnen? Wäre es nicht besser, sich mit der Realität abzufinden und die französischsprachige Zukunft vorzubereiten, auch wenn Belgien mal auseinander bricht? Es reicht momentan nicht mehr, sich gegen diese Idee nur noch aufzulehnen.
Het Belang van Limburg kommentiert: Das Misstrauen zwischen den flämischen und den französischsprachigen Parteien wird immer tiefer. Dabei steht bei diesen Verhandlungen das schwierigste Thema noch an: Die Sanierung der Staatsfinanzen. Das Sparprogramm, das notwendig ist, ist das größte unserer Geschichte. Auch La Libre Belgique meint im Leitartikel: Die jetzige Vertrauenskrise ist katastrophal. Die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen die uns erwarten sind kolossal. Es müssen 25 Milliarden Euro gefunden werden, damit das Land wieder finanziell stabil wird. Unterdessen warten wir auf eine tatkräftige neue Regierung und befassen sich die Parteien vorrangig mit der Staatsreform.
Es geht wieder bergauf
Zum Abschluss noch einen Blick in den Kommentar von De Tijd: Mit Belgiens Wirtschaft geht es wieder bergauf. Die meisten börsennotierten Unternehmen schneiden immer besser ab. Jetzt muss investiert werden, und zwar in Forschung und in neue Absatzmärkte. Auch die Inlandsnachfrage muss gestärkt werden, kommentiert die Börsenzeitung De Tijd.
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