"Occupy Wetstraat", titelt De Morgen. "Klima-Camper erhöhen Druck auf die Politik für sichtbare Aktionen", notiert Het Nieuwsblad auf Seite eins. "Klima-Camper bis morgen vor dem Parlament", fasst Het Laatste Nieuws zusammen.
Rund 300 Klima-Aktivisten haben gestern am frühen Abend die Rue de la Loi direkt vor dem Parlament blockiert. Sie wollen erreichen, dass morgen der zuständige Kammerausschuss den Weg frei macht für eine Grundgesetzänderung, um ein Klima-Gesetz zu ermöglichen.
Het Laatste Nieuws wertet diesen Protest kritisch und führt aus: Die Aktivisten demonstrieren in der so genannten neutralen Zone. Dort sind Demonstrationen eigentlich verboten. Alle friedlichen Proteste in der Vergangenheit, wie zum Beispiel der Weiße Marsch oder die Abrüstungskundgebungen, haben sich an diese Regel gehalten. Der Bruch dieser Regel gibt der sowieso wenig begründeten Aktion einen faden Beigeschmack. Denn auch die Klimaaktivisten müssen verstehen, dass eine Demokratie Regeln hat und ein Grundgesetz nicht ein beliebiger Fetzen Papier ist, den man mal rasch ändern kann. Auch die Klima-Aktivisten müssten ein Interesse daran haben, dass ein Klima-Gesetz solide gestaltet wird, um tatsächlich effektiv zu sein. Das kann nur geschehen, wenn man sich Zeit lässt, erinnert Het Laatste Nieuws.
Bürger setzen Wahlkampfthemen
De Morgen hingegen hat Sympathie für die Aktion und notiert: Nein, die gelebte Demokratie ist längst nicht tot. Die Aktion von gestern beweist erneut: die Themen im aktuellen Wahlkampf werden nicht von gut bezahlten PR-Futzis mit ihren ach-so ausgeklügelten Slogans gesetzt, sondern von der Straße. Von den Bürgern. Sie fordern, dass ihre Sorgen ernst genommen, gehört und debattiert werden. Das ist eine Bereicherung unserer Politik, freut sich De Morgen.
L'Avenir kommt auf die Verabschiedung des Wahlprogramms der liberalen MR zurück. Parteipräsident und Premierminister Charles Michel hatte dabei vor einer künftigen Zusammenarbeit der flämischen Nationalisten von der N-VA und den frankophonen Sozialisten der PS gewarnt, vor einem "national-sozialistischen Cocktail", wie Michel es nannte. Wollte Michel damit schocken und Angst erzeugen?, fragt die Zeitung. Wenn das der Fall sein sollte, hat er es geschafft.
Aber darüber hinaus hat er auch noch eine Welle der Empörung ausgelöst. Der Vergleich mit den Nazis ist sowohl bei der N-VA als auch der PS schlecht angekommen. Im Lager von Michel hat man sich brav entschuldigt für den Lapsus. Nein, mit den Nazis sollten die belgischen Parteien nicht verglichen werden. Im Redemanuskript habe "nationalistisch-sozialistischer Cocktail" gestanden. Diese Entschuldigung kann man akzeptieren. Angst hat Michel trotzdem verbreitet, resümiert L'Avenir.
Charles Michel ist nervös
Het Nieuwsblad schreibt: Der Versprecher ist ein Zeichen der Nervosität, die zurzeit bei Michel herrscht. Vor einem halben Jahr noch schien er fest im Sattel. Viele sprachen schon von einem Premierminister-Bonus, der der MR bei den Wahlen geholfen hätte. Danach kam die Schlappe bei den Kommunalwahlen, der Bruch der Föderalregierung. Und jetzt ist auch die Regionalregierung in der Wallonie mit MR-Beteiligung nur noch eine Minderheitsregierung, weil eine MR-Abgeordnete zu den neuen "Listes Destexhe" übergelaufen ist. Nein, es sieht nicht gut aus für die MR. Und da kann einem schon mal ein strategischer Versprecher passieren, spöttelt Het Nieuwsblad.
De Standaard beschäftigt sich näher mit den "Listes Destexhe" und glaubt: Die neue Partei des MR-Dissidenten Alain Destexhe ist ein interessantes Phänomen. Schon jetzt sorgt sie für viel Wirbel, indem sie das Wallonische Parlament blockiert. Im französischsprachigen Landesteil gibt es jetzt eine Partei rechts von der MR, die das Potential hat zum Sammelbecken vieler Unzufriedener zu werden. Das könnte Einiges in der politischen Landschaft in Bewegung setzen. Die wichtigste Neuerung am Wahltag wird wohl aus dem Süden des Landes kommen, prophezeit De Standaard.
Trekking-Tour in der Wallonie
La Libre Belgique beschäftigt sich mit der CDH und meint: Der Rückzug von Dimitri Fourny aus der Regionalpolitik ist ein weiterer Schlag für die gebeutelte Partei. Die Euphorie, die die CDH nach der Wahl ihres neuen Präsidenten Maxime Prévot ergriffen hatte, ist schnell wieder verschwunden. Eine Woche, nämlich die vergangene, hat gereicht, um die Partei wieder auf den Boden der traurigen Realität zurückzubringen. Die Aussichten auf ein gutes Ergebnis bei der Wahl vom 26. Mai waren sowieso schon gering. Jetzt sind sie nochmal geschrumpft. Prévot war vergangene Woche in Lappland auf einer Trekking-Tour. Vielleicht ein gutes Training für die schwierige Aufgabe, die ihn jetzt in Belgien erwartet, ätzt La Libre Belgique.
Le Soir schreibt zum Ende der territorialen Herrschaft des so genannten Islamischen Staats: Niemand darf glauben, dass damit die radikalen Islamisten besiegt sind. Wie am Anfang ihrer Bewegung werden sie jetzt aus dem Untergrund weiter für Angst und Schrecken sorgen. Denn die Gründe, warum der IS entstanden ist, sind immer noch vorhanden. Syrien, Irak und die ganze Region sind weiter ein politischer Pulverfass mit zahlreichen Konfliktherden. Auch der Westen wird von den Islamisten nicht verschont bleiben, weiß Le Soir.
Kay Wagner