"Wieder ein Granatenanschlag in einem Antwerpener Wohnviertel", titelt Gazet van Antwerpen. Het Laatste Nieuws formuliert es drastischer: "Die Antwerpener Drogenmafia wirft wieder mit Handgranaten", schreibt das Blatt auf Seite eins. "Kalaschnikows und brennende Autos: Was ist in Antwerpen los?", fragt De Morgen.
In der vorletzten Nacht sind in Antwerpen wieder zwei Handgranaten explodiert. Dabei wurde rund ein Dutzend Autos beschädigt. Verletzt wurde niemand. Einen vergleichbaren Vorfall gab es auch schon mal im vergangenen Jahr. Anfang der Woche hatten schon vier Autos gebrannt an verschiedenen Orten der Stadt.
Wie Het Laatste Nieuws berichtet, besteht offenbar zwischen all diesen Vorfällen ein Zusammenhang. Demnach dreht sich alles um Familien, die in der Vergangenheit in den Drogenschmuggel verwickelt waren. Der Hafen von Antwerpen gilt ja als Einfallstor für Heroin, aber vor allem für Kokain.
De Morgen bringt dazu beeindruckende Zahlen: Im vergangenen Jahr wurden in Antwerpen mehr als 50 Tonnen Kokain von den Polizei- und Zollbehörden sichergestellt. 2014 waren es noch "lediglich" acht Tonnen. Nach Schätzungen werden in Europa jährlich 120 Tonnen Kokain konsumiert.
Historischer Schuldspruch mit wertvollen Erkenntnissen
Viele Zeitungen kommen in ihren Leitartikeln noch einmal zurück auf das Urteil im Prozess um den Anschlag auf das Jüdische Museum in Brüssel. Dabei waren am 24. Mai 2014 vier Menschen getötet worden. Vor dem Brüsseler Schwurgericht wurde der Hauptangeklagte Mehdi Nemmouche in allen Punkten für schuldig befunden. Seinen Komplizen Nacer Bendrer stuften die Geschworenen als Mittäter ein. Über das Strafmaß wird das Gericht am Montag entscheiden.
Der Schuldspruch von Donnerstag ist nicht nur historisch, sondern liefert auch eine Reihe von wertvollen Erkenntnissen, meint Le Soir. Auf die kriegerische Rhetorik der Terroristen hat die Justiz geantwortet mit einem ausgewogenen Verfahren, in dem alle Parteien zu Wort kommen konnten. Im Kontrast zu den Verschwörungstheorien der Verteidigung gab es eine Volksjury, die sich ernsthaft und konzentriert eine Meinung gebildet hat. Dafür, dass unsere Justiz personell und materiell auf dem Zahnfleisch geht, war dieser Prozess eine Herausforderung, die man aber bravourös gemeistert hat. Und wir haben viel gelernt: über den islamistischen Terrorismus, den Komplotismus, aber auch die Gesellschaft, unsere eigene und die Welt, in der diese Kriminellen leben.
Die belgische Justiz hat Handlungsfähigkeit bewiesen, lobt auch das GrenzEcho. Das ist wichtig in Zeiten, in denen islamistisch und fremdenfeindlich motivierter Terrorismus immer und überall in Europa zuschlagen kann.
Schwurgericht bei Terrorismus-Akten wünschenswert?
De Morgen hingegen findet das Urteil zu streng, zumindest für Nacer Bendrer. Weil er der Mittäterschaft für schuldig befunden wurde, riskiert er jetzt lebenslange Haft. Dabei handelte es sich allem Anschein nach lediglich um einen kleinen Fisch, er soll ja nur die Waffen geliefert haben. Dass ihm jetzt dieselbe Strafe droht wie Mehdi Nemmouche, ist unverhältnismäßig. Für die noch anstehenden Terrorismus-Prozesse verheißt das nichts Gutes. In diesen Akten gibt es viele Nacer Bendrers, Leute, die teilweise ohne es zu wissen logistische Hilfe geleistet haben, die etwa Chemikalien von A nach B gebracht haben. Wenn die jetzt alle lebenslang riskieren, dann kann man sich fragen, ob das wirklich ein Erfolg für unseren Rechtsstaat ist.
Für La Dernière Heure ist die Form das Problem. Ist es wirklich wünschenswert, dass Terrorismus-Akten vor einem Schwurgericht verhandelt werden? Man stelle sich vor, die Verteidigung hätte es geschafft, mit ihren Verschwörungstheorien Zweifel zu säen in den Köpfen der Geschworenen. Dann wäre ein vierfacher Mörder am Ende doch noch frei wie ein Vogel gewesen. Dieses Risiko ist zu groß. In Frankreich werden Terroristen von einem Sondergerichtshof abgeurteilt, der nur aus professionellen Richtern besteht. Angesichts der Länge solcher Verfahren und auch der Komplexität der Akten sollte man solche Fälle besser Profis überlassen und nicht einfachen Bürgern, seien sie auch noch so guten Willens.
Keine Entscheidung ist auch eine Entscheidung
Het Nieuwsblad beschäftigt sich einmal mehr mit dem Themenkreis Klimaschutz und Energiepolitik. Hier zwingt sich eine Schlussfolgerung auf, meint das Blatt: Belgien hat hier nie eine echte politische Entscheidung getroffen, die dann auch in die Tat umgesetzt worden ist. Im Gegensatz zu anderen Ländern. Deutschland etwa hat sich resolut für eine grüne Energiewende entschieden. Finnland will demgegenüber auf Atomenergie setzen und baut sogar neue Kernkraftwerke. Aber immerhin wurde etwas beschlossen. Die Regierung Michel hingegen wird jetzt die Entscheidung über neue Gaskraftwerke an die Nachfolgeregierung weiterreichen. Dabei muss man wissen: In der Energiepolitik nichts zu entscheiden, das ist auch eine wichtige Entscheidung. Jeder Aufschub ist nämlich gleichbedeutend mit einem Status quo. Stillstand.
Lust auf politische Abenteuer
De Tijd beschäftigt sich mit den neuesten Irrungen und Wirrungen in Sachen Brexit. Nach Monaten des Schleuderkurses mit schlechtem Theater wird es jetzt langsam ernst. Auf beiden Seiten des Ärmelkanals steigt die Nervosität. Denn mal ehrlich: Auch ein Aufschub ist eigentlich keine Option. Aufschub wofür? Der Deal würde damit für die Briten nicht besser. Und die Unternehmen, die sich bis jetzt noch nicht auf den Brexit eingestellt haben, wären in ein paar Wochen auch nicht besser vorbereitet. Deshalb gilt: Wir schnallen uns besser an. Egal wie groß oder wie klein der Schaden in Großbritannien sein wird, er wird in jedem Fall unsere Küste erreichen.
De Standaard wirft seinerseits einen nachdenklichen Blick auf unsere Zeit. Die ausklingende Ferienwoche war geprägt von unheilvollen Signalen. Die Identitätsdebatte schwappte hin und her. Mit zweifelhaftem Dank an den Aalster Karnevalswagen mit jüdischen Klischees und an die deutsche Politikerin Annegret Kramp-Karenbauer für ihre platten Witze über Transgender-Toiletten. Parallel dazu trübt sich der Konjunkturhimmel ein. In weniger als drei Wochen droht zudem ein abrupter Brexit. Der zwischenzeitliche Optimismus ist wieder verdampft, der politische Wahnsinn nimmt wieder seinen Lauf. Welchen Blick werden wir eines Tages auf diese Zeit haben? Werden wir sie als eine Ära betrachten, in der selbst ein Minimum an Respekt für die Gefühle anderer nicht mehr möglich war? Als eine Zeit von verpassten Chancen, um den Wohlstand umzuwandeln in mehr Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit? Stattdessen wird leider nur die Lust auf politische Abenteuer größer.
Roger Pint