"Gewerkschaften legen heute das Land lahm", titelt Het Belang van Limburg. "Darum streiken wir", lässt Het Laatste Nieuws einige Arbeitnehmer auf seiner Titelseite erklären. "Flugzeuge bleiben am Boden", heißt es bei L'Avenir.
Die Gewerkschaften haben für heute zu einem landesweiten Streik aufgerufen. Die Zeitungen sind sich einig, dass er wahrscheinlich große Auswirkungen haben wird. Uneins sind sie dagegen bei der Bewertung des Streiks.
Die Wirtschaftszeitung L'Echo zeigt zunächst Verständnis: Die Gewerkschaften kümmern sich mit dem Streik um eines ihrer Kernthemen, nämlich um die Kaufkraft der Arbeitnehmer. Von daher ist der Streik völlig legitim.
Gleichzeitig ist aber festzuhalten, dass kurzfristige Maßnahmen hier nicht viel bringen. Vielmehr müsste das Steuersystem unseres Landes grundsätzlich mal komplett reformiert werden. Nur dadurch lässt sich langfristig eine irgendwie gestaltete Gerechtigkeit wiederherstellen, die in den vergangenen Jahren verloren gegangen ist, mahnt L'Echo.
Gefühl der Ungerechtigkeit
Ähnlich beobachtet De Standaard: Der Gesellschaftsvertrag zwischen Kapital und Menschen, auf dessen Basis unser Land nach dem Krieg funktioniert hat, ist zerbrochen. Die Ungleichheit nimmt zu.
Der Reichtum, der in den vergangenen Jahren erwirtschaftet wurde, wird ungleichmäßig verteilt. Es ist vor allem dieses Gefühl der Ungerechtigkeit, das viele Menschen heute auf die Straßen bringt, analysiert De Standaard.
Auch De Morgen meint: Bei den meisten Menschen wird es ein Gefühl sein, das sie heute dazu bewegt, sich an dem Streik zu beteiligen. Das Gefühl nämlich, die Dinge nicht mehr selbst in der Hand zu haben.
Selbst wenn es dem Unternehmen, in dem man arbeitet, gut geht, kann ein Arbeitnehmer heute nicht sicher sein, seinen Job auch morgen noch zu haben. Dieses Gefühl der Unsicherheit ist übrigens auch die Triebkraft für die Gelbwesten. Und auch der Klimaprotestler, glaubt De Morgen.
Die Verbindung zwischen dem Protest der Gelbwesten und den jugendlichen Klimademonstranten zum heutigen Streik sieht auch Le Soir und notiert: Alle drei Bewegungen sind Ausdruck eines Unwohlseins, das anscheinend weitverbreitet ist in der Gesellschaft.
Dabei handelt es sich nicht um Menschen, die einfach nur mal grundlos auf den Putz hauen wollen, um zu nerven. Nein! Sie sind wirklich engagiert und haben Anliegen, die ernst zu nehmen sind. Die Politiker sollten sie nicht abstempeln als gewöhnliche Protestierende, sondern ihre Energie in etwas Positives umwandeln, um Dinge zu ändern, wünscht sich Le Soir.
Kein Verständnis für den Streik hat La Libre Belgique: Sich einsetzen für mehr soziale Gerechtigkeit und für Gleichheit ist die eine Sache, einen unnützen Streik vom Zaun zu brechen, ist eine andere.
Die Arbeitsniederlegung heute wird nichts bringen. Sie dient lediglich dazu, den Protest der Gelbwesten und für das Klima zu vereinnahmen.
Auf die Lohnverhandlungen, um die es vordergründig ja gehen soll, wird der Streik keinen Einfluss haben, ist sich La Libre Belgique sicher.
Was soll der Streik eigentlich bringen?
Auch La Dernière Heure ist kritisch: Wieder einmal wird also gestreikt, so wie regelmäßig in unserem Land. Und wieder einmal wird das kaum etwas bringen. Wieder einmal werden die normalen Bürger die Leidtragenden sein, wenn sie nicht pünktlich oder überhaupt nicht zur Arbeit kommen können, weil ihr Bus mal wieder nicht fährt.
Morgen gehen wir dann wieder zum Alltag über und könnten uns mit Blick auf heute vielleicht noch fragen: Wann kommt der nächste Streik?, fragt lakonisch La Dernière Heure.
De Tijd zeigt sich ebenfalls skeptisch und fragt ihrerseits: Was soll der Streik eigentlich bringen? Sollen die Arbeitgeber einen höheren Mindestlohn versprechen? Sollen sie für den sozialen Frieden die Kaufkraft erhöhen? Soll die Regierung das Rentenalter wieder senken?
Die Antwort auf all die Fragen ist: nein. Und das wissen die Gewerkschaften auch. Trotzdem haben sie den Streik organisiert. Und das vor allem, um ihre Truppen bei Laune zu halten. Um ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen. Aus Tradition. Ein teurer Spaß, urteilt De Tijd.
Fernsehreif
In Antwerpen hat die Polizei gestern eine Großrazzia im Drogenmilieu durchgeführt. Dabei gab es 46 Hausdurchsuchungen, 15 Menschen wurden vorläufig festgenommen. Sie gehören angeblich zu einem türkisch-syrischen Clan.
Dazu kommentiert Gazet van Antwerpen: Das Ganze ist Stoff für eine spannende TV-Serie. Zunächst hatten Untersuchungsbeamte mehr als 26.000 Stunden recherchiert. Dann schlugen mehr als 300 Beamte gleichzeitig zu.
Menschen wurden abgeführt. Es gibt Verbindungen bis in die Politik, denn auch der Gemeinderat Melikan Kucam aus Mechelen, der ja wegen der Affäre um die humanitären Visa schon in Haft sitzt, taucht in dem Dossier auf.
Ein Clan-Mitglied hat am Containerterminal gearbeitet. 2017 wurde auf sein Haus geschossen.
Polizisten, Beamte, die Hafenbehörde, Politiker, Banker und die Kirche sollen bestochen worden sein. Wie gesagt: der reinste Krimi.
Und das ist nur einer der Clans, die im Antwerpener Drogensumpf aktiv sind. Ein erster Schritt, den trockenzulegen, ist jetzt gemacht, freut sich Gazet van Antwerpen.
Kay Wagner