"Wer morgen alles streikt", titelt Het Belang van Limburg. "Flughafen Charleroi bleibt morgen geschlossen", notiert De Tijd auf Seite eins. "Man übt Druck auf uns aus, um nicht zu streiken", zitiert La Dernière Heure einen SNCB-Mitarbeiter auf ihrer Titelseite.
Die Zeitungen beschäftigen sich heute ausführlich mit einem Ausblick auf den für morgen angekündigten Streik, zu dem alle drei großen Gewerkschaften des Landes aufgerufen haben. Im Flug-, Bus- und Bahnverkehr ist mit großen Einschränkungen zu rechnen. Ebenfalls bei öffentlichen Dienstleistungen in Krankenhäusern und teilweise bei den Schulen.
Het Laatste Nieuws kommentiert: Der Antrieb für die Menschen, morgen auf die Straße zu gehen und zu streiken, ist das Gefühl der Unsicherheit vor der Zukunft. Wie wird es weitergehen mit meiner sozialen Absicherung, mit der Kaufkraft, mit der Rente? Die Antworten auf diese Fragen hat momentan noch keiner. Und die aktuelle Politik trägt nicht dazu bei, die Menschen zu beruhigen. Viele von ihnen haben Schwierigkeiten, finanziell über die Runden zu kommen. Für sie zählt jedes Prozent. Wenn sich morgen viele ärgern werden, weil ihr Zug nicht fährt, ihr Flug ausfällt oder irgendwas anderes nicht funktioniert, wird das für die Betroffenen ärgerlich sein. Für die Streikenden sind das aber lediglich Luxusprobleme, gibt Het Laatste Nieuws zu bedenken.
Schon bei der ersten Aufgabe gescheitert
L'Avenir kommt auf die Panne bei der Kindergeldauszahlung in der Wallonie zurück und führt aus: Schon bei der ersten großen Aufgabe, die die Region von der föderalen Ebene übertragen bekommen hat, ist die Wallonie gescheitert. Dabei ging es bei der Kindergeldauszahlung nur um einen rein technischen Vorgang. Doch 120.000 Familien haben ihr Geld nicht pünktlich bekommen. Das sendet ein schlechtes Signal aus an alle die, die angewiesen sind auf das Kindergeld. Als sozial Schwache haben sie schon keine hohe Meinung vom Staat. Ihr Vertrauen in öffentliche Einrichtungen dürfte jetzt noch geringer sein, als es sowieso schon war, glaubt L'Avenir.
Auch die Wirtschaftszeitung L'Echo meint: Mit der Panne ist genau das passiert, was die Regierung aus MR und CDH mit allen Mitteln vermeiden wollte. Der Streit, den sich jetzt die Kindergeldkasse und die Bank Belfius liefern, weil keiner für die Panne verantwortlich sein will, hilft da auch nicht weiter. Interessant übrigens zu sehen, dass die Geschädigten zehn Euro quasi als Entschuldigung geschenkt bekommen. Auf so etwas hatte Sozialministerin Alda Greoli gedrängt. Das macht 1,2 Millionen Euro. Viel Geld. Aber in Wahlkampfzeiten war diese Idee von Greoli sicher nicht ganz unschuldig, mutmaßt L'Echo.
Borniert, kleingeistig und nicht zeitgemäß
La Libre Belgique kommt auf die Ankündigung der flämischen Innenministerin Liesbeth Homans zurück, vier Bürgermeister von Gemeinden mit Spracherleichterungen im Großraum Brüssel nicht zu ernennen, und findet: Homans ist die Teufelin der N-VA. Die nationalistischen Thesen der Partei hat sie mit der Muttermilch aufgesogen. Sie will bewusst Chaos stiften in den Gemeinden, die zwar auf flämischem Gebiet liegen, in denen aber seit Generationen die Mehrheit französischsprachig ist. Das macht Homans natürlich im Hinblick auf die Wahlen: Sie will Stimmen für die N-VA sammeln. Das ist borniert, kleingeistig und trifft überdies auch nicht mehr den Geist der Zeit, urteilt La Libre Belgique.
Das findet auch Le Soir und fragt: Sind es zurzeit nicht andere Themen, die die Menschen viel mehr beschäftigen, als dieser unsägliche Sprachenstreit aus der Vergangenheit? Sind Lösungen bei den Themen Einwanderung, soziale Ungerechtigkeit, Kaufkraft und Klima nicht dringender? Die Menschen heute wollen Lösungen für die Zukunft. An das Zusammenleben mit zwei Sprachen haben sie sich längst gewöhnt. Und auch der N-VA stände es besser zu Gesicht, sich mit anderen Themen zu profilieren, rät Le Soir.
Gemeinsames IS-Kämpfer-Tribunal und belgische Kolonialzeit
De Morgen berichtet, dass Frankreich die in Syrien gefangenen französischen IS-Kämpfer mit Frauen und Kindern nach Frankreich zurückholen will, um sie dort vor Gericht zu stellen. Die Zeitung findet: Das sollte Belgien auch machen. Denn wenn die USA sich aus Syrien zurückziehen, könnte es gut sein, dass die gefangenen IS-Kämpfer wegen mangelnder Bewachung aus ihren Gefängnissen fliehen und wieder zu einer Gefahr werden könnten. Eine Rückführung nach Belgien böte auch die Möglichkeit, zusammen mit Frankreich und noch anderen europäischen Staaten diese Menschen vor ein gemeinsames Tribunal zu stellen, empfiehlt De Morgen.
Eine Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen hat Belgien dazu aufgefordert, sich offiziell für das Unrecht der Kolonialzeit zu entschuldigen. Dazu notiert Het Belang van Limburg: Es wäre tatsächlich ein starkes Signal, wenn die Regierung, das Königshaus und die katholische Kirche eine gemeinsame Erklärung im Sinne der UN-Aufforderung formulierten. Das könnte der Beginn sein zu einem ungezwungeneren Umgang mit der kolonialen Vergangenheit. Wissenschaftliche Erkenntnisse könnten dann im Zentrum der Auseinandersetzung mit der belgischen Kolonialzeit in Afrika stehen. Die historische Einordnung könnte dann besser gelingen als heute, wo weiterhin Mythen einen starken Einfluss ausüben, so Belang van Limburg.
Kay Wagner