"Klimaschwänzer, demonstriert in Eurer eigenen Stadt!", dieser Appell steht heute auf Seite eins von De Morgen. "Der Klimamarsch soll auf Tournee durch Flandern gehen", titelt Het Nieuwsblad. Beide Schlagzeilen scheinen sich zu widersprechen. Bei genauerem Hinsehen ergänzen sie sich. Der erste Gedanke der Organisatorinnen ist es, die Proteste sozusagen zu dezentralisieren: Sie wollen nicht mehr ausschließlich in Brüssel für eine ehrgeizigere Klimaschutzpolitik demonstrieren, sie wollen vielmehr erreichen, dass ganz Belgien auf die Straße geht. Sie selbst, also Anuna De Wever und Kyra Gantois, wollen jede Woche in einer anderen Stadt die Proteste anführen. In dieser Woche wird das in Löwen sein.
"Klimaschutz hat keine Farbe"
"Anuna De Wever reicht Bart De Wever die Hand", notiert derweil Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite. Die N-VA hatte ja den Schülern vorgeworfen, allzu schwarz zu sehen und Weltuntergangsstimmung zu verbreiten. Die Schülerin bleibt ihrerseits dabei, dass jetzt schnellstens reagiert werden muss. Sie wolle aber mit allen zusammenarbeiten, auch mit der N-VA, weil jetzt eben alle an einem Strang ziehen müssten. Klimaschutz habe nämlich keine Farbe.
Auf den ersten Blick mag man diese Aussage als naiv betrachten, meint De Morgen in seinem Leitartikel. Nach dem Motto also: Die 17-jährige Anuna hat leider keine Ahnung, wie der politische Betrieb funktioniert. Und tatsächlich: Parteipolitik gehört, zumal in Belgien, ganz einfach dazu. Und in neun von zehn Fällen läuft es so ab: Jede Partei formuliert eine Reihe von Vorschlägen. Danach streiten sie sich wie die Kesselflicker und ziehen übereinander her. Bis die Debatte ausgeblutet ist und versandet. Danach kommen ein neues Thema und ein neuer Streit. Da kann man sich nur wünschen, dass es diesmal anders abläuft, dass es den Klimaschwänzern gelingt, diesen Teufelskreis zu durchbrechen.
Klimaschutz und politische Vereinnahmung
Eins haben sie aber geschafft, glaubt Het Nieuwsblad. Die demonstrierenden Schüler haben die Politik aufgemischt. Bislang hatten die meisten Parteien sich im Grunde darauf beschränkt, die Klimaerwärmung als Herausforderung zwar anzuerkennen, aber damit nur ein paar fromme Versprechen zu verbinden. Jetzt müssen sie hopplahopp konkrete Vorschläge ausformulieren. Da haben wir aber gleich einen Tiefpunkt erreicht: Die CD&V hat angeboten, Parlamentarier in die Schule zu schicken, um mit den Jugendlichen über Klimaschutz zu debattieren. Was für eine unselige Idee! Schulen sind definitiv nicht der Ort, wo Parlamentarier die Politik der eigenen Partei darlegen sollten.
Das zeigt im Grunde nur, in was für einer unbequemen Lage die CD&V ist. Seit die N-VA in die Klimaschutz-Diskussion eingestiegen ist, scheint sich die Debatte nämlich wieder auf einen Zweikampf zuzuspitzen: ein Duell zwischen der N-VA und Groen. Für die drei anderen großen Parteien, die CD&V, aber auch OpenVLD und SP.A, stellt sich da die Frage, welche Rolle sie in dem Ganzen noch spielen können. Eins ist aber sicher: Besuche von Parlamentariern in Schulen, das geht nicht.
"Lasst die Parteipolitik außen vor!", schließt sich denn auch Het Laatste Nieuws der Meinung von Anuna De Wever an. Hier geht es um das Allgemeinwohl, das große Ganze. Und man kann doch nur feststellen, dass sich die Parteien in wesentlichen Punkten einig sind. In einem Satz: Wir müssen den CO2-Ausstoß drastisch reduzieren und dieser Prozess muss beziffert aber vor allem geplant sein.
"Doch hier muss die Politik Regie führen", mahnt De Standaard. Politiker sind immer noch die Einzigen, die über eine demokratische Legitimität verfügen. Das gilt eben nicht für gleich welche Organisationen oder Experten beziehungsweise Technokraten. Es ist einfach, aus einem Elfenbeinturm heraus Lösungsvorschläge zu propagieren, Politiker müssen sich demgegenüber alle fünf Jahre dem Urteil des Wählers stellen. Ihre Aufgabe ist es denn auch, nach einer gesellschaftlichen Tragfläche zu suchen. Politik darf sich eben nicht zu weit vom Bürger entfernen. Es mag verführerisch sein, das Volk von dieser Diskussion auszuschließen. Dann landen wir aber in einem illiberalen System. Und die sind meistens Klimaskeptiker.
Ladenschlussgesetz und Filmreifes in Antwerpen
Gazet van Antwerpen kritisiert in seinem Leitartikel die Idee der N-VA, wonach das Ladenschlussgesetz aufgebrochen werden soll. Nicht nur, dass die Geschäfte demnach länger aufbleiben könnten, die flämischen Nationalisten wollen auch den gesetzlichen Ruhetag abschaffen. Das ist kontraproduktiv, meint das Blatt sinngemäß. Erstens: Damit hilft man nur den großen Supermarkt-Ketten. Im Umkehrschluss würde das, zweitens, dazu führen, dass der Druck auf die kleinen Geschäfte nur noch größer wird. Und die Folge davon wäre, drittens, dass noch mehr Geschäftsleute am Ende keine Nachfolger mehr finden und deshalb noch mehr Geschäftsflächen auf Dauer leer stehen. Das nützt niemandem.
"Höllisches Wochenende in Antwerpen", so schließlich die fast schon bedrohliche Schlagzeile auf Seite eins von Gazet van Antwerpen. Am Samstag gab es in der Scheldestadt eine Schießerei auf offener Straße. Tragische Bilanz: ein Toter, zwei Schwerverletzte. Das Opfer wurde regelrecht exekutiert.
Gestern dann wurde mitten im Antwerpener Stadtzentrum eine Bank ausgeraubt. "Wie im Film", bemerkt dazu Het Laatste Nieuws. Tatsächlich haben die Täter einen Tunnel gegraben und sind so in den Keller des Geldhauses gelangt. Danach konnten sie in aller Seelenruhe die Tresore aufbrechen. Über die Höhe der Beute wollte die Bank keine Angaben machen.
Roger Pint