"Die Klima-Märsche dehnen sich aufs ganze Land aus", titelt Le Soir. Ähnlich bei Gazet van Antwerpen: "Die Schwänzer für das Klima verbreiten sich im ganzen Land". "Klima-Proteste: Wir sind noch lange nicht fertig", so die Schlagzeile des GrenzEchos.
Den vierten Donnerstag in Folge haben gestern tausende junge Menschen in Belgien für eine entschlossenere Klimapolitik protestiert. Viele Zeitungen nehmen diese Proteste auch in ihren Leitartikeln - und setzen sich durchaus kritisch mit dem Klima-Enthusiasmus auseinander.
Het Nieuwsblad etwa verweist darauf, dass die Klima-Schützer nicht die einzigen Protestierenden sind. Für den 13. Februar haben die Gewerkschaften zu einem landesweiten Streik aufgerufen. Arbeiter wollen die Arbeit niederlegen, um Lohnerhöhungen, mehr Kaufkraft und mehr Jobsicherheit zu erstreiten. Es wird interessant zu sehen, wie groß die Wirkung des Nationalstreiks im Verhältnis zu den Klimamärschen ausfallen wird. Nicht, dass die Anliegen der Gewerkschaften wichtiger sind als das Klima. Aber egal welche Farbe die Proteste haben, sollte ihnen gleichviel Beachtung geschenkt werden, findet Het Nieuwsblad.
Am Ende entscheidet der Wähler
Het Laatste Nieuws fordert vor allem mehr Realismus. Die Wissenschaft schart sich zwar hinter die Klimaschützer. Aber am Ende kommt es auf die Wähler an. Die sind zwar besorgt wegen des Klimas, aber noch besorgter sind sie um ihr Portemonnaie. Sie wollen zwar Maßregeln, aber das lieber nicht aus der eigenen Tasche zahlen. Ist das zynisch? Nein, das ist realistisch. Es ist natürlich gut, dass alle möglichen Experten helfen wollen. Aber es fehlt unseren politischen Parteien nicht an Informationen oder Expertise. Sondern es fehlt ihnen an politischem Mut, um zu tun, was getan werden muss, folgert Het Nieuwsblad.
Zu einem ähnlichen Schluss kommt am Ende auch L'Avenir. Zunächst schlägt die Zeitung aber einen Bogen über die "Tournée Minérale". Das ist eine Aktion, bei der sich Menschen vornehmen, einen Monat lang keinen Alkohol zu trinken. Dieser Monat ist wie im vergangenen Jahr der Februar.
Wirkliche Maßnahmen für schnelle Lösungen
Das Problem dieser Art von Kampagne ist doch, dass sie immer schon implizieren, dass es im nächsten Jahr wieder dieselbe Kampagne geben wird. Außerdem verleiten sie zu Egozentrismus. Man trinkt keinen Alkohol mehr, um sich zu beweisen, dass man nicht abhängig ist. Das ist wie beim Klima. Bei jeder Veröffentlichung eines Klima-Reports geht man demonstrieren, verändert sein Verhalten und fasst gute Vorsätze. Aber die Erderwärmung setzt sich fort und wird sich auch weiter fortsetzen, sollten die Staaten keine wirklichen Maßnahmen ergreifen, um diese lobenswerten und guten Absichten auf lange Sicht umzusetzen, folgert L'Avenir.
Le Soir kommt auf die Tram in Lüttich zu sprechen. Dieses wichtige Infrastruktur-Projekt ist nun endlich beschlossene Sache. Dank der Straßenbahn wird es weniger Staus geben und sie wird die Stadtviertel und Bewohner miteinander verbinden. Es lässt einen verzweifeln zu sehen, dass es in Belgien so lange dauert, ein solches Projekt umzusetzen. Umso mehr, da gerade so viele Jugendliche auf die Straße gehen und schnelle Lösungen für die Problematik des Klimawandels fordern. Es ist nun einmal klar, dass jegliche Politik, die die Nutzung des Autos reduzieren will mit alternativen Lösungen einhergehen muss. Jetzt muss die Tram möglichst schnell gebaut werden, schließt Le Soir.
Überraschender Aufschwung
Die Wirtschaftszeitung L'Echo beschäftigt sich mit der überraschend positiven Lage an den Finanzmärkten. Man kann sich fragen, warum die Börsen zu Anfang dieses Jahres so gut in Form sind, obwohl die aktuellen Zahlen eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums andeuten. Wie ist zu erklären, dass der Bel20, der Star-Index der Brüsseler Börse, im Januar um 7,5 Prozent in die Höhe geschossen ist, nachdem der Dezember der schlechteste Monat in seiner Geschichte war?
Die Antwort liegt vielleicht in den Ankündigungen der wichtigsten Zentralbänker des Planeten. Nach dem Ende der Bankenkrise, der Finanzkrise und der Schuldenkrise hatten die Zentralbanken Schritt für Schritt ihre Maßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft zurückgefahren. Jetzt scheinen sie wieder bereit zu sein, frisches Geld bereitzustellen, sollte es nötig sein. Es bleibt abzuwarten, ob das genug ist, um die wirtschaftlichen Konsequenzen katastrophaler Entscheidungen wie des Brexits oder des Protektionismus von Donald Trump auszugleichen, schreibt L'Echo.
Bloß nicht die Mehrwertsteuer
De Tijd ist da um einiges pessimistischer: Der internationale Kontext hat sich dermaßen verdunkelt, dass große Vorsicht geboten ist. Die aktuelle positive Entwicklung an den Finanzmärkten könnte schnell wieder verschwinden. Ein großer Aufwärtstrend kann auch schlechte Nachrichten bedeuten, warnt De Tijd.
Auch La Libre Belgique analysiert ein Wirtschaftsthema: Wie kann die Kaufkraft erhöht werden? Die von vielen geforderte Abschaffung der Mehrwertsteuer auf lebensnotwendige Produkte ist auf jeden Fall nicht das richtige Mittel. Am Ende könnten Hersteller und Händler viel mehr davon profitieren als die Kunden. Außerdem entsprechen die Einnahmen durch die Mehrwertsteuer in Belgien 27 Milliarden Euro. Wenn ein Teil davon wegfiele, müsste der Staat das über eine andere Steuer ausgleichen oder seine Ausgaben verringern. Besser wäre es, gezielt die niedrigen Einkommen zu fördern, die Bildung zu verbessern und armen Familien unter die Arme zu greifen, schlägt La Libre Belgique vor.
Peter Eßer