Regen, Regen, Regen
"Der nasseste Augusttag seit 14 Jahren", titelt heute Het Laatste Nieuws. L'avenir meint auf Seite 1: "Die gesamte Regenmenge des Monats innerhalb von 24 Stunden". Die heftigen Regenfälle haben vor allem gestern wieder für eine ganze Reihe von Problemen gesorgt.
Der Brüsseler Autobahnring war nach einem schweren Verkehrsunfall zwölf Stunden lang gesperrt. Aquaplaning war offenbar die Ursache. Das Foto eines LKW, dessen Kabine an einer Brücke buchstäblich über dem Abgrund baumelt, findet sich in vielen Zeitungen.
Vielerorts kam es zu, wenn auch allgemein leichten, Überschwemmungen. In Moerbeke-Waas (nördlich von Gent) fielen 85 Liter je Quadratmeter. Im Durchschnitt fallen im ganzen Monat August gerade einmal 71 Liter, wissen unter anderem Het Nieuwsblad und Het Laatste Nieuws zu berichten. Der Rekord von 1996 wurde allerdings nicht geknackt, fügt L'avenir hinzu.
"Jeder Tropfen, der jetzt noch fällt, ist einer zu viel", wird ein Meteorologe in Gazet van Antwerpen zitiert. Tatsächlich sind die Böden vielerorts gesättigt. Mit einer Wetterberuhigung ist aber erst ab Donnerstag zu rechnen. In den ersten 14 Tagen des Monats belief sich die Durchschnittstemperatur gerade einmal auf 17,2 Grad, berichtet La Dernière Heure unter Berufung auf einen Klimaforscher.
Krach ums Geld
Im Mittelpunkt der Kommentare stehen heute aber wieder einmal die politischen Entwicklungen. "Jetzt geht es nur noch ums Geld", titeln heute fast gleichlautend Le Soir und De Standaard.
"Für die Frankophonen ist die Schmerzgrenze erreicht", meint La Libre Belgique auf Seite 1. Tatsächlich hatten sich die sieben Parteien am Verhandlungstisch offenbar schon auf die Eckpunkte einer neuen Staatsreform geeinigt. "Noch eine letzte Sache", soll dann plötzlich N-VA-Chef Bart De Wever in die Runde geworfen haben, weiß Het Nieuwsblad zu berichten. Und dann legte De Wever die Forderung auf den Tisch, wonach die Finanzierung der Teilstaaten neu überdacht werden müsse. Im Klartext: Hier geht es um das so genannte Finanzierungsgesetz.
Und das ist kein Detail, wie De Standaard hervorhebt. Dieses Gesetz regelt die Geldströme zwischen der föderalen und der gliedstaatlichen Ebene. De Wever, flankiert von der CD&V, will, dass die Teilstaaten mehr Verantwortung bekommen, dass die von ihnen geführte Politik finanzielle Folgen hat, dass mutige Maßnahmen belohnt und Misswirtschaft bestraft wird.
Chaos und emotionale Achterbahn
Indem De Wever das Finanzierungsgesetz zur Sprache gebracht hat, hat er die Büchse der Pandora geöffnet, notiert De Standaard. Die gestrige Verhandlungsrunde endete dann auch postwendend im Chaos, hebt Het Nieuwsblad auf seiner Titelseite hervor. Es kam offenbar zu einem heftigen Streit zwischen Prä-Regierungsbildung Elio Di Rupo und Bart De Wever. Denn es gab eine Abmachung zwischen beiden Männern, die Finanzierungsgesetze nicht anzurühren. In der Folge wurde De Wever von einem Unwohlsein befallen. Das, so glaubt Le Soir, hat es Di Rupo ermöglicht, die Verhandlungen erst einmal zu unterbrechen, damit jeder noch mal drüber schlafen kann.
In den letzten 24 Stunden haben wir ein Wechselbad der Gefühle erlebt, fasst La Libre Belgique in ihrem Leitartikel zusammen. Zwischen Optimismus und absoluter Resignation wurden alle Gefühlszustände durchlaufen. Die Eckpunkte der Staatsreform, auf die man sich offensichtlich schon einigen konnte, umfassen Kompetenzübertragungen mit einem Gegenwert von 16 Milliarden Euro. Bart De Wever muss jetzt wissen, was er will: Entweder er verbucht eine gewaltigen Fortschritt im Sinne der flämischen Forderungen, oder er verzichtet auf eine Eintrag ins Geschichtsbuch, weil seiner Partei das Ganze immer noch nicht weit genug geht.
Die N-VA - eine gespaltene Partei?
Das Grundproblem ist, dass die N-VA eine gespaltene Partei ist, analysiert Het Nieuwsblad. Auf der einen Seite: Bart De Wever, der aus der N-VA die neue flämische Zentrumspartei machen will. Und auf der anderen Seite die altbekannten Hardliner der ehemaligen Volksunie. Das, was jetzt auf dem Tisch liegt, ist bestimmt nicht die kopernikanische Revolution. Di Rupo hat aber ein stimmiges Gesamtkonzept präsentiert, worin jeder sich wiederfinden kann. De Wever hat es jetzt in der Hand.
Flickenteppich oder Fortschritt
Het Laatste Nieuws ist nicht so begeistert angesichts der derzeitigen Blaupause einer neuen Staatsreform: Das Ganze ist nicht mehr als ein Flickenteppich, macht Belgien insgesamt nicht effizienter. Bleibt es dabei, dann ist das bestimmt nicht die letzte Staatsreform, und dann beginnt bald alles wieder von vorn.
De Standaard sieht das anders: Was jetzt auf dem Tisch liegt, ist - finanziell gesehen - die bedeutendste Staatsreform aller Zeiten. Es fehlt allerdings noch genau der Punkt, der jetzt zur Debatte steht: Mehr finanzielle Verantwortung für die Teilstaaten. Jeder Bundesstaat verfügt über Instrumente, die die Teilstaaten anspornen sollen, eine gute, zukunftsorientierte Politik zu führen. Die Frankophonen müssen einsehen, dass das von entscheidender Bedeutung ist.
Und wo bleibt Pakistan?
De Morgen schließlich wirft einen nachdenklichen Blick auf das innenpolitische Theater. Klar: Der Inhalt dessen, was da in der Rue de la Loi verhandelt wird, mag für unsere Zukunft von nicht unwesentlicher Bedeutung sein. Doch vernebelt das unseren Blick auf den Rest der Welt. In Pakistan etwa spielt sich eine Katastrophe ohne Gleichen ab. 20 Millionen Menschen sind von Überschwemmungen biblischen Ausmaßes betroffen. Aus den verschiedensten Gründen hält sich die Hilfsbereitschaft des Westens derzeit noch arg in Grenzen. Auch in Belgien denkt man noch nicht über eine nationale Spendenaktion nach, angeblich, weil das Interesse fehlt. Das Fazit von De Morgen wörtlich: "Helft diesen Menschen, verdammt noch mal!"
Bild: vrt