"Didier Reynders ist bereit, die belgische Politik zu verlassen", titelt La Libre Belgique. "Reynders Favorit für den Europarat", so die Schlagzeile von Le Soir. "Reynders sagt belgischer Politik Adieu, wenn er nicht Premierminister werden kann", notiert Het Laatste Nieuws.
Außen- und Verteidigungsminister Didier Reynders hat sich auf den Posten des Generalsekretärs beim Europarat in Straßburg beworben. Seine Kandidatur gilt als sehr aussichtsreich. Reynders ist zurzeit der einzige Kandidat auf der Bewerberliste, die in zwei Tagen geschlossen wird.
Dazu kommentiert Het Laatste Nieuws: Reynders ist also Topkandidat für den Chefsessel im Europarat – eine Institution, die mehr Prestige als Macht besitzt. Das Timing, um diesen Posten zu bekommen, ist perfekt: Am 26. Mai will Reynders nämlich noch einmal an den Föderalwahlen teilnehmen. Zwei Wochen später könnte er vom Europarat gewählt werden. Diesen Posten würde er aber erst am 1. Oktober antreten.
Adieu, Didier Reynders? Nicht unbedingt. Denn sollte Reynders zwischen dem 26. Mai und dem 1. Oktober noch die Möglichkeit bekommen, Premierminister oder EU-Kommissar zu werden, dann würde er sich sicherlich für einen dieser Posten entscheiden. Doch die Chance, dass Reynders tatsächlich vor diese Wahl gestellt werden könnte, ist – mit Verlaub gesagt – nicht sehr groß, glaubt Het Laatste Nieuws.
Zwischen Konföderalismus, Migration und Wirtschaft
Die Wirtschaftszeitung L'Echo beschäftigt sich mit den Themen, die die anstehenden Kampagnen für die Föderalwahlen prägen werden, und führt aus: Auf der frankophonen Seite fürchten viele, dass die N-VA das Thema Konföderalismus wieder auspacken könnte. Bart De Wever hat bereits verlauten lassen, dass er über den Konföderalismus sprechen werde, falls seine N-VA nach den Wahlen mit der PS am Verhandlungstisch sitzen würde. Doch machen wir uns nichts vor: Mit Konföderalismus wird die N-VA keinen Wahlkampf machen. Mit dem Thema Migration kann die Partei nämlich viel besser punkten bei den Flamen. Der Wunsch nach Unabhängigkeit ist bei vielen Flamen nicht besonders ausgeprägt – Flandern ist nicht Katalonien. Weshalb es bei den drei zentralen Themen der N-VA-Kampagne bleiben wird, die schon bekannt sind: Wirtschaft, Sicherheit und Identität, hält L'Echo fest.
Zu den Wahlkampfthemen kommentiert auch Le Soir: Der flämische Arbeitgeberverband Voka ist alles andere als begeistert, dass sehr wahrscheinlich das Thema Migration zentral im kommenden Wahlkampf werden wird. Den Unternehmensbossen sind sozioökonomische Themen von Natur aus viel wichtiger. Die Voka hat Angst, dass eine Debatte um die künftige Ausrichtung der belgischen Wirtschaft nicht geführt wird. Allerdings ist die Voka eine der mächtigsten Lobbygruppen des Landes. Dass sie Politiker wie Bart De Wever dazu bringen kann, auch wirtschaftliche Themen im Wahlkampf aufzugreifen, ist also durchaus gegeben, analysiert Le Soir.
De Tijd berichtet von einer Studie der Universität Löwen, wonach die belgischen Arbeitnehmer zu den am wenigsten flexiblen in Europa gehören. Die Wirtschaftszeitung findet: Durch das Festhalten an den herkömmlichen Arbeitszeitmodellen Montag bis Freitag von neun bis fünf verpasst Belgien den Zug der Zeit. Die Weltwirtschaft hat sich längst zu einer Wirtschaft von sieben Tagen die Woche, 24 Stunden am Tag entwickelt. Politik und Sozialpartner in Belgien müssen das erkennen und sich für Änderungen bei der Gesetzgebung einsetzen. Denn nicht nur die Unternehmen, sondern auch viele Arbeitnehmer wünschen sich mehr Flexibilität. Und dass es auch vernünftige Modelle mit mehr Flexibilität ohne Ausbeutung gibt, zeigen unsere Nachbarländer Niederlande und Deutschland, weiß De Tijd.
Antworten tun not
De Morgen notiert zum Thema Kinderprostitution, das in Flandern gerade hohe Wellen schlägt: Auslöser für die aufgeregte Diskussion ist diesmal das Youtube-Musikvideo eines Rappers aus Antwerpen. In seinem Lied verteidigt er einen Jugendfreund, der wegen Zuhälterei Minderjähriger verurteilt wurde. Das Video hat nur einen einzigen Verdienst: Es bringt das Thema Kinderprostitution wieder in die Debatte. Hier besteht Handlungsbedarf, denn bislang wurde viel zu wenig gegen diese schändliche Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen getan. Vielleicht ändert das schlimme Video das ja jetzt, hofft De Morgen.
Het Nieuwsblad fragt zum gleichen Thema: Was geht in dem Kopf des jungen Antwerpener Rappers vor, der einen Kinder-Zuhälter verteidigt, ihn als Opfer des Systems darstellt und nicht versteht, dass Kinder-Zuhälterei etwas ganz Schlimmes ist? Die gleiche Frage kann man den Krawallmachern der Silvesternacht in Molenbeek stellen. Auch hier waren es junge Menschen mit Migrationshintergrund, die ohne Unrechtsbewusstsein gehandelt haben. Es wäre gut, Antworten auf diese Frage zu bekommen – und zwar von den Jugendlichen selbst, wünscht sich Het Nieuwsblad.
Rote Halstücher gegen Gelbe Warnwesten
L'Avenir schreibt zu den Gelbwesten: In Frankreich bleibt ihr Protest massiv und gewalttätig. Das wird mittlerweile sogar einigen Bürgern zu viel. Sie haben die Bewegung der "Roten Halstücher" gegründet, um den Rechtsstaat zu verteidigen. Die Franzosen stehen jetzt vor der Wahl: die Republik der Freiheit und des Protests unterstützen – oder den Ordnungsstaat, so L'Avenir.