Alle Zeitungen kommentieren heute die Endphase der Verhandlungen des Präformators Di Rupo, die nach Redaktionsschluss in der vergangenen Nacht unterbrochen wurden. Die meisten Zeitungen sind gemäßigt optimistisch.
La Dernière Heure stellt fest: Die Verhandlungen kamen nur sehr langsam voran. Das bedeutet, dass niemand die Tür zugeschlagen hat, und dass alle Parteien den Willen besitzen, ein Abkommen auszuhandeln. Die Atmosphäre war gestern sogar gut, und die Haltung des N-VA-Vorsitzenden De Wever wurde von den Anderen als positiv beurteilt.
La Libre Belgique schreibt unter dem Titel "Der Optimismus kehrt zurück": Die Standpunkte, vor allem über Brüssel, liegen noch weit auseinander. Auch in Sachen Staatsreform gibt es weiterhin gegensätzliche Meinungen. Die Flamen wollen nicht nur mehr Kompetenzen, sondern auch eine Vertiefung, das heißt, in verschiedenen politischen Bereichen völlig autonom entscheiden können.
Das ist nicht die erwartete große Staatsreform
De Standaard bedauert, dass man dem flämischen Wunsch nach Steuerhoheit und finanzieller Verantwortung für die Regionen nicht nachkommen will. Di Rupo hat eine breite Staatsreform ausgearbeitet, die allerdings nicht tiefgreifend ist. Auch eine dauerhafte Finanzierung der dem Föderalstaat verbleibenden Befugnisse ist nicht gesichert. Ohne Verbesserungen in letzter Minute in Sachen Steuerautonomie und finanzielle Verantwortung ist das nicht die große Staatsreform, auf die die Flamen warten.
Joëlle Milquet macht weiter und radikalisiert die Flamen
Het Laatste Nieuws unterstreicht: Eine echte Staatsreform muss auf dem Prinzip aufgebaut werden, dass die Flamen alles, was sie selbst tun können, anders tun werden, als es Belgien bisher tat. Sie muss den Wünschen, Normen und Nöten der Flamen entsprechen, die anders denken als Wallonen und Brüsseler. Eine echte kopernikanische Revolution bedeutet, dass jede Region nicht nur über ihre Ausgaben entscheiden kann, sondern auch über ihre Einkünfte, mit deutlichen Abmachungen für die Solidarität. Doch eine große Übertragung der Verantwortung für die Steuern ist scheinbar immer noch nicht möglich. Das ist ein Strich durch die Rechnung von Bart De Wever und eine Erleichterung für Joëlle Milquet.
Gazet van Antwerpen behauptet: Die cdH-Vorsitzende Milquet will, dass die Flamen mehr zur Staatsreform beitragen. Sie verlangt mehr Geld für Brüssel und die Anerkennung Brüssels als vollwertige dritte Region. Das ist für die flämischen Parteien fast inakzeptabel. Milquet ist zudem verärgert, weil Di Rupo mit seinen Zugeständnissen für die Spaltung des Wahlbezirks Brüssel-Halle-Vilvoorde zu weit gegangen ist. Milquet macht so weiter, wie sie im Jahr 2007 begonnen hat, und damit radikalisiert sie noch mehr die flämische Bevölkerung.
Di Rupo verdient ein Denkmal
Het Belang van Limburg meint: Wenn es Di Rupo gelingt, alle Standpunkte in einem großen Kompromiss mit einander zu versöhnen, um vom König mit der Bildung einer Regierung beauftragt zu werden, hat er sich ein Denkmal als Staatsmann verdient. Andererseits hat wohl auch keiner den Mut, die Verhandlungen abzubrechen. Das hat weniger mit verantwortungsvoller staatsmännischer Gesinnung zu tun, als mit der Befürchtung, von jedermann für eine Regimekrise verantwortlich gemacht zu werden.
Het Nieuwsblad meint: Wenn nicht die konkrete Aussicht bestehen würde, die Verhandlungen erfolgreich zu beenden, wären sie längst abgebrochen worden. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern hat Di Rupo es geschafft, ein echtes Gespräch herbeizuführen. Offensichtlich ist der politische Wille vorhanden, ein Regierungsabkommen zu erzielen.
De Morgen erklärt: Wenn diese Koalition jemals zustande kommt, wird es ihr an dem Willen fehlen, ein gemeinsames Projekt zu entwerfen und zu verwirklichen. Das erinnert an die Verhandlungen unter Leterme. Bisher hat nur die Feststellung, dass es keine Alternative gibt, diese sieben Parteien zusammengehalten.