"Spitzenkandidat spaltet die N-VA", titelt De Morgen. "N-VA-Politiker aus Partei geworfen, weil er zu Koalition in Ninove beiträgt", heißt es bei Het Nieuwsblad. Und leicht anders bei Het Laatste Nieuws: "N-VA-Politiker aus Partei geworfen, nachdem er Forza Ninove aus Regierung hält".
Die Koalitionsbildung in der Kleinstadt Ninove zwischen Brüssel und Gent beschäftigt heute viele flämische Leitartikler. Der N-VA-Politiker Joost Arents hat sich der Koalition aus OpenVLD und der Liste Samen angeschlossen und ihr so eine Mehrheit verschafft. Anderenfalls hätte es wohl die rechtsextreme Forza Ninove geschafft, den Bürgermeister zu stellen. Sie war bei den Gemeinderatswahlen stärkste Kraft geworden, hatte die absolute Mehrheit aber knapp verpasst. Arents flog deshalb gestern allerdings aus der N-VA – die Partei hatte zuvor entschieden, in die Opposition zu gehen.
Ist es undemokratisch, die stärkste Partei – in diesem Fall Forza Ninove – zu übergehen?, fragt De Morgen in seinem Kommentar. Natürlich nicht. Es ist auch nicht das erste Mal: 2012 in Kortrijk etwa war die CD&V stärkste Partei, eine Koalition unter Führung der OpenVLD verbannte sie aber dennoch auf die Oppositionsbank. Schlimmer für die Demokratie wäre wohl ein Bürgermeister einer Partei mit fremdenfeindlicher Propaganda in ihrem Programm, findet De Morgen.
Es ist überraschend, wie schnell bei Koalitionsbildungen das Wort "undemokratisch" in den Mund genommen wird, schreibt Het Laatste Nieuws und vergleicht die Situation in Ninove mit der in Antwerpen. Dort hat N-VA-Chef Bart De Wever die "Erzfeinde" von der SP.A mit ins Boot geholt, um Bürgermeister zu bleiben. Aber es gibt auch einen großen Unterschied zwischen beiden Städten: In Antwerpen war keine Koalition ohne die große N-VA möglich, in Ninove war es die "kleine" N-VA, die für eine Mehrheit fehlte. In jedem Fall geht es darum, zu verbinden, Menschen zusammenzubringen und an einem besseren Zusammenleben zu arbeiten. Deshalb: Herzlichen Glückwunsch, Ninove!, gratuliert Het Laatste Nieuws.
Nein, die Demokratie ist nicht aus dem Spiel genommen!, meint auch Het Nieuwsblad. Bürgermeister wird, wer eine Mehrheit im Gemeinderat findet. Zu sagen, dass eine Minderheitsregierung der Wunsch der Wähler ist, impliziert, dass die 40 Prozent Forza Ninove-Wähler wichtiger sind als die 60 Prozent, die anders abgestimmt haben. Wenn Regierbarkeit in Antwerpen Priorität hat, dann auch in Ninove. Und wenn Minderheitsregierungen in Brüssel keine gute Idee sind, dann auch nicht in Ninove. Das System hat funktioniert, auch wenn nicht alle mit dem Ergebnis glücklich sind. Insbesondere nicht die N-VA, analysiert Het Nieuwsblad.
Auch IS-Kinder haben Rechte
Le Soir kommt in seinem Leitartikel auf die Gerichtsentscheidung zu Kindern belgischer IS-Frauen zu sprechen. Ein Brüsseler Gericht hatte ja entschieden, dass Belgien diese Frauen und ihre Kinder wieder aufnehmen muss. Der Schutz von Kindern ist international anerkanntes Recht, erinnert die Zeitung. Und dieser Schutz gilt also auch für belgische Kinder von Eltern, die nach Syrien und in den Irak gereist sind, um dort für den IS zu kämpfen. Die Anwendung dieses Rechts ist in diesem Fall allerdings nicht einfach. Es stellt sich vor allem die Frage nach dem Sicherheitsrisiko: Wie kann die Kontaminierung mit dschihadistischem Gedankengut verhindert werden, wo Deradikalisierungsprogramme doch so häufig fehlschlagen? Dennoch dürfen Politiker deswegen Gesetze, internationale Konventionen und europäische Richtlinien nicht über den Haufen werfen, betont Le Soir.
Der Lärm der ordinären Aggressivität
In die gleiche Kerbe schlägt Gazet van Antwerpen: Die N-VA-Politiker Theo Francken und Annick De Ridder haben die Gerichtsentscheidung umgehend auf Twitter heftig kritisiert. Aber jetzt müssen wir mit Umsicht vorgehen, die Lage analysieren und mit Experten zusammenarbeiten, um dem Wohl der Kinder und unserem sicheren Zusammenleben Rechnung zu tragen. Das ist nicht einfach. Aber wildes Getwitter bringt uns auf jeden Fall nicht weiter, bemängelt Gazet van Antwerpen.
Um Tweets von Politikern geht es auch im Leitartikel von L'Echo. Die Zeitung kritisiert den Stil von Donald Trump: Der US-Präsident bringt die einen gegen die anderen auf, er bricht Handelskriege vom Zaun, zerfetzt Abkommen und paktiert mit Diktatoren – und das alles per Twitter. Andere machen es ihm nach: Bolsonaro, Le Pen, Francken, Salvini ... sie alle machen es Trump nach. Der Lärm dieser ordinären Aggressivität überdeckt in unserer hypermediatisierten Welt alle anderen Debatten. Es gibt keine anderen Ideen mehr, außer Mauern zu bauen, Bündnisse zu zerstören und Zwietracht zu säen. Diese rückwärtsgewandte Politik gefährdet unsere wirtschaftliche und soziale Entwicklung, warnt L'Echo.
Ein Ende – aber kein unrühmliches
L'Avenir schließlich prophezeit das Ende der Gelbwesten-Bewegung: Sicher, hier und da gab es rund um die Feiertage wieder Protestaktionen. Aber im Großen und Ganzen verliert die Bewegung an Schwung. Für eine Bewegung, die aus dem Nichts kam, keine Struktur und kaum klare Forderungen hat, ist dieses Ende dennoch nicht unrühmlich. Vielleicht wäre daraus etwas Größeres geworden, wenn die Demonstranten die Gewerkschaften mit an Bord gehabt hätten. Genau wie die Politiker haben es aber auch die Gewerkschaften nicht gerne, wenn das gemeine Volk ihre Monopolstellung bedroht, resümiert L'Avenir.
Paul Eßer