"Regierungskrise: König lässt sich Zeit, Parteien bringen sich in Stellung", titelt das GrenzEcho. "N-VA und Vlaams Belang profitieren von der Krise", so die Schlagzeile bei Het Belang van Limburg. "Vor allem Rechts gewinnt", notiert Het Nieuwsblad auf Seite eins.
Die aktuelle Regierungskrise tritt heute etwas in den Hintergrund. Gestern ist nicht viel passiert: König Philippe war damit beschäftigt, Gespräche mit verschiedenen Parteichefs zu führen.
De Morgen kommentiert: Aus rein demokratischer Sicht wären Neuwahlen das einzig Richtige. Alle Argumente, die jetzt dagegen angeführt werden, sind im Grunde nichtig. Denn was ist passiert? Eine Regierung ist zerbrochen, neue Mehrheiten konnten nicht gefunden werden, der Premier tritt zurück. Logische Konsequenz: Lasst den Bürger neu abstimmen. Das Argument, dass der Bürger nicht gerne zwei Mal relativ kurz hintereinander wählen gehen möchte, nämlich bei vorgezogenen Neuwahlen Ende Januar und dann wieder bei den Europa- und Regionalwahlen im Mai, ist dabei herablassend und paternalistisch. Denn woher wollen die Politiker genau wissen, was der Wähler will?, stichelt De Morgen.
Het Belang van Limburg schreibt zu einer nach dem Austritt der N-VA aus der Regierung im Auftrag der Zeitung durchgeführten Umfrage zur Beliebtheit der flämischen Parteien: Die Ergebnisse zeigen, dass Migration tatsächlich ein Thema ist, das die Menschen bewegt und mit dem die Parteien punkten können. Sowohl N-VA, als auch Vlaams Belang legen in unserer Umfrage zu. Zusammen kommen sie jetzt auf ein Rekordergebnis von 42,2 Prozent. Das ist beachtlich. Wenn man gleichzeitig sieht, dass OpenVLD und SP.A weiter an Boden verlieren, bedeutet das: Die künftige Regierungsbildung auf föderaler Ebene wird noch schwieriger werden, befürchtet Het Belang van Limburg.
Antwerpen als Trendsetter für die Föderalregierung?
In Antwerpen haben sich N-VA, SP.A und OpenVLD auf die groben Linien eines Koalitionsvertrags geeinigt. Dazu meint Het Laatste Nieuws: N-VA-Chef und Bürgermeister von Antwerpen Bart De Wever hatte vor wenigen Tagen die Versuche von Premierminister Charles Michel, die linken Parteien in der Kammer zur Unterstützung seiner Minderheitsregierung zu gewinnen, noch als die "schärfste aller Kehrtwendungen" bezeichnet. Jetzt macht De Wever das Gleiche in Antwerpen: N-VA und SP.A, das waren die größtmöglichen Feinde – jetzt machen sie gemeinsame Sache. Rein rechnerisch wird die OpenVLD dabei gar nicht gebraucht. Doch diese Dreierkoalition könnte ein Vorgeschmack auf die nächste Regierungskoalition in Flandern sein – vor allem, wenn man auch weiß, dass in Aarschot, wo die OpenVLD-Vorsitzende Gwendolyn Rutten Bürgermeisterin ist, ebenfalls eine Koalition aus diesen drei Parteien regiert, analysiert Het Laatste Nieuws.
Ähnlich wertet De Tijd: Politische Trends haben schon oft in Antwerpen begonnen. Der Vlaams Blok wurde hier gegründet, Groen ebenfalls; der Vlaams Blok ging hier unter; die N-VA schloss hier 2012 die erste Koalition mit CD&V und OpenVLD, mit denen die N-VA 2014 dann auch die flämische und auch die föderale Regierung bildete. Wenn man Antwerpen jetzt wieder als Trendsetter sehen möchte, dann würde die neue Koalition zwischen N-VA und SP.A dort für die föderale Ebene eine Zusammenarbeit der N-VA mit der PS bedeuten, spekuliert De Tijd.
Ein peinliches Debakel für die belgische Justiz
De Standaard beschäftigt sich mit dem Beschluss der Brüsseler Staatsanwaltschaft, die strafrechtliche Verfolgung von sieben Ex-Topmanagern der belgischen Großbank Fortis einzustellen. Die Zeitung schimpft: Diese Entscheidung ist peinlich für die belgische Justiz. Es zeigt, dass sie unfähig ist, solch große und komplexe Fälle in den Griff zu bekommen. Peinlich ist auch das Argument, das die Staatsanwaltschaft jetzt anführt, nämlich, dass die geschädigten Aktionäre durch eine Regelung in den Niederlanden Entschädigungen erhalten. Denn es ist nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft, in solchen Fällen für Entschädigungen zu sorgen, sondern Unrecht zu ahnden. Peinlich auch, dass die belgische Justiz keine Entschädigungszahlungen durchsetzen konnte, sondern dass das wohl nur in den Niederlanden möglich war, beschwert sich De Standaard.
Le Soir wettert: Das ist ein Debakel und hinterlässt beim Bürger das Gefühl, dass in der Justiz mit zweierlei Maß gemessen wird. Während man bei kleinen Fischen sehr eifrig ist, scheint das für die großen nicht zu gelten. Die Justiz hat bei ihrer Kernaufgabe versagt: nämlich, Recht zu sprechen, ärgert sich Le Soir.
Het Nieuwsblad ätzt: Wenn Sie in diesem Land nicht verurteilt werden möchten, sorgen Sie dafür, dass Ihr Vergehen möglichst groß ist und es um viel Geld geht. Denn solche Fälle kriegt unsere Justiz nicht gebacken. Sie überfordern unser System, spöttelt Het Nieuwsblad.
Machtkampf in der Wallonie
L'Avenir schreibt zur Lütticher Interkommunalen Publifin, die jetzt Enodia heißt: Das wallonische Parlament hat gestern wieder einmal festgestellt, dass es bei Publifin Widerstände gibt, die geforderten Reformen nach dem Skandal umzusetzen. Bei Publifin hingegen sagt die neue Präsidentin, dass 30 der 32 Forderungen bereits umgesetzt seien. Es ist ein Machtkampf zwischen Publifin und wallonischem Parlament, der sich hier abspielt, bei dem es auch um die Glaubwürdigkeit von öffentlichen Unternehmen geht, hält L'Avenir fest.
Kay Wagner