"Belgischer Online-Handel verliert 5,5 Milliarden Euro ans Ausland", titelt heute die flämische Wirtschaftszeitung De Tijd. Niederländische und deutsche Webshops sind bei den belgischen Kunden beliebter als einheimische. Dazu meint die Zeitung: Wir lassen uns die Butter vom Brot nehmen. Dafür sind zum Teil die belgischen Händler selbst verantwortlich, die zu spät an den E-Commerce geglaubt haben, und, als sie dann doch den Schritt machten, merken mussten, dass die ausländischen Spieler den Markt schon eingenommen hatten. Und zwar nicht nur die großen Jungs. Auch kleinere niederländische Händler richten sich mit ihren Webshops geschickt an die belgischen Käufer.
Doch auch die belgische Regierung ist nicht ganz unschuldig, findet De Tijd: Sie hat die strenge Gesetzgebung lange nicht angepasst. Und als sie schlussendlich doch etwas tat, war es meistens zu wenig oder zu spät. Die belgischen Händler mussten warten. Ihre Kunden taten das nicht. Wir haben den Zug des Online-Handels verpasst. Nun sitzen wir im Bummelzug und fahren hinterher. So können wir den Rückstand nicht wettmachen. Der gesamte Einzelhandel befindet sich sowieso in der Krise: Er sieht sich mit sinkenden Umsätzen konfrontiert. Das belgische Wirtschaftswachstum hinkt schon eine Weile dem unserer Nachbarländer hinterher. Besonders auffallend ist, dass die Konsumausgaben der belgischen Familien in den letzten Quartalen kaum noch steigen, stellt De Tijd fest.
Der Benzintropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat
Le Soir kommentiert die Protestaktion der "Gilets jaunes", die zuerst in Frankreich und gestern auch in Belgien Kraftstoffdepots und Raffinerien blockiert haben. Damit wollen die Bürger gegen hohe Benzin- und Dieselpreise protestieren. Die Zeitung schreibt: Die hohen Akzisen auf Kraftstoffe belasten die Haushaltskassen.
Es ist der Benzintropfen, der das Steuerfass zum Überlaufen gebracht hat, sagen die Demonstranten. Sie verstehen sich als eine apolitische Bewegung außerhalb der Gewerkschaften, die sich in den sozialen Netzwerken organisiert. Wenn sie auch die hohen Lebenshaltungskosten, die Rentenreform oder die allgemeine Perspektivlosigkeit beklagen, so ist es die Preissteigerung an der Zapfsäule, die sie auf die Straße gebracht hat. Die Politik wäre falsch beraten, sie als aufgestachelte Protestler abzustempeln, mahnt Le Soir.
Das Drama der Europäischen Union
De Standaard bringt heute die Geschichte eines polnischen Subunternehmers, der mit gefälschten Entsendungspapieren Ukrainer in Belgien beschäftigt. Deren Lebensumstände hierzulande sind skandalös, an der Grenze zur Sklaverei. Dazu meint das Blatt: Es ist das Drama der Europäischen Union. Es kamen offene Grenzen mit freiem Waren- und Personenverkehr, aber von einer sozialen oder steuerlichen Harmonisierung war nie die Rede. Die Sozialbeiträge müssen im Herkunftsland bezahlt werden. Das macht osteuropäische Arbeitnehmer billiger als belgische.
Europa versucht, das Sozialdumping in den Griff zu bekommen, aber echte Strafverfolgung bleibt aus. Die Betriebe verschwinden so schnell wie Schnee in der Sonne, die Arbeitsinspektion wird der Situation nicht Herr. Umso mehr, da die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas so mühsam verläuft. Die Subunternehmer profitieren von der anhaltenden Armut in bestimmten osteuropäischen Ländern bis hin zur Ukraine. Selbst mit Hungerlöhnen von fünf Euro pro Stunde stehen sie hier besser da als zuhause. Die EU wurde bestimmt nicht geschaffen, um eine solche Ausbeutung wie im 19. Jahrhundert heute wieder einzuführen, empört sich De Standaard.
Ein aussichtsloser Kampf
De Morgen beschäftigt sich in seinem Leitartikel mit dem neuen Verteidigungsminister Sander Loones. Der will belgische Spezialeinheiten aus dem Irak abziehen und nach Afghanistan schicken. Eine logische Entscheidung, findet De Morgen.
Während sich der IS im Osten Syriens zurückgezogen hat, sind die Taliban in Afghanistan wieder auf dem Vormarsch. Nicht, dass deswegen hier jemand schlaflose Nächte hätte, doch die afghanische Armee hat gerade einmal die Hälfte des Staatsgebietes unter Kontrolle. In den letzten Monaten ist die Zahl der Selbstmordanschläge um fast 40 Prozent gestiegen. Im Sommer gab es 3.000 zivile Todesopfer und 5.000 Schwerverletzte.
Andererseits muss Verteidigungsminister Loones sich die Frage stellen, ob der Einsatz von rund hundert Elitesoldaten tatsächlich etwas an dem desaströsen Zustand in Afghanistan verändern wird. Die Antwort lautet: Nein. Der Krieg in Afghanistan zieht sich schon seit 17 Jahren hin. Dank eines massiven Truppeneinsatzes erlitten die Taliban anfangs schwere Rückschläge. Heute ist klar, dass das nicht mehr war als ein Pyrrhussieg.
Wenn es eins gibt, das die internationale Gemeinschaft begreifen muss, dann ist es, dass man die Taliban überhaupt nicht auf dem Schlachtfeld besiegen kann. Diese Art Kriege kann man nur mit einer Kombination von militärischen, diplomatischen, wirtschaftlichen und sozialen Anstrengungen gewinnen. Den möglichen Einsatz belgischer Special Forces kann man loben nach dem Motto "Jedes Bisschen hilft" oder "Jeder muss seinen Beitrag leisten". Aber schon jetzt steht fest: Es wird ein aussichtsloser Kampf, befürchtet De Morgen.
Volker Krings