Die meisten Zeitungen kommentieren die Wiederaufnahme der Gespräche des Prä-Formateurs Di Rupo mit den sieben Parteien, die eine neue Staatsreform unterstützen wollen.
Le Soir bringt die Schlagzeile: "Die Verhandlungen sind nicht blockiert, doch es gibt noch kein Abkommen". Der Prä-Formateur muss eine Koalition zusammenstellen, ehe er am Montag zum König geht. Die N-VA, die PS, die CD&V, die SP.A und die cdH sind bereit, eine föderale Regierung zu bilden und über die Staatsreform zu verhandeln.
Einige hoffen, dass sie die Grünen noch überzeugen können, sich an der künftigen Regierung zu beteiligen, die dadurch eine Zweidrittel- Mehrheit hätte, die für eine Staatsreform unentbehrlich ist.
Auch N-VA muss Kompromisse schließen
Het Laatste Nieuws stellt fest: Die Verhandlungsatmosphäre war gestern höflich, doch wie lange noch? Das Gerücht ging um, dass es eine Annäherung über B.H.V gab, doch andere Quellen behaupteten, dass die Kluft unvermindert tief bleibt. Die N-VA will als Gegenleistung für die Spaltung des Wahlbezirks nicht weiter gehen als ein Wahlrecht für die frankophonen Einwohner der Randgemeinden mit Spracherleichterungen auf Brüsseler Listen. Die cdH hingegen will auch den Frankophonen in anderen flämischen Randgemeinden die Chance geben, für frankophone Kandidaten auf Brüsseler Listen zu wählen. Die N-VA will darüber nicht diskutieren.
De Morgen meint: Jetzt hat der Prä-Formateur einen umfassenden Plan auf den Verhandlungstisch gelegt und verpflichtet damit auch die anderen, Stellung zu beziehen. Die N-VA muss ihre Zwangsvorstellung fallen lassen, dass es ihr möglich ist, eine Staatsreform durchzuführen, ohne die Geschichte der institutionellen Kompromisse zu respektieren. Wenn jetzt die Befugnisübertragung von Teilen der Steuer-, der Sozial- und Beschäftigungspolitik, sowie die Spaltung von B.H.V zur Diskussion stehen, darf man nicht fragen, welcher Punkt nicht genau dem eigenen Parteiprogramm entspricht. Die wichtigste Frage ist, ob diese Vorschläge die Wohlfahrt der Bürger in den nächsten Jahren garantieren können.
Belgien der Regionen oder der Gemeinschaften
Het Belang van Limburg unterstreicht: Die N-VA sieht eine ihrer Forderungen erfüllt, da die Frankophonen bereit sind, die Kinderzulagen der föderalen Ebene zu entziehen. Die Frankophonen müssen zufrieden sein, wenn diese Befugnis den Regionen anvertraut wird und nicht den Gemeinschaften. Die gesamte föderale Staatsstruktur beruht auf einem Kompromiss zwischen den Flamen, die ein zweiteiliges Belgien mit Flamen und Frankophonen wollen und den Frankophonen, die ein dreiteiliges Belgien mit Flandern, der Wallonie und Brüssel anstreben.
La Libre Belgique erklärt: Die Zeit ist jetzt reif, um einen neuen Föderalstaat aufzubauen, der aus drei oder vier Regionen besteht. Das kann die Verfechter der Gemeinschaften vor den Kopf stoßen. Doch es gibt keinen anderen Ausweg, wenn man nicht der flämischen Forderung einer gemeinsamen flämisch-frankophonen Verwaltung Brüssels nachkommen will. Die N-VA und die anderen flämischen Parteien müssen echte Zugeständnisse machen. Jeder Gliedstaat, vor allem Brüssel und die Wallonie, muss ein politisches Projekt vorzeigen, das von einer Mehrheit seiner Einwohner akzeptiert wird.
Die größte Staatsreform seit der Regionalisierung des Unterrichtswesens
De Standaard notiert: Die neue Staatsreform wird zwischen zehn und fünfzehn Milliarden Euro an die Gliedstaaten übertragen. Das ist finanziell die größte Reform seit der Regionalisierung des Unterrichtswesens. Sonntag Abend muss ein Entwurf eines Abkommens auf dem Papier stehen, denn am Montag geht Di Rupo zum König. Danach wird die eigentliche Regierungsbildung beginnen.
Gazet Van Antwerpen unterstreicht: Der Prä-Formateur muss jetzt das Unversöhnbare versöhnen. Wenn sein Auftrag scheitert, droht das Chaos und eine Krise des Regimes steht vor der Tür.
Het Nieuwsblad stellt fest: Die Frankophonen haben schon mehrmals nachgegeben und sind bereit, über Steuerhoheit, die Regionalisierung der Beschäftigungspolitik und der Gesundheitsfürsorge zu verhandeln. Das ist eine bedeutende Entwicklung. Jetzt ist die N-VA am Zuge. Bart De Wever steht vor der größten Herausforderung seiner politischen Karriere. Jetzt muss er zeigen, dass er ein Staatsmann sein kann.
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