"Angela Merkel kündigt Abschied an", titelt De Tijd. "Abschied in Raten", schreibt Het Belang van Limburg auf Seite eins. Und De Standaard titelt "Das Ende einer Ära".
Het Laatste Nieuws meint: Angela Merkel ist ein Klassiker, eine lebende Legende, auch wenn sie nichts wirklich Spektakuläres vollbracht hat. Merkel, das war lange die personifizierte Stabilität, die Fleisch gewordene Mitte, die Deutschland und Europa lange Zeit gutgetan hat. In den heutigen Zeitgeist passt sie nicht mehr hinein. Heute sind die Wähler unzufrieden und unruhig, suchen ihr Heil in Extremen, von "Nostalgisch-Braun" bis "Gras-Grün". Merkels Gedankengut und ihre Art Politik zu führen sind reif für die Rente, passend, mit 67 Jahren, bemerkt Het Laatste Nieuws.
L'Echo würdigt: Merkel ist eine "Grande Dame", eine der mächtigsten Frauen der Welt, die Deutschland und de facto Europa zwölf Jahre lang geführt hat. Jetzt ist sie geschwächt und hat beschlossen, nur noch zwei Jahre an der Macht zu bleiben, um ihr Erbe zu bewahren und die Werte einer "freien Demokratie" zu verteidigen. Zwei Jahre, damit ein Nachfolger für sie gefunden wird. Wenn es denn einen gibt. Die kommenden zwei Jahre, in denen sie sich aus der Politik verabschiedet, werden zwei Jahre voller Gefahren für Europa werden, glaubt L'Echo.
Frau Merkel ist in Ungnade gefallen
De Tijd analysiert: 2015 war der Wendepunkt in Merkels politischer Karriere. Bis dahin war sie unangefochten die große Leitfigur in Deutschland wie in Europa. Dann kam die Flüchtlingskrise und ihr Satz "Wir schaffen das". Dieser Meinung waren längst nicht alle in Deutschland und in Europa. Merkels Bild bekam Kratzer. Weil sie den Absprung aus der Politik nicht zur rechten Zeit geschafft hat, geht die Ära Merkel jetzt in Moll zu Ende. Die von allen geliebte "Mutti" gibt es nicht mehr, und Frau Merkel ist bei vielen in Ungnade gefallen, so De Tijd.
Das GrenzEcho scheint das zu bestätigen. Denn dort ist zu lesen: Deutschland braucht dringend ein Zukunftsprojekt. Es müssen neue Konzepte her. Und neue Köpfe! Anders ist es auch nicht in Brüssel. Merkel hat die EU gespalten: Der Westen kann nicht mit dem Osten, der Norden nicht mit dem Süden. Die ehemals starke Frau Europas hat keine Rezepte parat, um ein Auseinanderbrechen der EU zu verhindern. Besser sie geht, ehe die nächste Euro-Krise kommt, wünscht sich das GrenzEcho.
Neue politische Lage als faszinierende Herausforderung
De Morgen kommentiert: Die Ankündigung von Merkel ist der Beweis dafür, dass wir gerade in einer Zeit von großen Veränderungen leben. Die politische Landschaft wandelt sich, die ehemaligen großen Volksparteien verlieren überall an Zuspruch. Neue Parteien bekommen immer mehr Zuspruch: radikale, populistische, rechtsnationale auf der einen Seite, progressive und grüne auf der anderen Seite. Das sehen wir in Flandern, den Niederlanden und auch in Deutschland. Merkel als Vertreterin der Mitte hat keine Zukunft mehr. Das hat sie eingesehen und zieht die Konsequenzen. Viele in Europa fürchten sich jetzt vor dem Vakuum, das durch Merkels Rückzug entstehen könnte. Doch diese Furcht ist unbegründet. Veränderungen hat es immer gegeben. Und die neuen politischen Verhältnisse muss man nicht als Apokalypse der liberalen Demokratie verstehen. Vielmehr sollten wir sie als faszinierende Herausforderung für die Zukunft annehmen, rät De Morgen.
Ähnlich sieht es Le Soir und stellt fest: Die Zeit an der Macht geht für Angela Merkel in dem Moment zu Ende, in der die Herrschaft von Jair Bolsonaro in Brasilien beginnt. Der Gegensatz zwischen beiden Politikern könnte größer nicht sein. Bolsonaro steht für eine extreme Rechte, Sexismus, Rassismus, Homophobie und Folter. Merkel für Stabilität und Demokratie in Deutschland, Europa und der Welt. Bolsonaros Stern geht auf, Merkels Stern geht unter. Ein Symbol für die aktuelle Weltlage. Das Ende der Demokratie bedeutet das allerdings nicht. Das hat uns die Geschichte gelehrt. Aber die Demokraten müssen sich künftig deutlich mehr anstrengen als bisher, weiß Le Soir.
Brasiliens "Trump"
L'Avenir schreibt zur Lage in Brasilien: Bolsonaro hat vor allem deshalb die Wahlen gewonnen, weil die Vorgänger-Regierungen alle versagt haben. Sie haben es nicht geschafft, Brasilien zu einem wohlhabenden Land zu machen, in dem der Reichtum gleichmäßig verteilt wird. Stabilität und Sicherheit haben sie nicht hergestellt, verantwortungsvoll haben sie nicht regiert. Die Wähler hatten einfach keine Alternative mehr zu Bolsonaro, von der sie nicht schon einmal enttäuscht worden sind. Irgendwie ist es verständlich, dass sie ihn jetzt gewählt haben. Auch wenn sie dafür einen Teil ihrer Freiheit einbüßen, findet L'Avenir.
Auch La Libre Belgique glaubt: Die Linke in Brasilien ist selbst schuld an ihrer Niederlage. Sie hat es nie geschafft, die Korruption in ihren Reihen auszumerzen. Die Wähler hat das gestört. Deshalb haben sie den Politikneuling Bolsonaro gewählt. Mit ihm wird sich Brasilien ähnlich wie die USA unter Trump wieder mehr auf sich selbst konzentrieren. Auch in den Verhandlungen mit dem Rest der Welt. Für die EU wird der Umgang mit Brasilien künftig schwieriger, meint La Libre Belgique.
Kay Wagner