"Michel hat sich für die F-35 entschieden, um die alten F-16 zu ersetzen", titelt nüchtern L'Echo. "Und diese F-35 wird in den kommenden 40 Jahren 12,5 Milliarden Euro kosten", fügt Het Belang van Limburg hinzu.
Die Würfel sind also gefallen. Die Föderalregierung hat gestern den Nachfolger der F-16 bekanntgegeben. Dass die Wahl auf die amerikanischen F-35 gefallen ist, ist aber keine Überraschung. Het Belang van Limburg spricht vom "erwarteten Gewinner".
"Wirtschaftlicher Return"?
Hier geht es bekanntlich um viel Geld. Allein der Kaufpreis für die 34 neuen Jets beläuft sich auf 3,8 Milliarden Euro. Nach Angaben der Regierung dürfte aber ein Großteil dieses Geldes nach Belgien zurückfließen. Teil des Deals ist es nämlich, dass im Gegenzug belgische Unternehmen Aufträge bekommen sollen. Man spricht hier von einem "wirtschaftlichen Return". Der Gegenwert soll sich auf 3,7 Milliarden Euro belaufen. Viele Zeitungen scheinen da aber ihre Zweifel zu haben. "Bringt die F-35 der belgischen Wirtschaft einen 'Milliardenprofit'?", fragt sich etwa das GrenzEcho. Das Wort "Milliardenprofit" steht dabei in Anführungszeichen. "Bezahlt sich die F-35 selbst zurück?", fragt sich auch ungläubig De Tijd. De Morgen wird deutlicher: "Hinter den 3,7 Milliarden Euro an wirtschaftlichen Kompensationen für die F-35 stehen viele Fragezeichen", schreibt das Blatt auf Seite eins.
Diplomatische Spielchen im Hintergrund
Einige Zeitungen beschäftigen sich auch noch einmal mit der Entscheidung an sich. Zwar schien die ja eigentlich von vornherein festzustehen. Dennoch gab es "kleine diplomatische Spielchen hinter den Kulissen", wie La Libre Belgique auf ihrer Titelseite bemerkt. Es ist ja so: Frankreich hatte Belgien ebenfalls ein Angebot unterbreitet, dies aber außerhalb der eigentlichen Ausschreibungsprozedur. Präsident Emmanuel Macron schlug darin eine strategische Partnerschaft vor, bei der das französische Kampfflugzeug "Rafale" im Mittelpunkt gestanden hätte. Gedacht war diese Idee als eine Art Keimzelle für eine europäische Rüstungspolitik. Es war offensichtlich, dass Premierminister Charles Michel diesem Gedanken lange Zeit etwas abgewinnen konnte. "Die F-35 hat aber den europäischen Wunschtraum beerdigt", kann De Standaard nur feststellen. Die Zeitungen sind in dieser Frage hin- und hergerissen.
"Geostrategisch unklug"
Von einem "Europa First" sind wir offensichtlich nach wie vor weit entfernt, beklagt Le Soir. Belgien gibt im Zusammenhang mit seinem "Jahrhundert-Vertrag" also doch den Amerikanern den Zuschlag. Der Punkt ist allerdings: Belgien ist da nicht alleine. Andere EU-Staaten, angefangen bei den Niederlanden, haben sich ebenfalls für die F-35 entschieden. Frage also: Warum sollte Belgien sich einer Doktrin unterwerfen, der andere auch nicht folgen. Und zum französischen Angebot nur so viel: In Paris hält man auch nur flammende pro-europäische Plädoyers, wenn es im Kern um französische Interessen geht. Die Verliererin in dem Ganzen, das ist leider immer die EU.
Geostrategisch war es unklug, sich in einer derart wichtigen Frage für die nächsten 40 Jahre an die USA zu binden, findet auch das GrenzEcho. Klar: Die Ära Trump ist irgendwann vorbei. Dan ändert aber nichts daran, dass sich Europa in Verteidigungsfragen von den USA emanzipieren muss. Man wird den Eindruck nicht los, dass diese wichtige Entscheidung am Ende übers Knie gebrochen wurde, nicht zuletzt, um den großen Bruder im Pentagon nicht weiter zu verärgern.
Wenn es ein Einknicken gegeben hat, dann war das in erster Linie wohl innerbelgisch, glaubt ihrerseits La Libre Belgique. Wieder muss man den Eindruck haben, dass die MR vor der N-VA strammsteht. Die flämischen Nationalisten haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie der F-35 eindeutig den Vorrang geben. Und für Premier Michel dürfte es nicht einfach sein, den Eindruck aus der Welt zu schaffen, dass die Regierung vor Bart De Wever die Hacken zusammenschlägt. Fairerweise muss man sagen, dass es nun mal die Rolle des Premierministers ist, zwischen den Standpunkten der Parteien zu moderieren und dabei eigenen Interessen zurückzustellen. Wenn die Liberalen aber eine neue Wahlklatsche vermeiden wollen, dann müssen sie schnellstens eine eigene Identität entwickeln.
Gab's überhaupt eine Alternative?
Wenn sie auch diese Bedenken weitgehend teilen, so stellen sich einige Zeitungen dennoch die Frage, ob es denn wirklich eine Alternative gab. Das gilt etwa für L'Echo. Man muss doch feststellen, dass die Rafale und auch der Eurofighter schon ältere Flugzeuge sind. Die F-35 steht ihrerseits am Beginn ihres Lebenszyklus'. Davon abgesehen: Wenn es überhaupt europäische Zukunftsprojekte gibt, dann sind die frühestens in 20 Jahren serienreif. Belgien musste aber jetzt seine Flotte erneuern. Man mag bedauern, dass Belgien nicht eine europäische Karte gezogen hat, die Frage ist nur, ob es die überhaupt realistisch gesehen gab.
Auch für Het Laatste Nieuws ist der Faktor Zeit ein entscheidendes Argument. Nicht nur in Bezug auf eben im Moment nicht wirklich existierende europäischen Alternativen. Auch mit ihrer Warnung vor den nicht endend wollenden Kinderkrankheiten der F-35 greift die Opposition zu kurz. Denn es ist doch so: Die erste belgische F-35 dürfte erst im Jahr 2024 ausgeliefert werden. Dann ist nicht nur Donald Trump im Ruhestand, dann sollten auch die technischen Probleme gelöst sein. Die Regierung kann also durchaus geltend machen, dass ihre Wahl auf realistischen Argumenten fußt. Einen Eindruck kann man aber nicht aus der Welt reden: Die ganze Prozedur im Zusammenhang mit diesem "Jahrhundert-Vertrag" verdient letztlich keinen Schönheitspreis.
Vier Milliarden und viele Fragezeichen
Denn hier geht es schließlich um vier Milliarden Euro, sind sich alle Blätter einig. Dieses Geld ist weg, unterstreicht etwa das GrenzEcho. Und für diesen Preis kriegen wir eigentlich viel zu viel Fragezeichen, konstatiert De Morgen. Fragezeichen in Bezug auf das Flugzeug an sich und auch auf den angeblichen wirtschaftlichen Return. Die Politik in ihrer Gesamtheit hätte hier mehr Sorgfalt an den Tag legen müssen. Es bleibt der Eindruck, dass sich hier die Streitkräfte wie ein verwöhntes Kind ein schönes neues Spielzeug ausgesucht haben.
Roger Pint