Di Rupo’s entscheidende Woche
„Scheitern verboten“ titelt heute La Libre Belgique. In Brüssel läuft für Prä-Regierungsbildner Elio Di Rupo die wohl entscheidende Woche. Di Rupo bereitet ein Synthesepapier vor, das die Grundlage bilden soll für die Verhandlungen über eine neue Staatsreform bzw. über eine neue Regierungskoalition. Die flämischen Parteien erwarten aber auch schon konkrete Vorschläge, Kompromissansätze.
Kommentierend meint dazu La Libre Belgique, die jüngsten Signale aus der Rue de la Loi geben nicht gerade Anlass für Optimismus. Dies, obwohl die frankophone Seite eingesehen hat, dass wohl kein Weg an der von Flandern geforderten „Kopernikanischen Revolution“ vorbei führt, sprich: der Schwerpunkt wird sich von der föderalen Ebene weg hin zu den Teilstaaten verlagern. Das Problem: es gibt keinen Plan B. Entweder, das belgische Zusammenleben wird sich grundlegend verändern, oder das Land schlittert in eine Staatskrise. Jetzt müssen alle ein staatsmännisches Verhalten an den Tag legen, denn es ist eine Minute vor zwölf.
Vor dem kommenden Montag sollte es einen ersten Durchbruch geben, meint auch De Standaard. Morgen will Elio Di Rupo zum ersten Mal nach zehn Tagen wieder alle sieben Parteien um den Verhandlungstisch scharen. Die Woche Urlaub, die man sich gegönnt hat, hat derweil das allgemeine Klima nicht grundlegend verbessert; vielmehr ist die Nervosität in den letzten Tagen nur noch größer geworden.
Der lange Schatten der Scheldebrücke
Gazet Van Antwerpen erinnert noch einmal daran, dass interne flämische Probleme möglicherweise die föderalen Gespräche überschatten könnten. Die flämische Regierung streitet schon seit Monaten über die Fertigstellung des Antwerpener Autobahnrings. Brücke oder Tunnel? An dieser Frage wäre die flämische Regierung fast zerbrochen. Di Rupo hofft jetzt auf eine schnelle Einigung, damit das Dossier nicht auch noch seine Gespräche vergiftet. In der Zeitung De Standaard macht jedoch ein nicht genannter Sprecher des flämischen Ministerpräsidenten Kris Peeters klar: es liegt bestimmt nicht an Di Rupo, eine Lösung für das Antwerpener Problem herbei zu führen.
Belgien genießt wieder Vertrauen der Märkte
Die Börsenblätter L'Echo und De Tijd widmen sich ihrerseits den belgischen Staatsanleihen. „Die Zinsen für belgische Staatsobligationen sind auf dem niedrigsten Stand seit dem Zweiten Weltkrieg“ titeln beide Zeitungen quasi gleichlautend. Demnach bringen zehnjährige Staatsanleihen derzeit nur noch etwas mehr als 3% Zinsen.
Die Zeitung De Morgen setzt diese Entwicklung in den internationalen Kontext und kommt zu dem Schluss: Das Vertrauen der Märkte in den belgischen Staat ist wieder hergestellt. Tatsächlich weisen die niedrigen Zinssätze für Staatsobligationen darauf hin, dass die Nachfrage groß ist. Außerdem ist der Unterschied zwischen dem belgischen und dem deutschen Zinssatz, der sogenannt Spread, so klein wie seit langem nicht mehr. Die deutschen Staatsobligationen gelten als Referenz; je kleiner der Unterschied mit dem deutschen Zinssatz, desto besser. Resultat: Belgien hat sich an den Finanzmärkten in diesem Jahr schon über 28 Milliarden Euro beschafft; die Folgen der griechischen Schuldenkrise sind Geschichte.
(Zu) dicker Sparstrumpf?
Auch Le Soir befasst sich mit dem lieben Geld. Das Blatt kommt noch einmal auf eine Meldung der Nationalbank zurück. Demnach beläuft sich das Spargeld der Belgier auf über 200 Milliarden Euro. Für die Finanzmärkte mag das beruhigend sein. Doch ist die Sparwut der Belgier eigentlich nur der Beweis für die großen Zukunftsängste der Bürger. Wenn die Belgier mehr denn je ihr Geld auf Seite legen, dann, weil sie sich wohl Fragen stellen, weil sie um ihren Job fürchten oder ihre Pension. Die Politik müsste in diesen Bereichen die Bürger eigentlich beruhigen, doch hat man in der Rue de la Loi offensichtlich andere Prioritäten.
Low-Cost-Briefträger
L'Avenir bringt heute auf seiner Titelseite die Meldung, dass jetzt die ersten der sogenannten „Revierpostboten“ im Einsatz sind. Gestern haben demnach in Brecht bei Antwerpen die ersten „Low-Cost“-Briefträger die Post ausgetragen. Das Konzept ist wegen der niedrigen Stundenlöhne nach wie vor umstritten. In der Wallonie sollen die Revierpostboten frühestens Ende des Monats erstmals eingesetzt werden.
Gefährliche Hausmarke?
Allen voran Het Laatste Nieuws und Het Nieuwsblad berichten heute in großer Aufmachung über vermeintlich gefährliche Kinderplätzchen. Die Belgien weit bekannten Betterfood-Kekse werden vorläufig aus dem Handel genommen, nach 80 Jahren, wie Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite präzisiert. Hintergrund: zwei Mütter hatten gegen den Hersteller geklagt, weil ihre Babys an den Plätzchen fast erstickt wären. Der Hersteller, Kraft Food, will jetzt erst die Aufschrift auf der Verpackung ändern bevor die „Hausmarke“ der Belgier wieder in die Regale zurückkehrt. Dann soll ausdrücklich vermerkt sein, dass die Plätzchen von Kindern zwischen sechs Monate und neun Monaten nicht trocken verspeist werden dürfen.
WM-Polemik
Einige Zeitungen kommen schließlich noch einmal auf die belgisch-niederländische Kandidatur für die Fußball-WM 2018 zurück. Derzeit stattet ja ein Inspektorenteam des Weltverbands FIFA Belgien einen Besuch ab. Het Belang van Limburg ärgert sich über die Polemik, die vor einigen Tagen über die Bewerbung entstanden war. Kritiker wie Bert Anciaux oder Jean-Marie De Decker, haben vorschnell und ohne ihre Quellen zu prüfen vermeintliche Missstände angeprangert, die sich später als falsch erwiesen haben. So ist nicht vorgesehen, dass für die FIFA-Verantwortlichen eine Fahrspur reserviert werden muss. Doch trägt die FIFA da zum Teil selbst die Schuld: wäre sie transparenter, dann würden solche Gerüchte gar nicht erst entstehen.
Für Het Laatste Nieuws ist die jüngste Diskussion geradezu lächerlich, man sollte doch endlich bitte aufhören zu versuchen, das Kostennutzenverhältnis für eine Ausrichtung der WM zu berechnen. Erstens ist das fast unmöglich. Und zweitens: bei anderen Staatsausgaben, die mitunter deutlich höher liegen, schaut man noch nicht annähernd so genau hin.