"Bart De Wever macht seine Herausforderer platt", titelt Het Laatste Nieuws. "Niemand kann De Wever verdrängen", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. Diese Schlagzeilen bringen wohl das sichtbarste Ereignis bei den Kommunalwahlen in Flandern auf den Punkt. Dem frankophonen Landesteil diagnostizieren Le Soir und La Libre Belgique derweil eine "grüne Welle".
In Flandern hatten sich die Kommunalwahlen in erster Linie auf den Kampf um Antwerpen fokussiert. Im Wesentlichen lautete die Parole offensichtlich: "Alle gegen De Wever". Der N-VA-Chef hatte ja vor sechs Jahren das Rathaus erobern können. Die N-VA hat das Rennen aber eindeutig für sich entschieden: Die Nationalisten-Partei erzielte knapp 36 Prozent. Das ist zwar ein Minus von 1,8 Prozentpunkten, bleibt aber ein "Monsterergebnis". Auf Platz zwei landet abgeschlagen Groen mit knapp 19 Prozent, also gerade mal halb so viel.
Antwerpen – Bart De Wever unschlagbar
Das gleiche Bild ergibt sich bei den Vorzugsstimmen: De Wever bekommt deren knapp 77.000, das ist mehr als alle Spitzenkandidaten der übrigen Parteien zusammen. Entsprechend stolz und glücklich zeigte sich der N-VA-Chef nach dem Bekanntwerden der Ergebnisse: "Meine Todesanzeige war schon geschrieben, aber schauen Sie jetzt doch mal!", zitiert ihn Het Laatste Nieuws.
"Ohne die N-VA geht gar nichts!", stellt er in Het Nieuwsblad fest. In der Tat: Es gibt in Antwerpen keine Mehrheit ohne die N-VA. Wobei: Ob die derzeitige Koalition mit CD&V und OpenVLD weitergeführt werden kann, ist noch offen. De Morgen blickt auf seiner Titelseite eben schon auf die jetzt anstehende Phase der Koalitionsbildung: "Es wird Puzzlearbeit in Antwerpen und auch in Gent", glaubt das Blatt. In Gent hat das bisher regierende Kartell aus SP.A und Groen den Abschied des sozialistischen Bürgermeisters Daniel Termont nicht gut verkraftet. Wahlsieger ist eigentlich der OpenVLD-Spitzenkandidat Matthias De Clercq. Wobei die Liberalen immer noch weniger Stimmen erzielen. De Clercq beansprucht dennoch das Bürgermeisteramt für sich.
Alle gewinnen … außer die Sozialisten
De Standaard zieht ein allgemeines Fazit: Groen, das Wachstum. SP.A, die Verluste. N-VA, die Macht. In der Tat sind die Grünen allgemein im Aufwind. Die Sozialisten müssen herbe Verluste hinnehmen und verlieren einige ihrer Bastionen. Die N-VA kann sich im Wesentlichen festigen. Wobei: Es war auch nicht die von Parteichef Bart De Wever erhoffte "gelbe Welle".
Flandern hat gewählt, wie es sich für Kommunalwahlen gehört, lokal nämlich, freut sich Het Laatste Nieuws. Deswegen lässt sich wohl auch kein eindeutiger Trend ableiten. Die Menschen haben sich nicht von nationalen Themen ablenken lassen, sondern haben ihre Stimme den Kandidaten gegeben, die sie mit Blick auf ihre Gemeinde oder ihre Stadt für den geeignetsten hielten. Für gestern Abend gilt mehr denn je: Der Wähler hat immer Recht. Manchmal ist sein Urteil mild und verständnisvoll, insbesondere im Fall der Sozialisten aber auch schon mal vernichtend.
Die Bürgermeister gewinnen, außer, wenn es Sozialisten sind, so auch das Fazit von Het Nieuwsblad. Beispiel N-VA: Die Partei kann sich da festigen, wo sie ohnehin schon stark war. Eine gelbe Welle war es aber nicht. Die CD&V bleibt auf der Kommunalebene der Platzhirsch. Die liberalen Bürgermeister konsolidieren ihre jeweilige Position. Blutrot war der Sonntag auch, allerdings nicht so, wie die SP.A es sich vielleicht erhofft hätte: Die Sozialisten müssen quasi überall herbe Verluste hinnehmen.
Kein deutlicher Trend
Stabiler ist die politische Landschaft gestern aber nicht geworden, stellt De Standaard fest. Mal abgesehen vom Spitzenergebnis der N-VA in Antwerpen sind die Machtverhältnisse in der Scheldestadt alles andere als eindeutig. In Gent wird die Koalitionsbildung ebenfalls eine haarige Angelegenheit. Mit Ausnahme der Sozialisten können sich alle in gewisser Weise als Wahlsieger betrachten. Die vermeintliche Stabilität täuscht aber. Die föderale Koalition behält nur knapp ihre Mehrheit, und auf der linken Seite ist alles in Bewegung.
Wirklich lesbar ist das gestrige Ergebnis nicht, meint auch De Morgen. Eine gelbe Welle gab es nicht. Von einer grünen Welle kann man auch nicht sprechen. Wenn überhaupt, dann kann man dem Vlaams Belang einen Vormarsch bescheinigen. Die Rechtsextremisten legen fast überall zu. Frage ist, wie die N-VA damit umgehen wird. Möglich ist, dass sie sich in nächster Zeit wieder weiter rechts positioniert, um dem Belang die Stimmen wieder abzujagen. Auf der linken Seite wird es ebenfalls spannend. Schließlich darf man behaupten, dass die Grünen zumindest moralisch die Führung übernommen haben.
Grüne Welle in Brüssel
Womit wir im frankophonen Landesteil wären. Vor allem in Brüssel kann man nämlich durchaus eine "grüne Welle" erkennen. Dort hat Ecolo jetzt auch auf der kommunalen Ebene den Durchbruch geschafft. In Ixelles haben sich die Grünen wohl nach Watermael-Boitsfort ein zweites Rathaus erobert. Vielerorts gab es mitunter zweistellige Gewinne. Großer Verlierer in der Hauptstadt ist eindeutig und in überraschendem Maße die liberale MR. In der Wallonie kann sich indes die marxistische PTB zu den Gewinnern zählen. Die PS wird für die Skandale wie Publifin, Samu Social und ISPPC abgestraft, kann aber den Schaden noch in Grenzen halten. Die CDH kann zwar vordergründig einige ihrer Hochburgen verteidigen, in der Summe setzt sich aber der Niedergang fort.
Der Dialog mit Flandern wird nicht leicht
"Vorsicht!", warnt Le Soir in seinem Leitartikel. Diese Kommunalwahl ist eine Warnung an die drei traditionellen Parteien, also PS, MR und CDH. Alle drei haben sie Federn lassen müssen, der Wähler hat ihnen eine Lektion erteilt. In Brüssel profitiert noch Ecolo davon, in der Wallonie ist es die extreme Linke. Mit Blick auf die Parlamentswahl in etwas mehr als einem halben Jahr sollte man die Lehren daraus ziehen. Der Dialog mit Flandern wird dadurch nämlich nicht leichter. Genau dieselbe Feststellung macht La Dernière Heure. Mehr denn je scheint Flandern nach rechts und die Wallonie nach links zu tendieren, ist das Land eigentlich zweigeteilt.
Der gestrige Tag ist eine Warnung, meint auch L'Avenir. Die traditionellen Parteien müssen in sich gehen. Wenn sich die Entwicklungen so fortsetzen, dann werden die Koalitionsbildungen im kommenden Jahr zu einem regelrechten Problem. In der Zwischenzeit wird es interessant sein zu beobachten, wie PTB und Ecolo ihre guten Ergebnisse jetzt ummünzen werden. Denn eine Botschaft des gestrigen Abends lautet: Die Menschen wollen Veränderungen.
Und die Parteien wären gut beraten, die Ergebnisse zu respektieren, mahnt La Libre Belgique. Schon in der Nacht haben sich Koalitionen gebildet, die nur aus Verlierern bestehen, um die Gewinner in die Opposition zu verfrachten. Insbesondere die Grünen müssen versuchen, sich durchzusetzen. Das wird zugegebenermaßen nicht einfach.
Roger Pint