"Belgischem Fußball droht Mega-Skandal", titelt das GrenzEcho. "Eine juristische Bombe fällt auf den belgischen Fußball", so die Schlagzeile bei L'Echo. "Gericht hat Beweise über manipulierte Topspiele", schreibt De Tijd auf ihrer Titelseite.
Gestern wurden in Belgien zahlreiche Hausdurchsuchungen im Milieu des Fußballs durchgeführt. Betroffen waren auch neun Clubs der ersten Liga, darunter die Spitzenclubs RSC Anderlecht, FC Brügge und Standard Lüttich. Auch im Ausland gab es zeitgleich Hausdurchsuchungen. Es besteht der Verdacht, dass Spiele in der höchsten Spielklasse manipuliert worden sind und Geld bei Spielertransfers gewaschen wurde. Für alle Zeitungen ist das heute das Topthema. Fast alle Zeitungen widmen dem sich anbahnenden Skandal auch ihre Leitartikel.
Der Feind im Innern
Le Soir notiert: Das, was gestern passiert ist, gab es noch nie bei uns. Das ist auch nicht zu vergleichen mit der Affäre Zheyun Ye, dem Chinesen, der vor über zehn Jahren für einen Skandal im belgischen Fußball sorgte. Denn diesmal ist das Casting – oder sollten wir lieber von der "Kaste" sprechen? – viel beeindruckender: der einflussreichste Spielervermittler des Landes, der Trainer des Meisterclubs, der ehemalige Manager von Anderlecht, die beiden besten Schiedsrichter der ersten Liga – um nur einige zu nennen. Kurz: Schwergewichte des Milieus, hält Le Soir fest.
L'Avenir teilt die Einschätzung und erklärt: Vor gut zehn Jahren konnte man noch sagen, dass der belgische Fußball von außen angegriffen worden war: ein Chinese, der durch Spielmanipulationen unseren Fußball erschüttert hat. Jetzt scheint sich der Feind im Inneren zu befinden. Und dort ist er überall. Denn unter den Verdächtigen befinden sich alle Verantwortlichen des belgischen Fußballs – oder zumindest fast: Agenten, Manager, Trainer, Vereine - und am schlimmsten: Schiedsrichter. Vielleicht kommen auch noch Spieler dazu. Der Skandal wird uns noch einige Zeit beschäftigen, weiß L'Avenir.
Macht der Spielervermittler muss gebrochen werden
Mehrere Zeitungen sehen in den mächtigen Spielervermittlern die Hauptverantwortlichen für den Skandal. Het Laatste Nieuws führt dazu aus: Im Mittelpunkt der Aktionen der Staatsanwaltschaft standen gestern die beiden belgischen Top-Spielervermittler, nämlich Mogi Bayat und Dejan Veljkovic. Die beiden sitzen wie Spinnen in einem Netz, in dem sie fast alle großen Namen des belgischen Fußballs gefangen halten: unsere fünf größten Clubs, unsere Toptrainer, unsere Clubbesitzer, Manager, Topschiedsrichter und Journalisten. Die Methoden von Bayat und Veljkovic sind umstritten. Das war bekannt. So richtig überraschen kann der Skandal jetzt keinen, meint Het Laatste Nieuws.
Auch La Dernière Heure schießt sich auf Bayat ein und schreibt: Er hat sich als Spielervermittler fast unentbehrlich gemacht. Manchmal mit krummen Machenschaften und mit Druck. Er hat sich als Nummer eins auf dem Markt platziert und viele Clubs unter Druck gesetzt. Viele seiner Konkurrenten sind schlecht auf ihn zu sprechen und klagen ein "System Mogi Bayat" an. Es ist sicher kein Zufall, dass der ehemalige Präsident von Standard Lüttich nie mit Bayat zusammenarbeiten wollte. Und dass Marc Coucke, seitdem er Anderlecht übernommen hat, Bayat aus dem Club verbannt hat, gibt La Dernière Heure zu bedenken.
Auch De Morgen findet: Die große Macht der Spielervermittler muss gebrochen werden. Denn egal, was sonst noch bei den Ermittlungen jetzt herauskommen wird: Ihr Einfluss ist viel zu groß, unterstreicht De Morgen.
"Wir sind schließlich keine Bananenrepublik!"
De Tijd argumentiert: Der Skandal sollte dazu genutzt werden, das Geschäftsmodell "Fußball" neu zu ordnen. Denn es kann nicht sein, dass der Staat den Fußballclubs Vorteile einräumt – zum Beispiel sind rund hundert Millionen Euro an Spielergehältern jährlich steuerfrei, wird Polizei für Spiele abgestellt, werden manchmal sogar Stadien gebaut. Gleichzeitig haben dubiose Spielervermittler 2016 45 Millionen Euro eingesackt. Der Staat sollte sich komplett aus dem Geschäft "Fußball" zurückziehen und auch den Fußball wie ein normales Unternehmen behandeln, fordert De Tijd.
Für De Standaard ist es unbegreiflich, dass Spielmanipulation noch nicht im Strafgesetzbuch steht. Denn das würde die Beweisführung und Bestrafung einfacher machen. In den Niederlanden hat der zuständige Minister alle Clubs, ihre Mitarbeiter, Spieler und Schiedsrichter dazu verpflichtet, zu melden, wenn sie etwas über Spielabsprachen erfahren. Das sollte auf jeden Fall auch bei uns als erster Schritt eingeführt werden, findet De Standaard.
L'Echo gibt zu: Ja, man könnte heulen! Heulen als Liebhaber des Fußballs. Stellvertretend auch für alle Kinder und Eltern, die jede Woche bei Wind und Wetter mit Herzblut ihrem Lieblingssport frönen und mit großen Augen zu ihren Stars aufblicken. Aber nein! Seien wir lieber stolz! Stolz auf unsere Staatsanwaltschaft, die sich um die Sache "Fußball" kümmert und dort jetzt hoffentlich aufräumt. Für die Justiz ist das kein unnötiger Nebenschauplatz. Denn hier geht es auch um die Ehre des Rechtsstaats und der Demokratie. Wir sind schließlich keine Bananenrepublik! Die Halunken werden uns unseren Fußball nicht kaputtmachen, hofft L'Echo.
Kay Wagner