"Die Energierechnung der Haushalte wird um 40 Prozent steigen", titelt Le Soir. Das bestätigt jetzt auch die CREG, die Regulierungsbehörde für den Energiesektor. Davon betroffen werden in erster Linie die Kunden sein, die über einen Vertrag mit variablem Preis verfügen. Grund dafür sind zunächst die steigenden Energiepreise auf dem Weltmarkt. Oben drauf kommt dann aber noch mal das rein belgische Problem der drohenden Stromknappheit.
Der drohende Blackout stand gestern auch im Mittelpunkt einer großen Anhörung im zuständigen Kammerausschuss. Vertreten waren die sieben Hauptakteure des Energiesektors. Darunter sind die CREG, Electrabel, Hochspannungsnetzbetreiber Elia, die FANK und das Planbüro. Die wichtigste Erkenntnis steht auf Seite eins des GrenzEchos: "Das Risiko eines Stromausfalls wurde vermindert". "Die Gefahr eines Blackouts ist aber nach wie vor real", fügt L'Echo hinzu. Ansonsten war die Anhörung im Kammerausschuss im Wesentlichen geprägt von einem "Pingpong-Spiel", wie viele Zeitungen beklagen. Niemand will verantwortlich sein für die Misere.
Das ewige Schwarzer-Peter-Spiel
"Und der Verbraucher ist der Dumme", wettert La Dernière Heure. Electrabel und Elia betonen, dass sie nicht für die Versorgungssicherheit verantwortlich sind. Die zuständige Energieministerin Marie-Christine Marghem verweist ihrerseits eben auf beide Unternehmen. Resultat von alledem ist aber in jedem Fall, dass die Stromrechnung steigen wird. Wir brauchen endlich einen Piloten in dem Flugzeug. Belgien macht sich doch nur lächerlich!
Het Belang van Limburg kommt zu den gleichen Feststellungen: Alle schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Die eigentlich Verantwortlichen sitzen aber im Parlament. Die Ursünde war der Atomausstieg von 2003, der keiner war. Das Gleiche sehen wir auch jetzt wieder, wenn die N-VA etwa die neue Frist von 2025 auch schon wieder regelmäßig in Frage stellt. Das Ergebnis von alledem ist, dass seit mindestens 20 Jahren nichts passiert ist. Jetzt können wir nur noch auf einen warmen Winter hoffen. Und auf Politiker, die endlich vorausschauend agieren.
In jedem Fall müssen wir jetzt die Lektionen aus dem Debakel ziehen, fordert Le Soir. Und seit gestern zwingt sich da noch eine weitere auf: Wenn sich niemand verantwortlich fühlt für die Versorgungssicherheit des Landes, dann braucht man eben eine entsprechende neue Instanz. Einen Ober-Schiedsrichter, der die Berechnungen von Elia absegnet, der die Planung der Unterhaltsarbeiten von Electrabel genehmigen muss und der letztlich nur dem Allgemeinwohl zu dienen hat. Aber wäre das nicht eigentlich ohnehin schon jetzt die Aufgabe des Staates?, fragt sich Le Soir.
Unterdessen scheinen noch weitere dunkle Wolken aufzuziehen. Gestern hatten Ecolo-Parlamentarier im Ausschuss Fotos vorgelegt, die den jämmerlichen Zustand des Betons an einem Bunker von Doel 3 zeigen. Anscheinend sieht das aber etwa im Reaktorblock Tihange 2 nicht viel besser aus. Hier betrifft das Problem aber offensichtlich sogar die Armierung – das ist also kein Unterhaltsproblem mehr, sondern ein Konstruktionsfehler. "Die Beton-Probleme an den belgischen Kernreaktoren wurden unterschätzt", so denn auch das Fazit von L'Echo.
"Hände weg von meiner Rente!"
Viele Leitartikler beschäftigen sich heute auch mit der gestrigen Massenkundgebung in Brüssel. Die drei großen Gewerkschaftsbünde hatten zum Protest gegen die Pensionsreform der Föderalregierung aufgerufen. "Hände weg von meiner Rente!", stand da auf vielen Spruchbändern zu lesen.
"Fragt sich nur: Wessen Rente?", so La Libre Belgique. Hatten die Demonstranten nur ihre eigene Pension im Blick, oder auch die ihrer Kinder und Enkel? Falls ersteres, dann war die gestrige Demo eigentlich nur Ausdruck von Egoismus. Seit 20 Jahren warnen alle Studien und Vorhersagen vor einem drohenden Renten-GAU. Die Vergreisung der Bevölkerung ist eine Tatsache. Da sollte es doch jedem einleuchten, dass das nicht so weitergehen kann. Nicht vergessen: Zu regieren, das heißt auch, in die Zukunft zu blicken.
De Morgen bringt seinerseits Verständnis auf für die Sorgen der Demonstranten: Denn sowohl Beamte als auch Arbeitnehmer im Privatsektor haben durchaus gute Gründe dafür. Im öffentlichen Dienst herrscht ein allgemeiner Mangel an personellen und materiellen Mitteln. Im Privatsektor steigt der Arbeitsdruck und parallel dazu werden soziale Rechte abgebaut; und ständig hängt das Damoklesschwert einer Delokalisierung über den Köpfen der Mitarbeiter. Zugegeben, hier geht es vielleicht nicht immer um die Rente, besorgt sind die Menschen aber trotzdem.
Problematisch ist vor allem die Unsicherheit, meint Gazet van Antwerpen. Im Raum stehen die Pläne schon seit Jahren. Wirklich spruchreif ist die Pensionsreform aber trotzdem noch nicht. Währenddessen nimmt der Arbeitsdruck stetig zu. Für viele fühlt sich das an wie ein Fegefeuer. Es wird höchste Zeit, dass Regierung und Gewerkschaften in einen konstruktiven Dialog treten. Nur das verdienen all diese beunruhigten Menschen.
Ein Spiel, in dem es nur Verlierer gibt
Unheil braut sich derweil auch noch über der Eurozone zusammen: "Italien stellt die Währungsunion auf tönerne Füße", schreibt De Morgen. Italien macht ernst, macht bewusst mehr Schulden als erlaubt. Das sorgt für spürbare Nervosität an den Finanzmärkten. Die Zinsen für die italienischen Schulden steigen. Experten warnen schon vor einer neuen, ausgewachsenen Eurokrise.
In Brüssel schrillen die Alarmglocken, stellt De Tijd fest. Italien spielt ein hartes Spiel. Beide Koalitionsparteien in Rom sind mehr oder weniger europafeindlich. Und die harte Kritik aus Brüssel spielt ihnen da nur in die Karten. Für alle Beteiligten geht es hier um Glaubwürdigkeit: Die EU-Kommission muss die gemeinsamen Regeln durchsetzen, die italienischen Regierungsparteien sind an ihr Wahlprogramm gebunden. Der Einsatz ist hoch. Die jüngere Vergangenheit hat gezeigt: In einem solchen Spiel kann es nur Verlierer geben.
Roger Pint