"Deutschland beschneidet unsere Möglichkeiten, Strom zu importieren", titelt De Morgen. Die Zeitung berichtet, dass Strom aus Norddeutschland über die Niederlande, Belgien und Frankreich nach Süddeutschland transportiert wird. Das blockiert die belgischen Netzkapazitäten. Belgien kann deshalb weniger Strom importieren als eigentlich möglich wäre. Energieministerin Marie-Christine Marghem habe schon Kontakt zu Deutschland aufgenommen, berichtet De Morgen. Einen Kommentar dazu verkneift sich die Zeitung.
L'Avenir dagegen greift die Debatte der vergangenen Tage um die Stromknappheit in seinem Leitartikel auf und kommentiert: Energieministerin Marghem hat die ganze Woche keine gute Figur abgegeben. Jeden Tag machte sie es mit neuen Äußerungen noch schlimmer. Und auch gestern kam noch etwas dazu: Electrabel habe über Jahre die Kernreaktoren chronisch vernachlässigt, sagte die Ministerin. Schlimmer kann es doch eigentlich nicht sein. Denn wer hätte all die Jahre darauf achten müssen, dass genau so etwas nicht passiert? Natürlich die Ministerin selbst. Doch jetzt ist das Debakel da. Das Vertrauen der Bürger in die Kernenergie bröckelt schneller, als die Reaktoren selbst. Marghem sorgt mit ihrem verfehlten Krisenmanagement ungewollt dafür, dass der Atomausstieg vielleicht doch schneller passiert, als von vielen gedacht, spottet L'Avenir.
Schuld ist auch die EU-Kommission
L'Echo analysiert: Das aktuelle Chaos hat zwei Gründe. Zum einen die Untätigkeit, mit der alle verantwortlichen Politiker seit 2002 in Sachen Atomausstieg geglänzt haben. 2002 wurde ja das Gesetz zum Atomausstieg verabschiedet. Aber wie dieser Ausstieg geschafft werden soll, darum hat sich keiner gekümmert. Schuld ist aber zum anderen auch die EU-Kommission. Sie ist in den 1990er Jahren auf die Idee gekommen, den Energiemarkt zu liberalisieren. Um erneuerbare Energien zu fördern, hat sie einen imaginären Markt geschaffen. Das hat zu vielen Fehlentwicklungen geführt. Wie kommen wir jetzt aus dem Dilemma heraus? Zum einen dadurch, dass unsere Politiker endlich einen Plan für eine ambitionierte, nachhaltige und durchdachte Energiepolitik aufstellen. Zum anderen dadurch, dass die EU ihren Fehler erkennt und korrigiert, rät L'Echo.
Das GrenzEcho notiert: Der Spagat, den die belgische Regierung diese Woche hinlegen musste, möchte man niemandem wünschen. Zum einen galt es in New York bei der UN-Vollversammlung eine gute Figur abzugeben. Schließlich wird man bald in den UN-Sicherheitsrat rücken. Zum anderen galt es, an der Heimatfront den Unmut über die offensichtlichen Schlampereien bei der Sicherung der Energieversorgung zu bändigen. Den Auftritt in New York kriegte die Regierungsmannschaft ganz gut hin. Zeitgleich in Belgien wurde die gleiche Regierung in Sachen Sicherung der Stromversorgung zum roten Tuch für ein ganzes Land. Die Weitsicht, die man auf der Weltbühne in New York an den Tag legte, sucht man in Brüssel leider vergebens, bedauert das GrenzEcho.
Nicht nur schwarz-weiß
"CD&V verliert, aber N-VA profitiert davon nicht", titelt Het Nieuwsblad zu einer Umfrage, die die Zeitung zu den anstehenden Kommunalwahlen in Flandern in Auftrag gegeben hatte. In ihrem Leitartikel meint Het Nieuwsblad dazu: Aus den Ergebnissen lassen sich vor allem drei Schlussfolgerungen ziehen. In den Städten bleibt die N-VA stark, kann ihre Position aber nicht mehr ausbauen. Auf dem Land tut sich die N-VA schwer, die Vormacht der CD&V zu brechen. Und allgemein sieht es so aus, als ob die Bürger ihre Wahl relativ unbeeindruckt von den großen nationalen Themen treffen würden. Lokale Belange scheinen tatsächlich vielerorts den Ausschlag zu geben, welcher Partei man die Stimme gibt. Es ist eben nicht alles schwarz und weiß, nicht nur ein Duell CD&V-N-VA. Sondern die Wahl ist facettenreicher, freut sich Het Nieuwsblad.
Het Laatste Nieuws kommentiert zur gleichen Umfrage: In vielen Städten wird es schwer werden, Mehrheiten zu schmieden. Denn die Wählergunst teilt sich auf zwischen vielen Parteien. Und ein Blick auf Antwerpen zeigt: Die natürlichste Regierung wäre eine Koalition aus N-VA und Groen. Klar, dass N-VA-Bürgermeister Bart De Wever und Groen-Spitzenkandidat Wouter Van Besien eine solche Partnerschaft von sich weisen. Doch jeder weiß, das gehört zum Wahltheater. Nach den Wahlen kann alles schon ganz anders aussehen, erinnert Het Laatste Nieuws.
EU als Vermittler gefragt
Le Soir blickt auf die Katalonien-Krise von vor einem Jahr und notiert: Am 1. Oktober war es, als in Katalonien das nicht-genehmigte Referendum über die Unabhängigkeit stattfand und alles eskalierte. Seitdem hat sich grundsätzlich nichts geändert an der Frontstellung zwischen Barcelona und Madrid. Die Katalanen hoffen weiter auf eine Mittlerrolle der EU, wie die ehemalige Parlamentspräsidentin Kataloniens, Carme Forcadell, der Zeitung aus ihrer Gefängniszelle in Tarragona mitteilt. Eine solche Mittlerrolle hatte die EU vor einem Jahr ja abgelehnt. Doch bald könnte ein zweiter Hilferuf an ihr Ohr dringen: der Ruf aus Schottland nämlich, das bei einem Brexit gerne in der EU bleiben würde. Die EU kann nicht ewig den Willen zur Selbstbestimmung der Völker leugnen, mahnt Le Soir.
Hoffen auf die Märkte
La Libre Belgique schreibt zur Haushaltslage in Italien. Mit einem geplanten Defizit von 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschreitet die italienische Regierung die Vorgaben der EU deutlich. Man darf gespannt sein, wie die EU darauf reagiert. Sollte sie mit Strafen drohen, wäre das nur Wasser auf die Mühlen der regierenden Populisten in Italien, die ja gerade die EU für alles Übel im Land verantwortlich machen.
Sollte die EU nichts tun, besteht die Gefahr, dass auch andere Euro-Ländern nachlässig in ihrer Haushaltsdisziplin werden. Vielleicht können die Märkte durch negative Reaktionen die italienische Regierung zur Vernunft bringen, hofft La Libre Belgique.
Kay Wagner