"49 Stunden pro Woche", titelt Het Belang van Limburg. "Lasst die Lehrer unterrichten", so die Schlagzeile bei De Standaard.
Viele flämische Zeitungen beschäftigen sich heute mit einer Erhebung unter Lehrern, die die Freie Universität Brüssel (VUB) durchgeführt hat. Von den rund 10.000 befragten Lehrern in Flandern geben viele an, bis zu 49 Stunden pro Woche zu arbeiten.
Das ist viel, stellt Het Belang van Limburg fest. Allerdings handelt es sich dabei ja um eigene Angaben, betont die Zeitung. Und auch wenn niemand 10.000 Lehrern unterstellen würde, zu lügen, ist es doch so: Niemand führt doch genau Buch über seine Arbeitszeiten – die Zahlen sind also mit Vorsicht zu genießen. Dennoch ist diese Studie für die Gewerkschaften Gold wert. Sie können jetzt mit Bildungsministerin Hilde Crevits von der CD&V verhandeln. Jeder findet halt, dass er mehr als die anderen arbeitet. Und da kommt keine Studie gegen an, meint Het Belang van Limburg.
De Standaard sieht das anders: Die Zahl der Überstunden ist nicht das wichtigste Ergebnis der Studie. Sondern die Tatsache, dass die Lehrer immer weniger Zeit haben, um sich auf ihre eigentliche Aufgabe zu konzentrieren: den Unterricht. Die Lehrer finden nämlich nicht, dass sie zu lange vor der Klasse stehen müssen oder zu viel Zeit für die Vorbereitung des Unterrichts aufwenden. Laut der Studie geht zu viel Zeit für Verwaltungs- und organisatorische Aufgaben drauf. Und zu Recht konzentriert sich Bildungsministerin Hilde Crevits auf diesen Aspekt, findet De Standaard.
Auch für De Morgen liegt das Verdienst der Studie nicht in den Zahlen. Das Ergebnis der Erhebung ist ein Hilferuf. Die Probleme des Lehrerberufs sind komplex: Die Hälfte der jungen Lehrer etwa gibt in den ersten fünf Jahren auf. Außerdem gehen im Moment viel mehr Lehrer in Rente, als neue nachkommen. Diejenigen, die sich zu Recht über die sinkende Qualität unserer Bildung beschweren, können nicht mehr die Probleme des Lehrerberufs außer Acht lassen, fordert De Morgen.
Das belgische Paradox
Auch L'Avenir beschäftigt sich mit dem Thema Ausbildung: "Das belgische Paradox", titelt die Zeitung und bezieht sich auf einen Streit über die Vergabe von Medizin-Studienplätzen zwischen dem wallonischen Hochschulminister Jean-Claude Marcourt und der föderalen Gesundheitsministerin Maggie De Block. De Block wirft der Wallonie vor, die Eignungsprüfungen für das Medizinstudium jetzt zu einfach zu gestalten. Marcourt kontert, dass die Reform des Eignungstests eine Forderung des Gesundheitsministeriums war.
Diese Diskussion geht am Thema vorbei, findet L'Avenir. Das eigentliche Paradox ist, dass nur belgische Studienanwärter diese Prüfung ablegen müssen. Im Ausland sind die Vorgaben für ein Medizinstudium nicht dieselben. Es besteht also das Risiko, dass ausländische Fachkräfte, auf deren Ausbildung Belgien keinerlei Einfluss hat, zunehmend Führungsposition im belgischen Gesundheitssektor übernehmen. Schon jetzt kündigt sich ein Mangel an Allgemeinmedizinern an, und Frankeich schafft gerade den Numerus clausus ab, warnt L'Avenir.
Ein schreckliches Dilemma und ein australischer Traum
Die Wirtschaftszeitung L'Echo beschäftigt sich mit einer akuteren Gefahr für die Gesundheit: den sich häufenden Problemen mit belgischen Atomreaktoren. Fünf der sieben Meiler hierzulande sind derzeit außer Betrieb. Maroder Beton macht den Betrieb der Kraftwerke zu einem Sicherheitsrisiko. Belgien und andere Länder, die stark von Atomenergie abhängig sind, könnten sich bald in einem schrecklichen Dilemma befinden: Sie müssen entweder den Strom abschalten oder die Reaktoren trotz der Risiken weiterlaufen lassen, analysiert L'Echo.
"Der australische Traum von Theo Francken", schreibt Le Soir in seinem Leitartikel. Der Asylstaatssekretär führt ja gerne Australien als Beispiel für eine gelungene Migrationspolitik an. Das Land geht sehr hart gegen illegale Migranten vor. Zugleich leistet Australien den größten finanziellen Beitrag zum Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen. Aber Australien ist nicht Belgien, wie Le Soir hervorhebt. Belgien ist weit davon entfernt, mit internationalen finanziellen Engagements zu glänzen. Kurz: Es ist vielleicht an der Zeit, sich ein realistischeres und weniger polarisierendes Vorbild zu suchen, empfiehlt Le Soir.
Salzburger Gipfel und Kommunalwahlen
Auch das GrenzEcho greift in seinem Leitartikel über den informellen Gipfel von EU-Spitzenpolitikern in Salzburg das Thema Migration auf: Die EU verpennt die Zukunft, meint das Blatt. Wann werden die EU-Granden, die sich eher als Zwerge gerieren, eine einheitliche EU-Politik definieren, die Lasten teilen und auf greifbare Ergebnisse hinarbeiten, statt ihre Differenzen zu zelebrieren? Wenn man dem Theater nämlich länger zugeschaut hat, stellt man sich die berechtigte Frage, ob Europa keine wichtigeren Themen hat. Etwa die Wirtschafts- und Sicherheitspolitik. Oder auch den digitalen Wandel. Denn dabei geht es längst nicht mehr nur um Wirtschaft, sondern um die Zukunft der Demokratie, warnt das GrenzEcho.
La Libre Belgique kommt auf das Thema Kommunalwahlen zurück, genauer gesagt auf die Vorwahlabkommen zwischen den Parteien. Das Problem ist, dass viele Parteien solche Abkommen im Hinterzimmer schließen oder sich nach der Wahl nicht an das Vereinbarte halten. Sind diese Abkommen also grundsätzlich schlecht? Nein!, findet La Libre. Aber die Parteien müssen transparenter vorgehen. Und die Öffentlichkeit muss ein schärferes Auge darauf haben, dass auch gehalten wird, was versprochen wurde.
Peter Eßer