"Tänzer klagen Jan Fabre an", titelt De Morgen. "Tänzerinnen wenden sich gegen Jan Fabre", heißt es ähnlich bei De Standaard. Und Het Nieuwsblad notiert auf seiner Titelseite: "Kein Sex, kein Solo".
Der weltbekannte flämische Künstler Jan Fabre ist von zwanzig ehemaligen Mitarbeitern in einem offenen Brief beschuldigt worden. Sexismus, Machtmissbrauch und grenzüberschreitendes Verhalten werfen ihm die Ankläger vor. Fabre weist die Anschuldigungen zurück.
De Standaard kommentiert: In der Kunst – und gerade bei Fabre – geht es um Extreme. Fabre will den Körper zeigen. Nacktheit, Ektase, Sexualität, Angst, Chaos und Verfall gehören dazu. Die Künstler werden dabei nicht geschont. Sie bezahlen einen hohen körperlichen und emotionalen Preis dafür – sie wissen das. Aber wenn "kein Sex" bedeutet, dass jemand "kein Solo" bekommt, ist Missbrauch evident. Die Kunstwelt muss hier für Klarheit sorgen und Grenzen ziehen. Nicht die Kunst selbst darf weniger gefährlich werden, aber Sexismus und Missbrauch in dem Milieu müssen aufhören, findet De Standaard.
Junckers optimistische Botschaft
Die Wirtschaftszeitung L'Écho beschäftigt sich mit der gestrigen Rede von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zur Lage der Europäischen Union und führt aus: Die Rede hörte sich überraschend optimistisch an. Junckers Botschaft war: Europa kann viel erreichen, wenn es will, und wenn es geeint ist. Dass Juncker versucht hat, diesen Optimismus zu verbreiten, ist lobenswert. Es zeigt eine erfrischende Alternative zu der aktuellen Debatte um demokratische Werte und Nationalismus. Stattdessen schlug Juncker vor, sich wieder auf Inhalte zu konzentrieren, um die Zukunft von Europa zu gestalten, lobt L'Écho.
L'Avenir zeigt sich kritischer und schreibt: Vor vier Jahren, als Juncker seine Amtszeit begonnen hat, sagte er: Das ist die Kommission der letzten Chance. Entweder schaffen wir es, die Bürger wieder für Europa zu begeistern oder wir müssen unser Scheitern eingestehen. Ende des Zitats. Und wo stehen wir jetzt? Eigentlich hätte Juncker gestern sein Scheitern bekannt geben müssen. Stattdessen versuchte er Optimismus zu verbreiten. Das ist schön, aber kein Abbild der Realität, konstatiert L'Avenir.
Orban polarisiert Europa
Ebenfalls gestern hat das Europaparlament beschlossen, ein Verfahren gegen Ungarn wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit einzuleiten. Ungarn droht, das Stimmrecht in der EU zu verlieren.
La Libre Belgique kommentiert: Man kann das Europaparlament für diesen Entschluss nur beglückwünschen. Zwar wird es höchstwahrscheinlich nicht zu Sanktionen gegen Ungarn kommen. Dafür müssten auch alle Mitgliedsstaaten einstimmig dafür sein, und Polen wird sich dagegenstellen. Trotzdem war die Abstimmung wichtig. Entwicklungen wie in Ungarn, wo demokratische Werte massiv eingeschränkt werden, müssen so deutlich wie möglich bekämpft werden. Es ist gut zu sehen, dass so viele Europaabgeordnete das auch so sehen, freut sich La Libre Belgique.
Le Soir befürchtet: Die Abstimmung von gestern wird den Graben zwischen Populisten und Demokraten weiter vergrößern. Eine Polarisierung droht, zwei Lager. Die Einen, die wie der französische Präsident Macron und die liberalen Kräfte den Feind im Populismus sehen. Die Anderen, die sich nicht vorschreiben lassen wollen, was moralisch richtig ist. Jeder Bürger hat die Möglichkeit, den Sieg der extremen Parteien zu verhindern. Indem er nämlich bei den Europawahlen wählen geht, glaubt Le Soir.
De Tijd notiert: Das Signal war nötig und es ist gut, dass die Abstimmung so deutlich ausfiel. Mehr als drei viertel der Europaabgeordneten stimmten für Sanktionen gegen das von Premierminister Viktor Orban regierte Ungarn. Wohlgemerkt: Nicht irgendwelche EU-Beamte, sondern die gewählten Volksvertreter von Europa. Das zeigt also symbolisch, dass die überwältigende Mehrheit der Europäer mit der Politik von Orban nicht einverstanden ist. Orban steht jetzt da, wo er hingehört: am Rand, freut sich De Tijd.
Macht kommt vor Moral
Het Laatste Nieuws dagegen meint: Gestern hat ein Großteil der EVP, also der christlich-konservativen Fraktion im Parlament, gegen das eigene Mitglied Orban gestimmt. Das ist natürlich löblich. Aber wohl nur ein Strohfeuer. Denn der Chef der EVP-Fraktion, der deutsche CSU-Politiker Manfred Weber, möchte neuer Kommissionspräsident werden. Dafür muss er seine Fraktion hinter sich wissen. Sie zu spalten, was durch einen angedrohten Ausschluss von Orbans Fidesz Partei droht, wird deshalb nicht stattfinden. Macht kommt vor Moral in der Politik. Orban wird ruhig weiterschlafen können, ist sich Het Laatste Nieuws sicher.
De Morgen schaut auf das Abstimmungsverhalten der N-VA Europa-Abgeordneten und hält fest: Trotz eines alarmierenden Berichts über die Lage in Ungarn haben sich die flämischen Nationalisten enthalten. Damit halten sie sich alle Optionen offen. Auch die, sich nach den Europawahlen einer neuen großen rechtspopulistischen Fraktion mit Orban anzuschließen, befürchtet De Morgen.
Kay Wagner