"De Wever stellt den halben Gemeinderat unter Generalverdacht", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. "De Wever löst Welle der Empörung aus", notiert Het Belang van Limburg auf seiner Titelseite.
Der N-VA-Chef und Bürgermeister von Antwerpen, Bart De Wever, hat mit mehreren provokativen Aussagen für heftige Reaktionen vor allem bei flämischen Politikern gesorgt. De Wever hatte sich sowohl zur flämischen Bildungspolitik, als auch zum Drogenproblem in Antwerpen geäußert.
Het Laatste Nieuws kommentiert: Der Bürgermeister ist auf Speed. Wenn der Wahlkampf bislang noch nicht angefangen hatte – jetzt ist er eröffnet. De Wever war dabei nicht zimperlich, sondern hat es richtig krachen lassen. Er hat kurzerhand mal wieder gegen alle ausgeteilt – und das kräftig. Seine Koalitionspartner von CD&V und OpenVLD hat er nicht geschont – der Wähler kann sich schon fragen, wie die in Zukunft weiter mit der N-VA regieren wollen. Die linke Opposition hat er gleichsam als Verbündete der Drogenmafia hingestellt. Und das war sicher ein Schritt zu weit. Denn De Wever hat keine Namen genannt, keine konkreten Beweise geliefert. Bei so einem Vorwurf geht das gar nicht. Denn damit öffnet er der Gerüchteküche Tür und Tor, schimpft Het Laatste Nieuws.
De Morgen findet: Dieser Vorwurf ist eine unverschämte Beleidigung. Und er lenkt vom eigentlichen Problem ab. Das haben die Kollegen der niederländischen Zeitung De Volkskrant gut herausgestellt. Nämlich erstens, dass Antwerpen ein großes Problem mit Drogen hat. Zweitens: Dass De Wever zu Recht darauf verweist, dass sich die illegalen Geschäfte auf Rekordniveau befinden. Und drittens: Dass auch er als Bürgermeister kaum etwas dagegen machen kann. Als Konsequenz daraus müsste man genau das Gegenteil machen, was De Wever tut: Nämlich den Schulterschluss mit allen suchen, um gemeinsam diese Probleme zu bekämpfen, rät De Morgen.
Het Nieuwsblad sieht das genauso und führt aus: Es ist ein wahrer Krieg, den die Drogenmafia der Stadt Antwerpen erklärt hat. Dass der Bürgermeister diese Probleme anspricht, ist nicht falsch. Aber die Art und Weise ist ein neuer Tiefpunkt in dem Hauen und Stechen um Stimmen in der Scheldestadt. Jeder will auf Teufel komm raus den anderen beschuldigen und seine eigene Partei als heilig darstellen. Aber der Kampf gegen die Drogenmafia verdient etwas Besseres als so ein selbstsüchtiges Wahlkampfgetöse, kritisiert Het Nieuwsblad.
Auf Exzellenz darf nicht verzichtet werden
Die Wirtschaftszeitung De Tijd geht auf De Wevers Äußerungen zur Bildungspolitik ein und meint: Dass der N-VA-Chef dieses Thema jetzt anspricht, zeigt, dass es anscheinend Handlungsbedarf gibt. Und das ist ja nicht neu. Schon seit einiger Zeit wird ja beklagt, dass das Bildungsniveau an flämischen Schulen sinkt. Alle sollen wenn möglich den höchsten Schulabschluss schaffen. Das zieht das Gesamtniveau nach unten.
Das ist genauso, als wenn ein Peloton beim Radrennen so schnell wie der schwächste Fahrer fährt. Gewinnen kann man so nicht. Deshalb muss unser Schulsystem die Anforderungen wieder steigern. Auf Exzellenz dürfen wir nicht verzichten. Gleichzeitig müssen wir schauen, dass auch die Schwächsten nicht unter die Räder kommen, fordert De Tijd.
Nur die halbe Wahrheit
Justizminister Koen Geens hat angekündigt, auf die sogenannten "Wohnungsbetretungen" vorerst verzichten zu wollen. Dazu kommentiert L'Avenir: Geens begründet diese Entscheidung unter anderem damit, dass es im frankophonen Landesteil zu viel Widerstand gegen diesen Gesetzesvorschlag gibt. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Auch in Flandern gibt es viele Stimmen gegen diese Pläne. Und das völlig zu Recht.
Denn das unangekündigte Eindringen von Polizisten in Privatwohnungen, um dort eventuell Migranten ohne Aufenthaltsgenehmigung zu finden, verstößt gegen Menschenrechte, Privatsphäre und unseren Rechtsstaat. Außerdem – so zeigt es die Statistik aus 2016 – versuchen nur sieben Prozent der Flüchtlinge, sich dem Zugriff des Staates zu entziehen. Das Gesetz soll also für eine kleine Minderheit gemacht werden. Das ist unverhältnismäßig. Doch alle Kritiker des Gesetzes sollten achtgeben: Der Gesetzesvorschlag ist zunächst nur auf Eis gelegt. Unter einer neuen Regierung könnte er wieder aktuell werden, warnt L'Avenir.
Den harschen Tönen ist nicht zu trauen
La Libre Belgique notiert zur Ankündigung von PS-Präsident Elio Di Rupo, nach den Wahlen Koalitionen mit Ecolo und DéFI anstreben zu wollen: Di Rupo sagt nicht ausdrücklich, dass er eine Zusammenarbeit mit der MR ausschließt. Das ist geschickt. Denn er weiß ganz genau, dass rein rechnerisch eine Koalition aus PS und MR gerade auf regionaler Ebene die einzige Möglichkeit sein könnte, eine Regierung zu bilden, prophezeit La Libre Belgique.
Auch Le Soir glaubt: Den harschen Tönen aus den Reihen der PS und MR ist nicht zu trauen. Sie dienen vielmehr dazu, das Profil der eigenen Partei zu schärfen. Die PS will sich von der MR distanzieren, die MR von der PS. Doch am Ende werden Rechenspiele entscheiden, wer mit wem zusammen regiert – und das wissen alle ganz genau, so Le Soir.
Kay Wagner