"Brücke weg, 42 Leben weg", titelt Het Belang van Limburg. "Italien im Schockzustand sucht nach den Verantwortlichen", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins. "Auch in Belgien könnte so etwas grundsätzlich passieren", so die Schlagzeile bei L'Avenir.
Die Zeitungen gehen ausführlich auf die Katastrophe in Genua ein. Am Dienstag war dort eine viel befahrene Brücke auf einer Länge von 200 Metern eingestürzt. Mindestens 42 Menschen wurden dadurch getötet. De Morgen kommentiert: Die Aufgabe eines Politikers in so einer Situation ist es, für die Menschen da zu sein. Ihnen Trost zu spenden, und vor allem die Sicherheits- und Bergungsdienste ihre Arbeit machen zu lassen. Leider ist das von der derzeitigen italienischen Regierung zu viel verlangt.
Innenminister Matteo Salvini hatte nichts Besseres zu tun, als Europa für den Brückeneinsturz verantwortlich zu machen. Wen auch sonst? Was für ein kleinmütiger Unmensch muss man eigentlich sein, um so einen Moment der Trauer für seine politischen Interessen zu missbrauchen? Salvinis Erklärung ist lächerlich, simpel und nur auf die Erwartungen der eigenen Wählerschaft gemünzt. Wahrlich, der rechtsextreme Populismus ist wieder da in Italien, schimpft De Morgen.
Ein tragisches Symbol
Auch L'Avenir findet: Europa die Schuld am Einsturz der Brücke zu geben ist falsch. Sicher, die EU hat Italien zu einer strengen Sparpolitik gezwungen. Geld war und ist in Italien nicht in Hülle und Fülle vorhanden. Trotzdem: Die Sorge um die Infrastruktur in einem Land liegt bei den nationalen Regierungen. Salvini versucht nur die Aufmerksamkeit von den eigentlich Verantwortlichen abzulenken. Die müssen in Italien gesucht werden. Sehr wahrscheinlich ist alles Folge einer ganzen Serie von Fehlentscheidungen, glaubt L'Avenir.
De Tijd sieht das genauso und führt aus: Der Brückeneinsturz in Genua ist ein tragisches Symbol für den allgemeinen Zustand in Italien. Die Brücke wurde in den 1960er Jahren gebaut. Damals ging es Italien gut, das Land boomte fast. Doch seit den 90er Jahren herrscht Stillstand. Alle Regierungen waren seitdem wie gelähmt. Korruption, Vetternwirtschaft und die Mafia bekamen immer mehr Einfluss – auch auf die Verwaltung der Infrastruktur. In Genua hat sich das jetzt auf tragische Weise gerächt. Italien braucht eine neue Dynamik und darf sich nicht damit begnügen, nach einem Sündenbock zu suchen, rät De Tijd.
Het Laatste Nieuws notiert: In Italien stürzen jährlich 10-15 Brücken ein, ohne dass die Medien darüber groß berichten. Italien ist mit Portugal das Schlusslicht der europäischen Länder, wenn es um die Investitionen in Infrastruktur geht. Und nur knapp vor Italien und Portugal liegt Belgien. Auch bei uns ist die Infrastruktur in lebensgefährlichen Zuständen: Die Brüsseler Tunnel bröckeln, die Atomkraftwerke sind brüchig, die Autobahn unsicher, die Gefängnisse gleichen einem Vorhof zur Hölle. Nein, auch Belgien ist vor einer Katastrophe wie in Genua nicht sicher, warnt Het Laatste Nieuws.
"Belgien sperrt Kinder ein"
In das geschlossene Asylabschiebezentrum in Steenokkerzeel sind am Dienstag vier kleine Kinder mit ihrer Mutter eingeliefert worden. Dazu kommentiert Le Soir: Belgien sperrt wieder Kinder ein. Der Aufschrei bei Menschenrechtsorganisationen ist groß. Es bleibt festzustellen: Die Bedingungen sind jetzt viel besser, als noch vor zehn Jahren. Die Kinder mit ihrer Mutter sind in einer Wohnung untergebracht, die einem Ikea-Katalog entsprungen sein könnte. Es gibt einen Lehrer, einen Spielplatz, der Aufenthalt soll so kurz wie möglich sein.
Und ja, es ist richtig, die Familie ist schon zweimal aus sogenannten offenen Häusern geflohen, der Vater zu 37 Monaten Gefängnis wegen Diebstahls mit Gewalt verurteilt worden. Die Regierung verteidigt deshalb die Maßnahme als letzte Möglichkeit ihre Asyl-Politik auf dem Terrain durchzusetzen. Trotzdem bleibt die Frage, was wiegt schwerer: Die Effizienz einer Asyl-Politik oder der Schutz des Kindes, fragt Le Soir.
Ein Kind ist heilig. Punkt.
L'Echo hat auf diese Frage eine Antwort und schreibt: Die Regierung begeht einen Fehler, wenn sie Kinder einsperrt. Denn egal welche Gründe man dafür hat: Das Verbot, Kinder einzusperren, ist ein ähnlicher Wert wie der Verzicht auf die Todesstrafe oder das Bekenntnis zur Gleichheit von Mann und Frau. Es ist ein Grundwert unserer Gesellschaft, bestätigt durch den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und die UNO. Ein Kind ist heilig. Punkt, erinnert L'Echo.
De Standaard weiß: Menschenrechtsorganisationen haben angekündigt gegen die Maßnahme zu klagen. Schon früher war das Einsperren von Kindern im Zuge der Asyl-Verfahren Gegenstand von Richter-Sprüchen. Belgien war damals verurteilt worden. Allerdings ging es damals nicht grundsätzlich um das Einsperren von Kindern, sondern um die Umstände, unter denen sie eingesperrt leben mussten. Eines ist jetzt sicher. Ganz gleich, wie das neue Urteil ausfallen wird, die beiden Lager – Befürworter und Gegner der Maßnahme – wird das nicht versöhnen, glaubt De Standaard.
Kay Wagner