"Die türkische Krise droht ansteckend zu sein", titelt Le Soir. "Türkei schafft es nicht, Vertrauen wieder herzustellen", notiert De Tijd auf Seite eins. "Die Welt schaut auf Erdogan", heißt es auf der Titelseite bei De Morgen.
Der drastische Wertverlust der türkischen Lira und die sich abzeichnende Krise in der Türkei beschäftigen die Zeitungen auch in ihren Leitartikeln. La Libre Belgique analysiert: Ein Grund für die Krise ist das zerrüttete Verhältnis zwischen der Türkei und den USA. Die Gründe dafür sind tiefgreifend. Es geht nicht nur um die Festnahme eines amerikanischen Predigers in der Türkei.
Die Türkei ist den USA in Nahost schon lange ein Dorn im Auge. Im Syrien-Konflikt bekämpft die Türkei die Kurden, die von den USA unterstützt werden. Als die USA jetzt neue Sanktionen gegen den Iran verhängt haben, beeilte sich die Türkei, dem Iran Unterstützung zu versichern. Die Türkei unterhält einen Energie-Pakt mit dem Iran. Diese Konflikte lassen nicht erwarten, dass die USA eine aktive Rolle dabei spielen werden, die Krise in der Türkei zu beenden, glaubt La Libre Belgique.
Eurozone ist nicht sicher
De Morgen schreibt: Auf Mitleid aus dem Ausland darf Erdogan gerade nicht hoffen. Zu oft hat er dafür in der Vergangenheit seine westlichen Partner vor den Kopf gestoßen. Aber Schadenfreude kann sich Europa auch nicht leisten. Die europäische Wirtschaft, besonders die europäischen Banken, sind eng mit der Türkei verbunden. Eine Finanz- und Wirtschaftskrise in der Türkei wird unweigerlich Folgen auch für Europa haben. Negative Folgen, warnt De Morgen.
Le Soir sieht das genauso und führt aus: Die Eurozone ist nicht immun gegen neue Turbulenzen an den Finanzmärkten, die durch eine Krise der türkischen Lira ausgelöst werden könnten. Auch das ist wieder ein Beispiel dafür, wie anfällig die europäische Wirtschaft ist. Europas Unternehmen und Banken sind zu sehr in internationale Geschäfte verwickelt. Es reicht nicht aus, allein in der EU Regeln für Banken und Unternehmen zu beschließen, um Europa vor Krisen zu schützen, stellt Le Soir fest.
De Standaard dagegen schreibt: Die Krise in der Türkei wird aller Wahrscheinlichkeit nach kein großes Problem für Europa werden. Viel gefährlicher ist die Entwicklung in Italien. Dort wird gerade der Haushalt für 2019 erarbeitet. Die Regierungsparteien haben ihren Wählern Großes versprochen: Ein Grundeinkommen und Steuersenkungen. Der Haushalt droht deshalb die EU-Vorgaben zu missachten. Und wahrscheinlich wird der italienischen Regierung das egal sein.
Denn selbst, wenn es dadurch zu einer neuen Euro-Krise kommen sollte, geht Italien davon aus, dass die EU schon helfen wird. Zu groß ist das volkswirtschaftliche Gewicht Italiens in der EU. Ein wahres Kräftemessen zwischen EU und Italiens neuer Regierung zeichnet sich ab. Es kann schnell zu einem sehr heißen Herbst kommen, fürchtet De Standaard.
"Aquarius" wird zum Spielball
Gazet van Antwerpen blickt über Italien hinaus aufs Mittelmeer und stellt fest: Wieder einmal fährt dort das Schiff "Aquarius" herum mit 141 Flüchtlingen an Bord. Und wieder einmal will niemand in Europa das Schiff anlegen lassen. Dabei hat die "Aquarius" nur das getan, was im internationalen Seerecht vorgeschrieben ist: Wenn man in Seenot geratene Menschen auf dem Meer entdeckt, muss man ihnen helfen. Dass die "Aquarius" jetzt wieder zum Spielball unterschiedlicher Interessen wird, verdeutlicht die Patt-Situation, in der sich Europa beim Thema Flüchtlinge befindet.
Die EU hat keine klare Regelung gefunden, und die NGOs weigern sich, die Migranten zurück nach Nordafrika zu bringen. Leidtragende von dieser Situation sind die geflüchteten Menschen, die ein zweites Mal ihrem Schicksal überlassen werden, bedauert Gazet van Antwerpen.
L'Avenir kommentiert zu den Hilfen, die die wallonische Regierung für Landwirte in Aussicht stellt, deren Erträge unter der großen Hitze dieses Jahr zu leiden drohen: Diese Hilfen sind gut und unerlässlich. Die Notlage vieler Landwirte in diesem Sommer sollte allerdings Anlass sein, sich grundsätzlich Gedanken über die Zukunft der Landwirtschaft zu machen. Ist sie noch zeitgemäß?
Das Klima ändert sich, und darauf muss auch die Landwirtschaft mit langfristig wirkenden Maßnahmen reagieren. Die Diskussion darum muss jetzt stattfinden. Leider scheint keiner in der Politik das zu verstehen, bedauert L'Avenir.
Bald ohne Glyphosat und Co?
Für ein Umdenken in der Landwirtschaft plädiert auch die Wirtschaftszeitung L'Echo, argumentiert aber aus einer anderen Richtung und führt aus: Die Entscheidung eines US-Gerichts, die Firma Monsanto zu verurteilen, weil das von Monsanto hergestellte Pestizid Glyphosat Krebs bei einem Kläger erzeugt haben soll, hat das Thema Glyphosat auch in Europa wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Aus Deutschland und Frankreich ertönen schon Stimmen, dass Glyphosat in ein paar Jahren ganz verboten werden könnte.
Dabei gibt es außer Glyphosat noch zig andere Pestizide. Andere Chemikalien, von denen die Landwirtschaft zurzeit abhängig ist, die aber der Umwelt nicht guttun. Grundsätzlich muss sich Europa daranmachen, eine neue Landwirtschaft zu entwickeln, die ohne Glyphosat und Co auskommt. Das ist ein langer Weg. Die ersten Schritte müssen schleunigst getan werden, fordert L'Echo.
Kay Wagner