"Vor 25 Jahren starb König Baudouin", so die nüchterne Schlagzeile auf Seite eins von Le Soir und L'Avenir. Het Nieuwsblad bringt denselben Satz, fügt aber noch einen hinzu: "Rekonstruktion einer Woche der kollektiven Trauer". "Vor 25 Jahren standen die Belgier unter Schock", bringt La Dernière Heure das damalige Klima auf den Punkt.
Am 31. Juli 1993 rollte eine Schockwelle über das Land. In seiner Urlaubsresidenz im südspanischen Motril war König Baudouin an den Folgen eines Herzanfalls gestorben. Die Nachricht schlug wie eine Bombe ein. Nicht nur, dass König Baudouin 42 Jahre lang auf dem Thron gesessen hatte, er und seine Frau, Königin Fabiola, waren auch unheimlich beliebt. "Die Belgier trauerten um den Verlust eines Vaters und befürchteten das Ende des Landes", so fasst La Libre Belgique die Gefühlslage zusammen.
Fakt ist: Das Land stand mit einem Mal still. Hunderttausende erwiesen dem verstorbenen König die Ehre. Viele Menschen waren aufrichtig erschüttert. "Eine solche Massenhysterie wäre wohl heute undenkbar", bemerkt aber Het Nieuwsblad. Viel hatte seinerzeit mit der Persönlichkeit von König Baudouin zu tun, sagt ein Historiker in der Zeitung. König Baudouin war auch auf der politischen Bühne unheimlich präsent. Er hatte eine ganz andere Aura als seine Nachfolger.
Das Ende der "Belgique à papa"
"Baudouin, der Unsterbliche", schreibt sogar L'Avenir in seinem Leitartikel. Der Tod des Monarchen hat seinerzeit ein ganzes Land auf dem falschen Fuß erwischt. Die darauffolgenden Tage waren geprägt von einer unglaublichen journalistischen und politischen Unruhe, bis in die höchsten Ebenen, während vor dem Brüsseler Stadtschloss unendlich lange Warteschlangen standen. Der Geist von König Baudouin erfüllt aber immer noch die Mauern des Palastes. Es ist wohl maßgeblich ihm und seiner Amtsführung zu verdanken, dass es ist die Monarchie überhaupt noch gibt. Sein Erbe, nämlich Bedachtsamkeit und Weisheit, inspiriert die Worte und Taten seines Neffen, König Philippe, bis heute.
La Dernière Heure stellt sich ihrerseits die Frage: "Was wäre, wenn?". Der Tod von König Baudouin war gleichbedeutend mit dem Ende der "Belgique à papa", dem alten Belgien, dem Belgien der Expo '58 oder des Kongo. Hätte Baudouin länger gelebt, hätte er der Regionalisierung des Landes tatenlos zugesehen? Hätte er den Ausverkauf der wirtschaftlichen Kronjuwelen akzeptiert? In den letzten 25 Jahren hat sich das Land grundlegend verändert. Die Frage ist tatsächlich, ob König Baudouin das hätte verhindern oder beeinflussen können?
Fall Mawda: "Verfolgungsjagd war überflüssig"
Viele Zeitungen beschäftigen sich heute auch mit den neuen Entwicklungen im Todesfall Mawda. Der mutmaßliche Fahrer des Kleinbusses, in dem die 2-Jährige von einer Polizeikugel tödlich getroffen worden war, ist in Großbritannien festgenommen worden. Der Zusammenhang konnte aber bislang nur über einen DNA-Abgleich hergestellt werden. Wenn es sich tatsächlich um den Fahrer des Unglückstransporters handelt, dann könnte der 25-jährige Iraker wegen Mittäterschaft strafrechtlich verfolgt werden. "Trägt der Fahrer eine Mitschuld?", fragt sich denn auch das GrenzEcho. "Die Eltern von Mawda hoffen jetzt, dass der Mann auspackt", notiert Le Soir auf Seite eins. In der Tat erhofft man sich Erkenntnisse über die möglichen Hintermänner.
Het Nieuwsblad macht heute in diesem Zusammenhang mit einer spektakulären Exklusivmeldung auf: "Frankreich war schon seit längerer Zeit an dem Kleinbus dran", schreibt das Blatt. Konkret: Die französische Polizei hatte offensichtlich einen Peilsender an dem Transporter angebracht, um die Routen des Fahrzeugs nachvollziehen zu können. Das tragische Fazit der Zeitung: "Die Verfolgungsjagd, die Mawda zum Verhängnis wurde, war eigentlich überflüssig".
Ryanair: Der Preis der Demokratisierung
"Ryanair begibt sich auf dünnes Eis", titelt seinerseits De Morgen. Die irische Billigfluggesellschaft hat ja unverhohlene Drohungen ausgesprochen gegen die Gewerkschaften und auch gegen die Mitarbeiter, die in der vergangenen Woche aus Protest die Arbeit niedergelegt hatten. Die Direktion warnt das Personal, dass deswegen sogar Entlassungen ausgesprochen werden könnten. Ryanair-Chef Michael O'Leary hält sich also weiter für unantastbar, giftet Het Nieuwsblad in einem bissigen Leitartikel.
Das haben wir aber uns selbst zu verdanken, genauer gesagt den Sozialisten in Charleroi, die Ryanair einst mit diversen Steuergeschenken und anderen Annehmlichkeiten den roten Teppich ausgerollt haben. Ryanair sollte uns eine Lehre sein: Wenn man für vermeintlich leichten wirtschaftlichen Erfolg vor einem Unternehmen auf die Knie fällt, dann bezahlt man irgendwann einen hohen Preis dafür.
Der Ryanair-Chef verdient einen Pranger, aber zugleich auch ein Standbild, meint Het Laatste Nieuws. Ryanair hat das Fliegen demokratisiert, hat dafür gesorgt, dass auch weniger Betuchte Flugreisen unternehmen können. Die Kehrseite, das ist der Preis, den das Personal dafür zahlen muss. Hier stellt sich längst aber auch ein grundsätzliches Problem: Fliegen schädigt die Umwelt viel stärker, als wir es wahrhaben wollen. Es ist Segen und Fluch zugleich.
"Wir brauchen Offenheit ohne Naivität"
Einige Zeitungen schließlich stellen auch heute die Frage nach dem Umgang mit chinesischen Investoren. Unmittelbarer Anlass sind Gerüchte, wonach ein chinesischer Großkonzern die belgische Versicherungsgesellschaft Ageas übernehmen könnte. "Gelbe Heuschrecken", meint dazu das GrenzEcho in seinem Kommentar. Belgien hat bislang, anders als andere Staaten, keine Abwehrstrategie, um feindliche Übernahmen gegebenenfalls zu blockieren. Protektionismus wäre zwar nicht das richtige Mittel. Jeder Staat hat aber die Pflicht seinen Bürgern gegenüber, die Kontrolle über strategisch wichtige Unternehmen zu behalten.
"Wir brauchen Offenheit ohne Naivität", so fasst es De Standaard zusammen. Dabei muss man allerdings vor Augen haben, dass man in Peking langfristig denkt. Viele Auslandsinvestitionen erfolgen wohl nicht ohne Hintergedanken, oft stecken politische oder strategische Erwägungen dahinter. Ausgerechnet jetzt leistet sich aber der Westen eine Existenzkrise. Welchen Preis wir am Ende dafür bezahlen werden, das werden wir erst viel später erfahren.
Roger Pint