"Todesfall Mawda – der Fahrer des Kleinbusses sitzt in einer britischen Zelle", so die Schlagzeile auf Seite eins von Het Laatste Nieuws und De Morgen. Demnach wurde also ein 25-jähriger Iraker als der Mann identifiziert, der am vergangenen 17. Mai am Steuer des Unglücks-Transporters gesessen hatte. Der Kleinbus war einer Polizeipatrouille aufgefallen, die daraufhin die Verfolgung aufnahm. Der Fahrer wollte aber nicht anhalten und vollzog eine Reihe von gefährlichen Fahrmanövern. Irgendwann zog einer der Polizisten seine Dienstwaffe. Nach eigener Aussage zielte er auf die Reifen des Fahrzeugs.
Jedenfalls löste sich ein Schuss. Die Kugel traf die 2-jährige Mawda am Kopf. Das Mädchen erlag später seinen Verletzungen. Nachdem der Wagen gestoppt wurde, konnte der Fahrer nicht ermittelt werden. Am Lenkrad und am Schaltknüppel wurde aber DNA-Material sichergestellt. Und das passt eben offensichtlich zu einem Mann, der vor einer Woche in Großbritannien festgenommen wurde und der derzeit in Haft sitzt. Die belgischen Behörden haben seine Auslieferung beantragt.
Quasi dazu passend bringt La Libre Belgique heute eine dreiseitige Reportage über "die Schleuser und die Migranten in Belgien". Seit einigen Monaten ist auch Belgien der Schauplatz eines Katz- und Mausspiels zwischen den Menschenschmugglern und der Polizei. Allzu oft haben die Ordnungskräfte den Eindruck, dass die Schleusernetzwerke ihnen einen Schritt voraus sind.
Macht Michel den "Donald"?
Innenpolitisch sorgt immer noch das Sommerabkommen der Föderalregierung für Diskussionsstoff. Am Wochenende hatte Premierminister Charles Michel in mehreren Zeitungsinterviews den Kritikern die Leviten gelesen. Viele Medienvertreter und auch "Pseudo-Experten" hätten schlichtweg keine Ahnung, wovon sie redeten, sagte Michel ungewöhnlich deutlich. Tatsächlich hatte die Presse, flankiert von der Opposition, durch die Bank das Sommerabkommen als "halbgar" und "vage" kritisiert.
"Was ist denn in den Premierminister gefahren", fragen sich heute viele Leitartikler. "Ist Charles Michel etwa bei 'The Donald' in die Lehre gegangen?", spöttelt Het Laatste Nieuws. Charles Michel kann es offensichtlich nicht ertragen, dass Journalisten seine Leistungen nicht mindestens als "historisch" betrachten. Werden die Medien denn jetzt bald auch beschuldigt, Fake News in die Welt zu setzen?
Wenn es negative Beurteilungen gibt, dann hat das zum größten Teil mit Charles Michel und seiner Equipe zu tun. Sie waren es, die die Latte hochgelegt haben. Es war die Regierung Michel, die von sich selbst behauptet hatte, dass sie besser sein würde, als alle ihre Vorgängerinnen. Hätte diese Equipe nicht so viel Energie bei ihren Streitigkeiten vergeudet, dann wäre sie ihren hochgesteckten Zielen womöglich nähergekommen.
Sauer ist er, der Charles, in seiner Ehre gekränkt sogar, stellt auch Het Nieuwsblad fest. Zwischen den Zeilen unterstellte er seinen Kritikern, schlichtweg zu dumm zu sein, um die Leistungen seiner Equipe beurteilen zu können. Ist das so? Auch Journalisten lassen sich von Fachleuten beraten. Und auch sie können nur feststellen, dass Teilaspekte des Sommerabkommens auf Sand gebaut sind. Angefangen beim Arco-Deal, der ja erst noch von der EU-Kommission akzeptiert werden muss. Die scharfe Medienkritik zeugt eigentlich nur vom flagranten Mangel an echten Argumenten. Das ist vergleichbar mit einer Mutter, die nach der hundertsten "warum-Frage" ihres Kindes einfach nur antwortet: "darum!".
Sitzt in Antwerpen der wahre Premierminister?
Hatte der Premierminister nicht schon selbst den Weg gewiesen, fragt auch rhetorisch Gazet van Antwerpen. Charles Michel hatte bei seiner Präsentation schließlich vor allem frühere Leistungen seiner Regierung hervorgehoben, wie etwa den Tax Shift oder die Senkung der Körperschaftssteuer. Das konnte ja schon hellhörig machen. Im Sommerabkommen stehen tatsächlich noch allzu viele Fragezeichen.
De Standaard übt sich was schon in Psychoanalyse. Charles Michel leidet darunter, dass er seit Jahren zu hören bekommt, dass der echte Premierminister im Rathaus von Antwerpen sitzt. Mit Namen Bart De Wever. Der ultimative Knackpunkt, das war die Sudan-Krise. Damals musste Michel machtlos mitanschauen, wie ihn der N-VA-Chef schachmatt setzte, als De Wever die Zukunft der Regierung vom Schicksal von Theo Francken abhängig machte. Kritik von De Wever nimmt er seither persönlich. Und das gilt jetzt offensichtlich für jegliche Kritik, die von außen kommt.
"Schande über Ryanair!"
"Die Ryanair-Direktion gießt noch Öl ins Feuer", notiert derweil La Libre Belgique auf Seite eins. Die Geschäftsleitung des irischen Billigfliegers hat sich schriftlich an die Gewerkschaften gewandt. In dem Brief heißt es wörtlich: "Wer mehr als einmal unentschuldigt abwesend ist, der kann wegen eines schweren Fehlers entlassen werden. "Man kann einen Streik aber nicht als eine 'unentschuldigte Abwesenheit' betrachten", reagieren empört die Gewerkschaften. "Ryanair versucht die belgischen Streikenden einzuschüchtern", so denn auch die Schlagzeile im Innenteil von De Standaard.
"Schande über Ryanair", wettert L'Avenir in seinem Leitartikel. Hat die Ryanair-Direktion immer noch nicht verstanden, dass die Strategie der Angst und des Terrors nicht mehr wirkt, dass das Personal schlichtweg zu entschlossen ist, um sich noch weiter drangsalieren zu lassen? Die Zeit der sprudelnden Gewinne zu jedem Preis ist vorbei. Es wird Zeit, dass die EU hier regulierend eingreift.
Ahed Tamimi: Unfreiwillig zur Ikone
Viele Zeitungen bringen schließlich heute Fotos von der 17-jährigen Palästinenserin Ahed Tamimi. Die ist gestern nach einer 8-monatigen Haft aus einem israelischen Gefängnis entlassen worden. Verurteilt wurde sie, weil sie einen israelischen Soldaten geohrfeigt hatte.
Israel hat aus der jungen Frau mit dem rötlichen Lockenschopf unfreiwillig eine Ikone gemacht, konstatiert Le Soir in seinem Leitartikel. Ahed ist jetzt ein Symbol des Widerstands gegen die Siedlungspolitik. Das wird die israelische Regierung aber nicht bremsten. Gerade erst wurde ein neues Grundgesetz verabschiedet, in dem Israel ausdrücklich als "Nationalstaat des jüdischen Volkes" definiert wird. Jetzt werden die demokratischen Grundwerte also sogar offiziell mit Füßen getreten.
Roger Pint