"Ich lasse mich von der FGTB nicht einschüchtern", titelt Le Soir. "Die Kritik am Sommerabkommen entspricht nicht der Realität", so die Schlagzeile von De Tijd.
Einige Zeitungen machen heute auf mit Zitaten von Premierminister Charles Michel. In Le Soir, De Tijd und auch in Het Nieuwsblad verteidigt der föderale Regierungschef sein Sommerabkommen. Die Regierung hatte sich ja Anfang der Woche nicht nur auf den Haushalt 2019 verständigt, sondern noch auf eine ganze Reihe von Reformprojekten. Besonders viel Kritik gab es an der Reform des Arbeitslosengeldes. Die sieht ja insbesondere vor, dass das Arbeitslosengeld künftig schneller abnehmen soll, als das bisher schon der Fall ist.
"Das ist aber keine Strafmaßnahme", unterstreicht Charles Michel in Le Soir. Sein Feind sei die Arbeitslosigkeit, die Arbeitsuchenden betrachte er als Partner. Die allgemeine Kritik am Sommerabkommen könne er nicht nachvollziehen, sagt Michel in De Tijd. Mehr noch: "Die Kritiker und auch die selbsternannten Experten haben offensichtlich keine Ahnung, wovon sie sprechen".
Michel zeigt sich unbeeindruckt
Die Gewerkschaften waren ja vor allem angesichts der geplanten sozialpolitischen Reformen an die Decke gegangen. FGTB-Chef Robert Vertenueil hatte sogar damit gedroht, notfalls das Land lahmzulegen. In Le Soir gibt sich Charles Michel aber unbeeindruckt. Er hoffe vielmehr, dass die Gewerkschaften nicht wieder die Bürger als Geisel nehmen werden.
In Het Nieuwsblad verteidigt der Premierminister in erster Linie den Haushalt seiner Regierung. Dass das Budget nicht im Gleichgewicht ist, das sei eine bewusste Entscheidung, sagt Michel sinngemäß. "Eine Schwarze Null wäre einfach, nur wäre das auch vernünftig?", fragt sich der Regierungschef. Die Gefahr war schlicht und einfach zu groß, die Wirtschaft abzuwürgen.
Die MR-Kollegin und Haushaltsministerin Sophie Wilmès sagt in L'Echo im Wesentlichen das Gleiche. "Und wer behauptet, die Regierung habe das Budget mit Hilfe von obskuren Zaubertricks geschönt, der hat keine Ahnung", sagt Wilmès.
Ein Deal, der (noch) keiner ist
Klare Worte also, die wohl auch noch einmal daraufhin deuten, wie sehr sich die Koalition ungerecht behandelt fühlt. In den letzten Tagen hatten diverse Regierungsmitglieder mehrmals die allgemein scharfe Kritik am Sommerabkommen bedauert. Einige Zeitungen legen aber heute nach: "Der Job-Deal, der noch kein Deal ist", schreibt etwa Het Laatste Nieuws. In einigen zentralen Punkten wie etwa der Idee, künftig mehr auf leistungsbezogene Gehälter und nicht mehr auf Dienstalter zu setzen, liegen OpenVLD und CD&V ziemlich überquer.
Die verschiedenen Regierungen des Landes haben in den letzten Tagen ein ziemliches Durcheinander produziert, meint sinngemäß De Morgen in seinem Leitartikel. In den Sommerabkommen der flämischen Regierung und auch der föderalen Kollegen gibt es noch eine ganze Reihe von Dunkelzonen. Grund ist oft die Tatsache, dass sich Zuständigkeiten überschneiden. Für einen Teilaspekt einer Maßnahme sind die Regionen, für einen anderen der Föderalstaat zuständig. Da muss man sich manchmal fragen, ob es in diesem Land nicht einen fundamentalen Konstruktionsfehler gibt. Die nächste Frage wäre dann aber gleich, wie man das Problem lösen soll.
"Wo ist eigentlich die Klimapolitik?"
Das Wetter und insbesondere die tropischen Temperaturen der letzten Tage haben die Zeitungen offensichtlich noch an ein anderes Defizit in den Sommerabkommen erinnert. "Wo ist eigentlich die Klimapolitik?", fragt sich etwa De Standaard.
Es ist geradezu beängstigend, festzustellen, dass der Politik in diesem Land offensichtlich jeglicher Sinn für die Dringlichkeit fehlt. Immer noch! Dabei nehmen die extremen Wetterphänomene zu. Und doch werden klimapolitische Maßnahmen auf allen Ebenen auf die lange Bank geschoben. So wie es im Moment aussieht, wird Belgien seine Klimaschutzziele grandios verfehlen. Vielleicht stimuliert dieser Sommer ja die Regierungen zu mehr politischem Mut.
Het Laatste Nieuws sieht das ähnlich. Im Moment wird immer wieder der Vergleich mit dem Sommer 1976 angeführt. Haben wir da nicht was vergessen? Gab's da nicht auch noch 2003? Oder 2006? Erinnert sich niemand mehr an die schlaflosen Nächte im letzten Sommer? Selbst Meteorologen, die nicht als Unglückspropheten bekannt sind, warnen vor den verheerenden Folgen des Klimawandels. Solche tropischen Sommer werden sich gefährlich häufen. Die Politik reagiert ihrerseits mit größtenteils leeren Absichtserklärungen.
Die Sonne verbieten?
Wir müssen uns da aber auch an die eigene Nase fassen, meint Het Belang van Limburg. Viel zu viele Dinge sind für uns viel zu selbstverständlich. Beispiel Trinkwasser. Wir verbrauchen täglich pro Nase 114 Liter Wasser. 114 Liter! Das wird sich ändern müssen. Dieser Sommer muss dazu führen, dass wir unser Verhalten überdenken.
Apropos Hitzewelle. Gestern gab es ja auch den vielleicht ersten Hitzestreik. In Lüttich haben die TEC-Busfahrer die Arbeit niedergelegt. Sie wollten damit gegen die hohen Temperaturen in ihren Fahrerkabinen protestieren. "Man sollte tatsächlich die Sonne verbieten", meint bissig und kopfschüttelnd L'Avenir. Vielleicht sollte man auch die Hersteller von Thermometern verklagen. Oder die Wetterfrösche.
Mal ernsthaft: Dieser Streik war doch vollkommen daneben! Glauben die Busfahrer, dass sie die einzigen sind, die unter der Hitze leiden? Was ist denn mit den Arbeitern, die auf der Straße oder an Bahnschienen mallochen müssen in der prallen Sonne? Denken die Gewerkschaften allen Ernstes, dass sie morgen noch glaubwürdig sind?
De Croo vs. Leroy
La Libre Belgique konfrontiert den Telekom-Minister Alexander De Croo und die Proximus-Chefin Dominique Leroy. Beide werden aber getrennt voneinander interviewt. "In Belgien sind die Telekomanbieter zu teuer", sagt De Croo und rechtfertigt damit seine Entscheidung, den Telekom-Markt für einen vierten Anbieter zu öffnen. "Wir haben irgendwie nicht mehr das Gefühl, dass der Staat unser Hauptaktionär ist", kritisiert ihrerseits die Proximus-Chefin Leroy. Die wird übrigens auch in Het Laatste Nieuws und De Morgen interviewt.
Bemerkenswerte Schlagzeile schließlich noch auf Seite eins von L'Echo und De Tijd: "Aufruf, um den chinesischen Appetit auf Beteiligungen in Belgien einzudämmen", so die Schlagzeilen. Wie etwa in der benachbarten Bundesrepublik Deutschland denkt man jetzt auch in Belgien darüber nach, wie man mit chinesischen Investoren umgehen soll. Konkret: Darf man wirklich auch in strategischen Bereichen chinesische Beteiligungen zulassen?
Unmittelbarer Anlass sind die Meldungen, wonach die belgische Versicherungsgesellschaft Ageas vom chinesischen Unternehmen Fosun übernommen werden könnte. In einem offenen Brief haben jetzt mehrere renommierte Ökonomen davor gewarnt. Der zuständige OpenVLD-Vizepremier Alexander De Croo würde den Appell aber unterschreiben. L'Echo zitiert ihn mit den Worten: "Wir müssen unsere wirtschaftliche Sicherheit systematischer im Auge behalten".
Roger Pint