"Noch weiter in die Backen blasen", titelt Gazet van Antwerpen. "Wir stürzen uns auf Sommerprodukte", schreiben La Dernière Heure und Het Laatste Nieuws.
Europa ächzt weiter unter der Hitzewelle. In Belgien sollen heute und morgen stellenweise bis zu 36 Grad erreicht werden. Viele Zeitungen wiederholen deswegen noch einmal die gängigen Empfehlungen: ausreichend trinken, möglichst aus der Sonne bleiben, körperliche Anstrengungen vermeiden. "In Flandern wurden die Maßnahmen zur Wasserrationierung ausgeweitet", bemerkt Het Belang van Limburg auf Seite eins. Vielerorts ist es inzwischen auch verboten, etwa Pflanzen oder den Rasen zu gießen; und das Verbot gilt inzwischen auch für Grund- oder Regenwasser. "Und auch die Arbeitgeber sind gehalten, sich anzupassen", berichtet Le Soir auf Seite eins. Unternehmen sind gesetzlich dazu verpflichtet, gewisse Schutzmaßnahmen für ihre Mitarbeiter zu treffen. Es muss etwa dafür gesorgt werden, dass die Menschen nicht permanent der Sonne ausgesetzt sind; es müssen auch Erfrischungsgetränke zur Verfügung gestellt werden; gegebenenfalls müssen sogar die Arbeitszeiten angepasst werden.
Die Verbraucher haben inzwischen auch ihr Kaufverhalten angepasst, wie La Dernière Heure und Het Laatste Nieuws berichten. Der Verkauf von Speiseeis ist um 75 Prozent gestiegen, der von Mozzarella um 40 Prozent. Und Salat legte um 20 Prozent zu. Bei den Getränken wurden 55 Prozent mehr Sangria verkauft und 25 Prozent mehr Wasser.
Der Handelskrieg findet (vorerst) nicht statt
Auf vielen Titelseiten sieht man heute aber auch zwei Männer: nämlich den EU-Kommissionsvorsitzenden Jean-Claude Juncker und den US-Präsidenten Donald Trump. Beide sind gestern in Washington zusammengetroffen. "Und sie haben dabei das Kriegsbeil begraben", notieren Le Soir und La Libre Belgique auf Seite eins. "Tauwetter hat eingesetzt", schreibt auch De Standaard. De Tijd wird konkreter: "Trump und Juncker setzen den Handelskrieg aus". Grob zusammengefasst haben beide Seiten vereinbart, möglichst zu verhindern, dass man sich mit der Verhängung von Strafzöllen weiter gegenseitig hochschaukelt. "Trump überrascht mit friedlichen Tönen", wundert sich De Morgen auf seiner Titelseite. "Und plötzlich gab es Komplimente für den 'Feind'", frotzelt auch Het Belang van Limburg; Donald Trump hatte die EU ja noch kürzlich als "Feind" bezeichnet.
Die Zeitungen tun sich noch schwer damit, den Deal abschließend zu bewerten. "Trump trotzt Juncker Zugeständnisse ab", so etwa die Lesart von De Morgen. Aber wer will das schon wissen?, bemerkt L'Avenir sinngemäß. Donald Trump hat uns ja inzwischen daran gewöhnt, in regelmäßigen Abständen seine Meinung zu ändern. Dieser Mann genießt es, seinen Gesprächspartner im Vorfeld erst einmal Angst zu machen, etwa, indem er in einem Tweet schon die Resultate des Treffens vorwegnimmt und das dann auch gleich wieder mit Drohungen verbindet. Und auch, wenn ein Gespräch friedlich verlaufen ist, bleibt dieser Präsident eine Katze, die jederzeit wieder eine Maus braucht, um den Wählern vorzugaukeln, der Stärkste zu sein.
Dem EU-Kommissionspräsidenten ging es nicht nur um Zölle und Handelsabkommen, glaubt seinerseits Het Belang van Limburg. Mindestens genauso wichtig ist und bleibt die Frage, warum dieser US-Präsident solch destruktive Neigungen den Europäern gegenüber hegt. Trump fuchtelt mit Zahlen herum, die angeblich beweisen sollen, wie ungerecht die derzeitigen Handelsbeziehungen zwischen den USA und Europa doch sein sollen. Es ehrt die EU-Verantwortlichen, dass sie angesichts aller Beleidigungen aus dem Weißen Haus und der Unberechenbarkeit des US-Präsidenten ruhig geblieben sind – und dass sie sich auch nicht von Trump gegeneinander haben ausspielen lassen. Der sähe nämlich am liebsten ein gespaltenes Europa.
Wie spricht man mit einem verrückten Präsidenten?, fragt sich seinerseits rhetorisch De Morgen. Vielleicht, indem man möglichst wenig mit ihm spricht. In den letzten Tagen waren wohl die Gespräche wichtiger, die die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström geführt hat. Sie traf sich mit Wirtschaftsvertretern und Leuten aus dem erweiterten Umfeld des Präsidenten. Die haben möglicherweise auf den Präsidenten Einfluss genommen. Und das ist vielleicht der einzige Weg, um derzeit in Amerika etwas zu erreichen.
WM-Wettfieber
Bemerkenswerte Meldung, die heute auf vielen Titelseiten auftaucht: "Bei der WM haben die Belgier 334 Millionen Euro verwettet", schreiben L'Echo, Het Laatste Nieuws und Het Nieuwsblad. 150.000 neue Spieler haben sich bei den einschlägigen Online-Wettbüros angemeldet. "Die WM treibt das Wettfieber auf die Spitze", konstatiert auch De Standaard.
"Und die Politik hinkt hinterher", beklagt Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Während bei den Wettanbietern die Champagnerkorken knallen, haben die insgesamt sechs zuständigen Minister in diesem Land die Entwicklung offensichtlich verschlafen. Dabei warnen Suchtexperten schon seit längerer Zeit vor der wachsenden Beliebtheit der Sportwetten. So, wie es im Moment aussieht, wird sich daran aber erst einmal nichts ändern.
Tragen die Kunden eine Mitschuld?
Viele Zeitungen schließlich beschäftigen sich mit dem derzeitigen Streik beim Billigflieger Ryanair, der ja gestern begonnen hat. Noch bis heute Abend protestieren die Mitarbeiter gegen ihre Arbeitsbedingungen.
Und die sind tatsächlich katastrophal, findet La Libre Belgique. Die Billigtarife haben einen hohen sozialen Preis. Das Low cost-Modell bekommt aber sichtbare Risse, analysiert L'Echo. Die zynisch-ruppige Art und Weise, wie Ryanair-Chef Michael O'Leary sein Unternehmen führt, stößt an ihre Grenzen, weil jetzt nämlich auch die Kunden darunter zu leiden beginnen. Wenn O'Leary sein Modell nicht überdenkt, dann droht ihm ein Vertrauensverlust an allen Fronten. Aber tragen nicht auch die Kunden eine Mitschuld?, fragt sich Le Soir. Zu konsumieren, das ist auch ein Statement, eine bewusste Wahl. Die Verbraucher müssen sich darüber im Klaren sein, dass sie über ihr Kaufverhalten auch Sozialstandards nach unten ziehen können. Und weil wir alle letztlich in der Arbeitswelt sind, schießen wir uns damit auf Dauer in den eigenen Fuß.
Roger Pint