"Griechenland brennt", titelt Gazet van Antwerpen. "Griechische Tragödie", schreibt De Standaard auf Seite eins. Het Belang van Limburg formuliert es noch dramatischer: "Apokalypse in Griechenland".
Viele Zeitungen blicken schockiert nach Griechenland, das von ebenso verheerenden wie tödlichen Waldbränden heimgesucht wird. Die Fotos auf den Titelseiten sprechen Bände: In Griechenland ist buchstäblich die Hölle los. Man sieht regelrechte Feuerwände, die ganze Ortschaften verschlingen. "Nur im Meer waren wir noch sicher", so ein Überlebender in Het Nieuwsblad. Viele haben es aber nicht bis ins rettende Wasser geschafft. Bislang kamen mindestens 74 Menschen ums Leben; "darunter ist auch ein Belgier", bemerken Le Soir und Het Laatste Nieuws auf ihren Titelseiten. "Griechenland trauert", notiert denn auch La Dernière Heure. "Griechenland am Rande der Verzweiflung", schreibt auch L'Avenir auf Seite eins.
Die Ferienarbeit der Regierung
Innenpolitisch dreht sich heute derweil alles um das neue "Sommerabkommen", auf das sich die Regierung gestern in den frühen Morgenstunden geeinigt hatte. "Die Föderalregierung hat ihre Ferienarbeit fertiggestellt", stellt etwa L'Echo auf seiner Titelseite fest. "Es ist das letzte große Abkommen der Regierung Michel", titelt De Tijd. Herzstück des Sommerabkommens ist der Haushalt 2019; "die Regierung hat drei Milliarden Euro gefunden", konstatiert nüchtern La Dernière Heure. Darüber hinaus enthält das Sommerabkommen aber auch noch eine Reihe von Maßnahmen und Entscheidungen, die schon seit längerer Zeit in der Luft lagen. Eine Auswahl in Form von Schlagzeilen: "Regierung senkt Arbeitslosengeld", schreibt das GrenzEcho. "Gemeinnützige Arbeit für Arbeitslose – oder sie verlieren ihre Unterstützung", notiert Het Belang van Limburg. "Gehaltsentwicklung auf Grundlage von Leistung und nicht mehr von Dienstalter", fasst Le Soir sinngemäß zusammen.
Auf wackligen Beinen
Viele Zeitungen üben aber in ihren Titelzeilen auch schon hörbar Kritik an dem Abkommen: "Wieder in den Urlaub mit ganz vielen losen Enden", titelt etwa De Standaard. "Wer kann so etwas toll finden?", fragt sich De Morgen. Den Zeitungen ist das Sommerabkommen offensichtlich schlichtweg zu vage. Beispiel Arco: Die Regierung hat zwar eine Entschädigung der Arco-Teilhaber beschlossen. Dahinter stehen aber noch viele Fragezeichen. "Nehmen Sie das Angebot nicht an", empfiehlt ein Interessenverband den Geschädigten auf Seite eins von Het Nieuwsblad. Und darüber hinaus wetzen auch schon die Gewerkschaften die Messer: "Nach der Haushaltseinigung droht die FGTB damit, das Land lahmzulegen", berichtet etwa Le Soir auf seiner Titelseite.
Was ist nun von all dem zu halten? Einige Zeitungen geben der Regierung zumindest einen Vertrauensvorschuss. Natürlich steht das Sommerabkommen auf wackligen Beinen, meint etwa La Libre Belgique. Sein größtes Verdienst ist es aber erst einmal, überhaupt zu existieren. In der Tradition ihrer Vorgängerinnen hat auch die Regierung Michel einen ausgewogenen Kompromiss hinbekommen, der sich auf den ersten Blick auch sehen lassen kann. Dabei ist es dem Premierminister gelungen, die zum Teil sehr weit auseinander liegenden Positionen der Koalitionspartner unter einen Hut zu bringen. Ob das Sommerabkommen tatsächlich belastbar ist, oder doch auf Treibsand steht, das muss man abwarten – wait and see.
Nicht das letzte Wort
Gazet van Antwerpen sieht das ähnlich: Die Regierung packt zumindest die Probleme an. 28 Maßnahmen, allein, um in der Problematik der offenen Stellen und der Mangelberufe Abhilfe zu schaffen, wow! Dabei hatte man dieser Regierung doch eigentlich nachgesagt, dass ihr inzwischen der Wumms fehlt. Der Rest, der ist allerdings für später. Das Abkommen muss in den nächsten Monaten umgesetzt werden; und in der Zwischenzeit wird sich dann auch zeigen, ob, beziehungsweise inwieweit die Haushaltszahlen geschönt wurden. Dieses Sommerabkommen ist also in jedem Fall nur eine Zwischenetappe und nicht das letzte Wort.
Einige Zeitungen sind da durchaus kritischer: Michel und seine Minister pokern hoch, glaubt etwa De Standaard. Dieses Sommerabkommen besteht aus Dominosteinen: Funktioniert eine Maßnahme nicht, dann crasht auch gleich die nächste. Schließlich wurde der Erfolg der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen schon im Haushalt miteingerechnet. Es ist also ein "Wenn-alles-so-läuft-wie-es-laufen-soll-Abkommen".
"Ceci n'est pas un accord", so das vernichtende Urteil von Het Laatste Nieuws – dies ist kein Abkommen. Keines der Kapitel ist wirklich im Detail ausformuliert. Die Regierung bleibt in allen Punkten vage. Vieles ist reine Spekulation. Schwarze Magie, könnte man sogar sagen. Hätten wir noch eine wirkliche Opposition, sie würde hier einen leichten Sieg einfahren.
Warum müssen bei sommerlichen Verhandlungsrunden immer halbgare Abkommen herauskommen?, fragt sich auch genervt Het Nieuwsblad. Im Grunde wissen wir nicht einmal, wie die Regierung am Ende die erforderlichen 2,6 Milliarden Euro gefunden hat. Dabei hätte sie doch gewarnt sein müssen. Im vergangenen Jahr hatte man auch schon ein Sommerabkommen ausgebrütet. Das war so vage formuliert, dass man am Ende ein Winterabkommen brauchte, um den Koalitionsstreit zu beenden. Diesmal droht uns das gleiche Szenario.
Zynisch das Ganze, findet auch De Morgen. Wie soll man denn noch Politiker respektieren, die stolz Abkommen präsentieren, die zumindest in Teilen einfach unrealistisch sind. Beispiel Arco: Es ist nicht ersichtlich, warum die EU-Wettbewerbshüter der Entschädigung der Arco-Teilhaber nun plötzlich zustimmen sollten. Aber statt die problematischen Punkte zu präzisieren, verabschieden sich die Politiker jetzt in den Urlaub.
Mag alles stimmen, aber lasst uns doch das Glas mal halbvoll sehen, empfehlen demgegenüber L'Echo und Le Soir. Vieles mag nach Blendwerk aussehen, nach einem verspäteten Feuerwerk zum Nationalfeiertag, meint Le Soir. Man kann aber jetzt nicht alle Maßnahmen grundsätzlich verurteilen. Wenn man der Regierung eines zugutehalten muss, dann, dass sich sozioökonomisch etwas bewegt. Man kann der Regierung jetzt nicht vorwerfen, dass sie nichts tut, meint auch L'Echo. Und wenn die Opposition mit den Maßnahmen ein Problem hat, dann muss sie eben glaubwürdige Alternativen vorschlagen. Und diese nach einer gewonnenen Wahl auch umsetzen. Das nennt man eben Demokratie.
Roger Pint