"Vestager knöpft sich wieder ein amerikanisches Hightech-Unternehmen vor", titelt De Tijd. "Google kämpft jetzt um sein Geschäftsmodel", so die Schlagzeile auf Seite eins von De Morgen.
Die EU-Kommission hat ein Rekord-Bußgeld gegen den amerikanischen Internet-Giganten Google verhängt. Wegen Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Stellung muss das Unternehmen eine Strafe von 4,3 Milliarden Euro zahlen. Die zuständige EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hatte sich vorher auch schon mit Apple, McDonalds, Amazon und Starbucks angelegt.
Im Fall Google geht es konkret um das Smartphone-Betriebssystem Android. Im Regelfall sind hier diverse Google-Apps vorinstalliert. Und das Unternehmen ist sehr darauf bedacht, den Zugang für mögliche Konkurrenzprodukte einzuschränken.
"Ein freier Markt ist kein Dschungel"
"Und das geht so nicht", findet auch die Wirtschaftszeitung De Tijd. Ein freier Markt ist nämlich immer noch kein Dschungel, in dem das Recht des Stärksten, des Schlausten oder des Schnellsten gilt. Google ist ein mächtiges Unternehmen. Acht von zehn Smartphones auf der Welt laufen mit Android. Das gibt dem Konzern aber immer noch nicht das Recht, Konkurrenz mit allen Mitteln zu unterbinden. Ein freier Markt muss ein Ort bleiben, an dem die beste Idee gewinnen kann. Weder ein Staat, noch ein milliardenschweres Unternehmen dürfen diesen Weg versperren.
L'Echo sieht das genauso und zieht einen drastischen Vergleich: Die Strategie von Google gleicht der einer Mafia, in dem Sinne, dass der Kunde nur so lange im Spiel bleibt, wie er das Produkt des dominanten Akteurs kauft. Die EU-Kommission wendet hier jedenfalls nur allgemein bekanntes europäisches Wettbewerbsrecht an. Und doch ist die Entscheidung von Margrethe Vestager auch ein Zeichen dafür, dass die Kommission zunehmend politisch agiert. Die Vorgängerbehörde unter dem Vorsitzenden Barroso hat die amerikanischen IT-Konzerne in Ruhe gelassen. Resultat: Die durchaus vorhandene europäische Kreativität im Digitalbereich wurde damit im Keim erstickt.
Google indes will die Strafe nicht hinnehmen und hat Berufung angekündigt. "Ohnehin sorgt die Entscheidung bei Google nicht für schlaflose Nächte", bemerkt leicht resigniert Het Laatste Nieuws. Das Unternehmen verfügt über Rücklagen in Höhe von 100 Milliarden Euro; da machen vier Milliarden den Kohl nicht fett.
"Es könnte ein heißer Herbst werden"
"Michel muss sich auf Gewerkschaftsproteste einstellen", titelt derweil sinngemäß Le Soir. Die Föderalregierung plant einen neuen "Job-Deal", also neue Maßnahmen zur Belebung des Arbeitsmarktes. Vorgesehen ist dabei unter anderem auch, dass die Höhe des Arbeitslosengeldes schneller abnehmen soll, als das bisher schon der Fall war. In Le Soir reagieren Gewerkschafter empört. "Es könnte ein heißer Herbst werden", orakelt denn auch die Zeitung; zumal es ja auch noch eine Reihe anderer Aufreger gibt.
In seinem Leitartikel fällt Le Soir ein vernichtendes Urteil über die neuerlichen Pläne. Die Maßnahme ist unbegründet und ungerecht. In ihrer derzeitigen Form wird die Idee eines schneller abnehmenden Arbeitslosengeldes am Ziel vorbeischießen. Man wird den Eindruck nicht los, dass es sich hier um reine Provokation handelt. Hätte die Koalition einen heißen Herbst an der Sozialfront anzetteln wollen, sie hätte es nicht besser anstellen können.
Grünes Licht für Vorruhestandsregelung
Auch noch eine andere sozialpolitische Entscheidung sorgt heute für Diskussionsstoff. Der föderale Arbeitsminister Kris Peeters hat grünes Licht gegeben für eine Vorruhestandsregelung bei der Einzelhandelskette Carrefour. Demnach können im Rahmen der geplanten Umstrukturierung die Betroffenen mit 56 Jahren in Frühpension gehen. In den Genuss davon kämen 600 Mitarbeiter. Der flämische N-VA-Beschäftigungsminister Philippe Muyters hatte bis zuletzt versucht, die Regelung zu kippen. Und er gibt offensichtlich nicht auf: "Muyters will die Carrefour-Frühpensionierten mit aller Macht wieder in den Arbeitsmarkt integrieren", notiert etwa Het Nieuwsblad auf seiner Titelseite.
"Richtig so!", reagiert sinngemäß Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. 600 Mitarbeiter mit 56 Jahren aufs Abstellgleis zu stellen, das ist schlichtweg absurd. Viele Unternehmen suchen schließlich händeringend nach Personal. Die N-VA ist aber nicht in der Position, hier den Stab über den CD&V Vizepremier Peeters brechen zu dürfen. Der wendet nur das Gesetz an. Und dieses Gesetz hat die N-VA schließlich mit durchgewunken.
Ein Anfall von Wahlkampffieber?
Was wir hier erleben, das ist wohl ein neuer Anfall von Wahlkampffieber, diagnostiziert Het Nieuwsblad. Klar sehen wir hier ein unglückliches Signal. Aber warum sollte Peeters eine Maßnahme ablehnen, die im Gesetz vorgesehen ist? Man kann nur auf den 15. Oktober warten, den Tag nach den Kommunalwahlen, in der Hoffnung, dass diese unwürdigen politischen Spielchen dann wieder aufhören.
Het Belang van Limburg empfiehlt sogar, auch die Haushaltsberatungen bis zu den Kommunalwahlen auszusetzen. Die politische Klasse ist derzeit einfach zu nervös, um auch nur irgendeine Entscheidung zu treffen, die irgendwie politisch verwegen oder gefährlich wäre.
Das alles ist mal wieder typisch, meint De Standaard. Die geltende Vorruhestandsregelung ist nur eine von zahlreichen Zuständen, von denen jeder weiß, dass sie abgestellt werden müssen. Andere Beispiele sind die Atomkraftwerke oder die steuerliche Förderung von Firmenwagen. Nur will niemand derjenige sein, der diesen Fehlentwicklungen den Dolchstoß verpasst. Den Preis für diese politische Feigheit, den bezahlen wir alle.
Roger Pint