"Trump ergreift Partei für Putin, gegen seine eigene Justiz", schreibt heute die Wirtschaftszeitung L'Echo. Und deren flämische Kollegen von De Tijd berichten: "Zorn nach Trumps Auftritt mit Putin".
Viele belgische Tageszeitungen kommentieren heute das Treffen von Donald Trump und Wladimir Putin am Montag in Helsinki. Vor allem die Tatsache, dass Trump beim Thema russische Wahlbeeinflussung eher den Aussagen Putins vertraut, als den amerikanischen Geheimdiensten und der eigenen Justiz, wird von den Zeitungen stark kritisiert.
Le Soir meint: Indem er seine eigenen Behörden und die Justiz öffentlich diskreditiert, um dem russischen Präsidenten Recht zu geben, hat Donald Trump neue Maßstäbe gesetzt. Nun sind es nicht mehr seine Verbündeten, die er fallen lässt, sondern sein eigenes Land. Ab sofort können wir von einem abtrünnigen Präsidenten sprechen. Seine Wähler haben viele gute Gründe, beunruhigt zu sein, so Le Soir.
Ähnlich sieht es auch De Morgen: Trump hat hier plötzlich vergessen, dass er Staatsoberhaupt eines demokratischen Rechtsstaates ist, in dem die Gewaltenteilung herrscht. Als Präsident hätte er die Unabhängigkeit der Ermittlungen betonen müssen. In Helsinki jedoch, vor den Augen der Welt, nannte er die juristische Prozedur, nicht nur ein "Desaster für die USA", sondern bezeichnete sie sogar als "lächerlich", kritisiert De Morgen.
Ein gruseliges "Love-in"
Het Belang van Limburg findet: Der Gipfel in Helsinki war ein wirklich gruseliges "Love-in". Trump hat nochmal gezeigt, wie sehr er den starken Mann im Kreml bewundert und der russische Präsident gab zu, dass er Trump 2016 unterstützt hat, weil er die Beziehungen mit Moskau verbessern wollte. Dass Putin mit seinem amerikanischen Amtskollegen gut kann, ist verständlich. Der Führer des, von Moskau so verabscheuten westlichen Bündnisses, trägt mehr dazu bei, es zu spalten und zu zersetzen, als Putin es sich in seinen kühnsten Träumen hätte vorstellen können.
Trumps Tiraden auf dem Nato-Gipfel, seine Seitenhiebe gegen langjährige Partner, seine grobe Einmischung in den Brexit: Es klang so, als ob der Präsident während seines Europa-Besuchs austesten wollte, wieviel Schaden er in kürzester Zeit den Bündnissen zufügen kann, die seit Jahrzehnten für Stabilität und Frieden in Europa sorgen, analysiert Het Belang van Limburg.
Lieber Dialog auf Augenhöhe
Het Nieuwsblad sieht auch einen Grund dafür: Trump untergräbt aktiv alle multilateralen Institutionen, wie NATO, EU oder die Vereinten Nationen, die auf der Überzeugung gründen, dass Zusammenarbeit allen zu Gute kommt. Auf der Weltbühne respektiert er nur einzelne Großmächte und die starken Männer, die sie vertreten und mit denen er gerne Armdrücken spielt. Das ist die Welt von Trump. Eine Welt, in der starke Männer jede Konfrontation dazu nutzen, zu beweisen, wer den Längsten hat. Das ist nicht dumm, dass ist gefährlich, glaubt Het Nieuwsblad.
L'Echo beschäftigt sich deshalb auch mit den zukünftigen Beziehungen Europas mit Russland. Der Dialog mit Moskau ist lebensnotwendig, findet die Zeitung. Europa kann mit einer kontinuierlichen Öffnung der Grenzen und einer wirtschaftlichen, kulturellen und menschlichen Annäherung viel gewinnen. Dabei darf der Westen allerdings weder seine freiheitlichen und demokratischen Werte, noch die Menschenrechte aus dem Blick verlieren. Ein Dialog auf Augenhöhe. Der Gipfel in Helsinki war in diesem Punkt enttäuschend. Gegenüber einem völlig selbstbeherrschten Putin wirkte Trump schwach und dominiert. L'Echo hat dafür nur ein Wort: unreif.
Ein absoluter Albtraum
De Standaard beschäftigt sich in seinem Leitartikel mit dem belgischen Gemüse- und Fruchtgiganten Greenyard. Anlass ist die Rückrufaktion von Tiefkühlprodukten wegen möglicher Listeria-Bakterien in einer ungarischen Filiale. Neun Tote soll es in den letzten Jahren schon gegeben haben. Dazu meint die Zeitung: Was Greenyard hier erlebt, ist der absolute Albtraum jedes Unternehmens. Vor allem für eines aus dem Nahrungsmittelsektor. Die Greenyard-Gruppe verlor gestern an der Börse beinah ein Drittel ihres Wertes.
Es zeigt die Verletzbarkeit, wenn ein Unternehmen mit frischen, in diesem Fall eingefrorenen, Produkten arbeitet. Egal wie streng die Qualitätskontrollen sind, das Risiko einer Kontaminierung kann nie auf null reduziert werden. Es ist keine Frage von ob, sondern von wann. Und wenn es dann so weit ist, geht es darum, wie man dieser Krise die Stirn bietet. Jede Fehleinschätzung kann dann dramatische Folgen haben. Bei Greenyard kommt jetzt alles zusammen. Ein relativ begrenztes Problem in einer ausländischen Filiale bedroht die Reputation der ganzen Unternehmensgruppe.
Das rasend schnelle Wachstum, vor allem durch Übernahmen, macht das Unternehmen verletzlich. Die Strategie ist auf Schulden gebaut, und die können jetzt zum Mühlstein werden. Kaltblütigkeit und Glück werden nötig sein, um die Autonomie der Greenyard-Gruppe in dieser Krise zu bewahren. Und auch, wenn diese abgewendet wird, nichts wird so sein wie vorher. Die Anleger werden genauer hinschauen. Ungezügeltes Wachstum, wie in den vergangenen Jahren, wird viel schwieriger werden, prophezeit De Standaard.
Volker Krings