"Es ist wieder das Match unseres Lebens", titelt La Dernière Heure und zitiert damit den Mittelfeldspieler Nacer Chadli. "Die Roten Teufel sind bereit für das Spiel ihres Lebens", schreibt das GrenzEcho. "Entspannt vor dem Clash mit Frankreich", so die Schlagzeile von Het Belang van Limburg.
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Fast alle Zeitungen fiebern schon heute dem WM-Halbfinale entgegen, das morgen Abend in Sankt Petersburg steigen wird. Nächster Gegner für die Roten Teufel ist bekanntlich Frankreich. "Und das Match ist ein ganz besonderes", titelt sinngemäß La Libre Belgique. Nicht nur, dass es um einen Platz im WM-Finale geht, hier treffen schließlich auch zwei Nachbarländer zusammen, die sich sehr gut kennen. Das gibt dem Ganzen einen Derby-Charakter. "Aber unsere Geheimwaffe ist ein Franzose", bemerkt Het Nieuwsblad. Gemeint ist der frühere französische Top-Stürmer und Weltmeister von 1998, Thierry Henry. Henry gehört ja inzwischen zum Trainer-Stab um National-Coach Roberto Martinez.
Seit ihrem Sieg gegen Brasilien stehen die Roten Teufel jedenfalls im Rampenlicht, und das weltweit. "Die ganze Welt ist im Bann der Teufel", notiert etwa Gazet van Antwerpen auf ihrer Titelseite. "Stolz auf die Teufel, überall auf der Welt", so die Schlagzeile von L'Avenir. Die Spieler selbst bleiben aber offensichtlich auf dem Boden: "Stress? Was ist das?", schreibt etwa Het Laatste Nieuws. Das Land hingegen befindet sich in einer "süßen Euphorie", glaubt Le Soir und titelt: "Belgien träumt zusammen mit den Teufeln".
Fußball – eine Welt ohne "diskriminierende Filter"
Das ganze Land ist im Bann der Roten Teufel, notiert De Morgen in seinem Leitartikel. Der Rausch, den wir derzeit genießen, übersteigt aber das rein sportliche Geschehen. Bei dem Wort "Nationalgefühl" zuckt der Belgier zwar in der Regel zusammen, aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich das im Moment ein bisschen so anfühlt. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass diese Mannschaft ein bemerkenswert genaues Abbild der Bewohner dieses Landes ist. Flamen, Frankophone, Jungs mit ausländischen Wurzeln, der Inbegriff der Vielfalt. Fußball ist tatsächlich eine Welt ohne diskriminierende Filter. Da macht es keinen Unterschied, aus welchem Milieu man stammt, welche Sprache man spricht, welche Wurzeln man hat. Insofern sind unsere Roten Teufel ihrer Zeit voraus.
Wir sind eben doch erstmal Belgier und dann erst Flamen, meint auch Gazet van Antwerpen. Das sieht man im Übrigen auch in anderen Bereichen. Loïc Nottet und Blanche, die beiden frankophonen Beiträge zum Eurovision-Song-Contest, sie waren auch in Flandern äußerst beliebt. Die Tennis-Legende Justine Henin ist in Flandern genauso bekannt wie in der Wallonie. Charles Michel ist der populärste Politiker in Flandern, noch vor Theo Francken. Der Durchschnittsflame liebt Belgien, und das vielmehr, als es Bart De Wever und seiner N-VA lieb sein könnte. Klar gibt es Unterschiede zwischen dem Norden und dem Süden des Landes. Was uns aber vereint, das ist ein gemeinsames Bauchgefühl.
Nicht " België" oder "Belgique", sondern "Belgium"
Het Nieuwsblad hingegen weigert sich, irgendwelche Schlüsse zu ziehen. Selbst ein Weltmeister-Titel hätte überhaupt keine politischen oder gesellschaftlichen Folgen. Nicht zufällig skandieren wir nicht " België" oder "Belgique", sondern "Belgium". Auch die Tatsache, dass die Mannschaft multikulturell zusammengestellt ist, wird niemanden davon abhalten, weiterhin Belgier mit marokkanischen Wurzel zu diskriminieren. Fußball ist und bleibt eben ein Spiel. Und eigentlich ist das auch gut so. Was bleiben wird, das sind aber die schönen Erinnerungen. Und auch die Einsicht, dass es sich lohnt, an die eigenen Chancen und das eigene Können zu glauben.
Noch einmal zurück zum morgigen Halbfinale: Frage ist noch, wie viele Fans es nach Sankt Petersburg schaffen werden, um morgen im Stadion die Roten Teufel anzufeuern. Einige Nationalspieler hatten nach dem Sieg gegen Brasilien an die Fans appelliert, jetzt doch bitte scharenweise nach Russland zu kommen. "Die Rote Armee wird in Sankt Petersburg einfallen", meint etwa augenzwinkernd La Dernière Heure. Das allerdings ist auch Wunschdenken. Das Problem: Ein Last-Minute-Trip nach Russland ist sündhaft teuer, wie viele Blätter hervorheben.
"Mehr Fans in den Tribünen? Leichter gesagt als getan", bemerkt etwa Het Nieuwsblad. "Flugzeuge stehen bereit, jetzt brauchen wir nur noch Tickets", schreibt Het Laatste Nieuws. Davon gibt es aber nicht mehr genug. "Und deswegen wurde auch schon ein zusätzlicher Fan-Flug abgesagt", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins.
"Unser Kind heißt Eden"
Darüber ist La Dernière Heure richtig sauer. Einziger Wermutstropfen bei dieser WM ist die Tatsache, dass viele Fans es einfach nicht schaffen, ihren Helden zuzujubeln. Entweder es fehlen Flüge, oder schlicht und einfach die Mittel. Von Preisen von bis zu 1000 Euro allein für das Halbfinale ist da die Rede. Fußball ist ein Volksfest, aber die weniger Betuchten können nicht teilnehmen. Das hätte man besser machen können, man hätte tausende Fans noch glücklicher machen können.
"Unser Kind heißt Eden", sagt schließlich ein junges Elternpaar in Gazet van Antwerpen. Und da sind Lesley und Pieter nicht die einzigen. Wie Het Nieuwsblad vorrechnet, haben schon 450 Babys in diesem WM-Jahr den Vornahmen eines Nationalspielers bekommen. Eden, aber Thorgan, Dries, Vince, sie alle sind "teuflische Schätzchen", so Het Nieuwsblad.
Roger Pint