"Historisch!", titelt Gazet van Antwerpen. "Heldenhaft!", jubelt La Dernière heure. "Einfach unglaublich!", schreibt das GrenzEcho.
Ausnahmslos alle Zeitungen feiern heute den Sieg der Roten Teufel im WM-Viertelfinale gegen Brasilien. "Ja, das war Brasilien!", unterstreicht auch nochmal Le Soir auf seiner Titelseite. Die Mannschaft um Superstar Neymar galt als WM-Top-Favorit. Und spätestens nach dem 2:0 durch Kevin De Bruyne hatte die Seleção einen gewaltigen Druck aufgebaut. Die Roten Teufel ließen aber nur ein Gegentor zu, der Abpfiff wirkte dennoch wie eine Erlösung. "Aber sie haben es – verdammt nochmal – geschafft", so die fette Schlagzeile auf Seite eins von L'Avenir.
Einige Zeitungen bringen fast schon überschwängliche Superlative: "Göttliche Teufel", titeln etwa Het Laatste Nieuws und Het Belang van Limburg. De Standaard kann das noch toppen: "Die Teufel haben Gott geschlagen", schreibt das Blatt auf Seite eins. Zu sehen ist eine riesige belgische Flagge, mittendrin, ganz klein, der brasilianische Top-Stürmer Neymar.
"Die nächste Hürde heißt Frankreich", bemerken derweil sinngemäß De Morgen, L'Echo und De Tijd. Das Halbfinale gegen den südlichen Nachbarn steigt am kommenden Dienstag in Sankt Petersburg. Für einige Blätter ist das aber offensichtlich auch nur eine weitere Etappe. "Wir können diese WM gewinnen, glaubt Het Nieuwsblad, und titelt: "Es bleiben noch zwei Spiele".
"Ein perfektes Spiel"
Für die Sportkommentatoren der Zeitungen haben wir gestern von den Roten Teufeln "ein perfektes Spiel" gesehen. Nicht nur die Leistung der Spieler wird allgemein hervorgehoben, sondern auch die Taktik von Nationaltrainer Roberto Martinez. Der hatte nämlich kurzfristig sein Spielsystem umgestellt und dabei auch Schlüsselspieler auf neue, teilweise unerwartete Positionen gesetzt. "Der Plan von Martinez war absolut genial", so denn auch das einstimmige Urteil der Sportanalysten etwa in La Dernière Heure und Het Nieuwsblad.
"Was für eine tolle Leistung", jubelt auch L'Avenir in seinem Leitartikel. Eden Hazard und seine Mitspieler haben die Erwartungen und Hoffnungen eines ganzen Landes erfüllt. Damit sind sie jetzt auf einer Stufe mit Leuten wie Jean-Marie Pfaff, Eric Gerets, Enzo Scifo oder Franky Vercauteren, also der legendären Mannschaft von 1986, die damals in Mexiko sensationell das Halbfinale erreicht hatte. Gestern jedenfalls haben die Roten Teufel eine Tür ganz weit aufgemacht, die die wildesten Träume möglich erscheinen lässt, die vom Weltmeister-Titel.
"Jetzt aber bitte nicht schon ans Finale denken", warnt aber La Dernière Heure. Jetzt wartet erstmal Frankreich! Klar will jetzt jeder mehr, klar werden auch die Fans zu Siegesjunkies. Aber bitte konzentriert und fokussiert bleiben! Genießen wir lieber den Moment!
"Ja, das ist wirklich eine goldene Generation", findet auf jeden Fall Le Soir in seinem Kommentar. Seit Jahren schon wird diese Mannschaft von Experten über den grünen Klee gelobt. 2014 und 2016 konnten die Jungs aber die enormen Erwartungen nicht erfüllen. Diesmal haben sie ihr Rendezvous mit der Geschichte nicht verpasst, die roten Teufel haben sich als Mannschaft auf eine neue Ebene gehoben. Chapeau! Hut ab! Danke für die Emotionen.
Freudentaumel von Molenbeek bis Werchter
Nach dem Schlusspfiff in Kasan brachen in Belgien jedenfalls alle Dämme. "Was für ein Spiel, was für ein Fest", freut sich etwa Het Laatste Nieuws. "Belgien im Freudentaumel", schreibt La Dernière Heure. "Bekloppt! Bekloppt! Bekloppt!", meint Het Nieuwsblad. Gazet van Antwerpen hat ihrerseits einen "Samba Belgica" beobachtet. "Der Samba war rot", schreibt auch De Morgen. Apropos Samba: Den Brasilianern war natürlich so gar nicht zum Feiern zumute. "Der Samba wird zum Trauermarsch", so formuliert es Het Laatste Nieuws. Dennoch: Das Land steht Kopf. Vor den unzähligen Großbildschirmen feierten Hunderttausende den Einzug ins Halbfinale. "Und das von Molenbeek bis Werchter", bemerkt De Standaard.
An diesen magischen Sommer 2018 werden wir uns wohl noch lange erinnern, glaubt De Standaard. Beeindruckend ist dabei vor allem, wie unbelgisch die Belgier gerade sind, meint das Blatt sinngemäß. Erstmal die Mannschaft: Sie sind in das Spiel gegangen mit der Gewissheit, dass sie die Möglichkeiten haben, es zu gewinnen. Und diese Einstellung hat sich auf das halbe Land übertragen: Ein arroganzloses Wissen um die eigenen Stärken.
Viele sagen jetzt: Es ist nur Fußball, das wird ein Land nicht umkrempeln. Das stimmt natürlich! Man kann aber auch nicht behaupten, dass da nichts passiert, wenn Millionen von Menschen zur gleichen Zeit zusammen die Fäuste in die Luft heben, um einer Mannschaft zuzujubeln, mit der sie sich identifizieren. Für uns Belgier ist das fast schon unbekanntes Terrain: Plötzlich vergessen wir die für uns typische Selbstironie, weil wir gewinnen können, wollen und das dann auch tun.
Eine Botschaft an die Belgier?
L'Echo glaubt auch, dass irgendetwas hängen bleiben kann. Wie oft haben wir in den letzten Tagen Sätze gehört wie: "Och, gegen Brasilien rauszufliegen ist keine Schande, Hauptsache die Mannschaft zeigt eine gute Leistung und verlässt das Turnier erhobenen Hauptes. Die Hazards und Courtois haben uns jetzt gezeigt, dass ein Sieg möglich ist, wenn bei aller Bescheidenheit und Demut, die dem Land eigen sind, einfach nur der Ehrgeiz und die Ambitionen stimmen. Es kommt eben nicht nur auf die Größe eines Landes an, sondern auf die Talente seiner Bewohner. Die Roten Teufel haben also durchaus eine Botschaft an die Millionen von Belgiern, die da lautet: Nichts ist unmöglich, glaubt an euch und zieht euer Ding durch.
Belgier zu sein, das ist doch gar nicht so übel, meint sinngemäß Het Laatste Nieuws. Wir vergessen das nur allzu oft. Klar: Belgien ist ein Land, das zwar gerade ins Halbfinale einer WM eingezogen ist, das aber kein Stadion hat, das für die nächste EM 2020 geeignet wäre. Aber: Hier lässt es sich gut leben. Nirgendwo gibt es mehr Sternerestaurants oder mehr Freizeitparks je Quadratmeter. Sportlich haben wir nicht nur die Roten Teufel, es gibt auch eine Nafi Thiam, oder bis vor Kurzem auch noch Kim Clijsters und Justine Henin. Einen Eddy Merckx hatten wir auch mal. In der Tat: Seien wir mal lieber Belgier.
Der Leitartikel von Het Belang van Limburg liest sich da fast wie ein Fazit. Natürlich wissen wir alle, dass wir heute Morgen nicht in einem anderen Land aufgewacht sind. Natürlich wissen wir, dass "Belgium" bald wieder zu "Jupiler" wird. Das ist aber für später! Jetzt erstmal diesen fantastischen Sieg unserer Jungs genießen! Denn der gehört uns auch ein bisschen. Halbfinale, Sankt Petersburg, wir kommen!
Roger Pint