"Konstruktionsfehler am Kernkraftwerk Tihange", titelt Le Soir. Die belgischen Atomreaktoren sorgen also wieder für beunruhigende Schlagzeilen. Diesmal geht es um den Block Tihange 3. Wie Le Soir erfahren hat, sind Experten des Betreibers Engie Electrabel bei der Überprüfung der Struktur des Bunkers der Anlage auf Unregelmäßigkeiten gestoßen. Offenbar wurde ein Teil der Armaturen, die dem Gebäude zusätzliche Stabilität geben sollen, falsch platziert. Zumindest nicht dort, wo die Baupläne es vorgesehen hatten.
Frage ist jetzt, ob beziehungsweise inwieweit dadurch die Statik beeinträchtigt wird. In besagtem Bunker befinden sich unter anderem die Notfallsysteme. Entsprechend muss er allen denkbaren Extremsituationen standhalten können. So lange Engie Electrabel nicht beweisen kann, dass das gewährleistet ist, muss der Reaktor Tihange 3 auf Anordnung der Atomaufsichtsbehörde FANK vom Netz bleiben.
Strom: Bald 30 Euro teurer?
Um Elektrizität geht es auch auf Seite eins von L'Avenir: "Wird die Stromrechnung um 30 Euro teurer?", fragt sich das Blatt. Das jedenfalls empfiehlt die wallonische Regulierungsbehörde CWaPE. Nach Ansicht der CWaPE wäre eine solche jährliche Abgabe die einzige Möglichkeit, um die Kosten aufzufangen, die durch die Photovoltaik-Blase entstanden sind. Neben anderen hatte sich ja auch die Wallonische Region mit der Unterstützung von Solarstrom-Anlagen finanziell verzettelt.
Für die Wallonische Region ist das eine heiße Kartoffel, analysiert L'Avenir sinngemäß. Der zuständige Minister Jean-Luc Crucke weiß haargenau: Wenn er eine solche Abgabe einführt, dann wird er sich als Namensgeber verewigen, dann sprechen wir bald von der Crucke-Steuer. Nur bringt uns das nicht weiter. Man kann es Steuer nennen, Abgabe oder vielleicht "einmalige Pauschale", Fakt ist, dass jetzt alle Haushalte zur Kasse gebeten werden, um die Fehler der Vergangenheit auszubügeln.
Sterben wird zur "Nebenwirkung"
Viele Zeitungen beschäftigen sich auch heute noch mit der Flüchtlingsproblematik. "Die wahre Krise passiert auf See", bemerkt etwa De Standaard. Die Zahl der Flüchtlinge, die im Mittelmeer ertrunken sind, ist in den letzten Wochen dramatisch angestiegen. Man spricht von 565 toten Migranten allein in den letzten vier Wochen.
Das ist das Resultat einer zynischen Rechnung, meint das Blatt sinngemäß in seinem Kommentar. So schrecklich es klingt, aber die Lebenden sind für die EU-Staaten offensichtlich unangenehmer als die Toten. Jeder Migrant, der Europa nicht erreicht, ist ein Gewinn. Das ist auch das Resultat eines Paradigmen-Wechsels. Aufgescheucht von populistischen und extremistischen Parteien verschärfen die Länder ihre Migrationspolitik. Das geht soweit, dass sogar Hilfe für Migranten verdächtig wird; die Nicht-Regierungs-Organisationen, die Migranten vor dem Ertrinken retten wollen, stehen inzwischen vielerorts am Pranger. Der neue Konsens besteht offensichtlich darin, Europa möglichst unattraktiv zu machen. Das Sterben wird zur kläglichen Nebenwirkung einer angeblich energischen Politik. Einfach nur noch ekelhaft, meint De Standaard.
Munition für EU-Hasser
Apropos EU. Im EU-Parlament in Strasbourg ist eine Reform gescheitert, die den Abgeordneten mehr Transparenz auferlegen sollte. Konkret geht es um die Unkostenabrechnung der Parlamentarier. Hier handelt es sich nämlich um eine Pauschale von knapp 4.500 Euro pro Monat. Dafür müssen keinerlei Belege eingereicht werden. "Nein, wir dürfen die Rechnungen der EU-Parlamentarier nicht sehen", schreibt unter anderem anklagend Het Nieuwsblad.
"Das ist dümmer als dumm", wettert die Zeitung in ihrem Leitartikel. Die Europa-Parlamentarier liefern den EU-Hassern hier doch nur noch zusätzliche Munition. Transparenz hört doch nicht bei den Abgeordneten auf.
"Das ist eine Schande", tobt auch Het Laatste Nieuws. Diese Leute kassieren schon 8.000 Euro brutto pro Monat. Das reicht aber offensichtlich noch nicht. Obendrauf kommen dann pauschal nochmal 4.416 Euro, für die es keinerlei Rechtfertigung bedarf. Zeitgleich steht Europa von allen Seiten unter Beschuss. Populisten und ultra-Nationalisten rütteln an den Grundfesten der EU. Wenn die Parlamentarier nicht verstehen, dass auch sie sich Grenzen setzten müssen, dann wird die Lage langsam hoffnungslos. "Hört auf, darüber zu weinen, dass die EU kaputtgeht", wendet sich das Blatt an die Abgeordneten, "Kauft euch lieber einen Spiegel; aber bezahlt den bitte selbst".
Niederträchtig, rassistisch, islamophob
La Libre Belgique kommt zurück auf einen erschreckenden Vorfall, der sich am Montagabend in Anderlues, zwischen Mons und Charleroi, ereignet hat. Eine junge Frau war von zwei Männern angegriffen worden. Sie rissen der Muslima erst das Kopftuch ab, dann auch andere Kleidungsstücke und führten ihr dann diverse Stichwunden zu. Die Täter beschimpften die 19-Jährige mit islamophoben Parolen.
Das ist keine Meldung für die Rubrik "Verschiedenes", kein Delikt wie jedes andere, meint La Libre in einem entsetzen Leitartikel. Dieser niederträchtige, rassistische, islamophobe Akt hat sich ereignet in Belgien, in der Provinz Hennegau, während die große Mehrheit von uns den Sieg der Roten Teufel gegen Japan feierte. Eine solche Scheußlichkeit bei uns, in unseren Straßen, im Jahr 2018. Dagegen muss der Rechtsstaat mit voller Härte vorgehen. Anderenfalls entsteht hier eine Art Signalwirkung.
Roger Pint