Höchste Zeit, Kompromisse zu schließen
Gazet Van Antwerpen schreibt dazu, eigentlich ist ja das Ziel, eine Regierung für Anfang Oktober zu haben, doch bei dem heutigen Verhandlungstempo ist das unmöglich. 47 Tage nach den Wahlen gibt es noch immer keine echten Verhandlungen. Die Unterhändler tragen Wünsche vor und hören sich gegenseitig aufmerksam zu, während Di Rupo und De Wever ein Inventar des Gesagten aufstellen. Beide bleiben sie viel zu passiv, und das geht auch den verhandelnden Parteien langsam auf die Nerven. Es wird höchste Zeit, dass man sich aktiv auf die Suche nach Kompromissen macht.
De Morgen notiert im gleichen Kontext, zur Zeit sind nur zwei Dinge sicher: Die Liberalen befinden sich im Abseits und die Achse der kommenden Regierung werden die beiden Wahlsieger PS und N-VA bilden. Doch damit hört es auch schon auf. Die übertriebene Diskretion rund um die Verhandlungen soll zweifellos verbergen, dass noch so gut wie keine Fortschritte erzielt wurden. Die Entfernung zwischen PS und N-VA, so zitiert De Morgen einen Unterhändler, ist größer als die Distanz zwischen Mond und Erde.
Der Druck auf die Unterhändler wird größer
Het Nieuwsblad ist nicht ganz so pessimistisch mit dem Hinweis: Es ist übertrieben zu behaupten, dass noch nichts erreicht wurde. Es ist eine Tatsache, dass die Frankophonen hinsichtlich der flämischen Forderungen bereits Zugeständnisse gemacht haben. Der dabei erzielte Fortschritt beträgt jedoch nicht mehr als wenige Zentimeter, während die Kluft zwischen beiden Seiten mehrere Meter breit ist. Damit kommt die Regierungsbildung langsam, aber sicher in ein gefährliches Fahrwasser und der Druck auf die Unterhändler wird größer.
Zwei entscheidende Wochen
Le Soir zufolge ist die Situation zwar ernst, aber nicht hoffnungslos. Die nächsten zwei Wochen werden entscheidend sein. Danach kann Di Rupo eine weitere Verlängerung seines Auftrags wohl kaum noch beantragen. Weiter heißt es in Le Soir, die frankophonen Parteien am Verhandlungstisch begnügen sich mit einem Rahmenabkommen über die Staatsreform, während die Flamen ganz präzise Zusagen zu jedem einzelnen Kapitel ihrer Forderungen hinsichtlich der Staatsreform verlangen. Hierzu wird Di Rupo nunmehr Kompromissvorschläge vorlegen müssen.
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass zahlreiche Unterhändler eine Urlaubswoche einlegen wollen, heißt es in De Standaard, Urlaub muss man sich eigentlich erst verdienen, und das kann man von den Leuten, die mit Di Rupo und De Wever am Verhandlungstisch sitzen, vorerst nicht sagen. Man kann nur hoffen, dass nach der Ferienwoche wirklich Fortschritte erzielt werden. Noch sind die Spannungen unter Kontrolle und es gibt den Willen voranzukommen. Das ist sicherlich viel wert. Doch wenn nach der Urlaubswoche keine Fortschritte erzielt werden, könnten die Verhandlungen sehr schnell in einer Sackgasse landen.
Die Wahlsieger müssen mit gutem Beispiel vorangehen
Het Belang van Limburg fordert Di Rupo und De Wever auf, endlich konkrete und bezifferte Vorschläge vorzulegen und Kompromissbereitschaft zu zeigen. Als Sieger der Wahl müssen sie als erste zu Zugeständnissen bereit sein.
Vor diesem Hintergrund notiert Het Laatste Nieuws: Selten hat in den letzten Jahrzehnten mehr als heute auf dem Spiel gestanden: es geht um die Zukunft Belgiens, Flanderns, Brüssels und der Wallonie sowie um den Wohlstand von fast elf Millionen Einwohnern. Es wird also höchste Zeit, dass die Frankophonen endlich mehr Sinn für Eigenverantwortung, vor allem in finanzieller und sozialer Hinsicht, an den Tag legen.
Und was, wenn di Rupo scheitert?
La Libre Belgique stellt sich in ihrem Leitartikel die Frage: Was wird, wenn Di Rupo scheitert? Der Handlungsspielraum des Königs wäre dann äußerst gering, denn niemand vermag zu sagen, wen er dann noch mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragen könnte. Und wenn nach einem Scheitern echt keine Lösung mehr in Sicht ist, dann droht wirklich die offene Regimekrise mit unabsehbaren Konsequenzen. In der Tatsache, dass die Verhandlungspartner dies wissen, liegt zur Zeit wahrscheinlich die größte Aussicht auf einen Erfolg.
Dennoch will auch La Derniere Heure ein Scheitern der Di Rupo-Mission nicht ausschließen, weil sich die Forderungen von Frankophonen und Flamen schließlich als unvereinbar erweisen könnten. Sollte dies tatsächlich eintreten, dann braucht König
Albert II wohl mehr Fantasie als je zuvor, um Belgien nochmal aus der Sackgasse herauszuholen.
rkl/Bild: belga