"Europa arbeitet an Asyl-Zentren in Nordafrika", titelt De Standaard. "So viele Flüchtlinge wie noch nie", schreibt das GrenzEcho. "Weinendes Mädchen kann Trump nicht erweichen", so Het Laatste Nieuws. Die Titelseiten der Zeitungen sind geprägt von verschiedenen Aspekten der Flüchtlingspolitik. Auch die Kommentare widmen sich fast ausschließlich diesem Thema.
De Standaard meint zum Vorschlag des EU-Ratsvorsitzenden Donald Tusk, Auffangzentren für Flüchtlinge in nordafrikanischen Staaten einzurichten: Zwei Ereignisse der vergangenen Tage haben Tusk dazu bewogen, diese Idee jetzt ins Spiel zu bringen. Zum einen die Weigerung der italienischen Regierung, das Schiff "Aquarius" in einen italienischen Hafen einfahren zu lassen. Zum anderen der Streit in der Bundesregierung zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer. Das führt jetzt zu einem Rechtsruck in der europäischen Flüchtlingspolitik. Für uns in Belgien heißt das: Die N-VA hat gewonnen, ihre Vorstellungen werden jetzt nach und nach umgesetzt. Theo Francken hat mit seinen Äußerungen vor wenigen Tagen nur das klar ausgesprochen, was sowieso schon in der Luft lag, glaubt De Standaard.
Rechtsruck
Het Nieuwsblad schreibt: Dass plötzlich eine Lösung als wahrscheinlich gilt, gegen die sich die EU jahrelang mit Verweis auf die Menschenrechte gewehrt hat, ist nur durch eins zu erklären, nämlich durch die Angst, Wahlen zu verlieren. Die Vertreter der herkömmlichen Parteien versuchen damit, die Angst vor einem "Flüchtlings-Tsunami" zu bändigen, mit der populistische Parteien auf Stimmenfang gehen, analysiert Het Nieuwsblad.
Ähnlich das GrenzEcho: Es geht gar nicht um Flüchtlinge, es geht um ein ganz anderes Thema. Die Flüchtlinge müssen nur als Sündenbock herhalten. Von Belgien über Deutschland bis Italien, von Österreich über Frankreich bis Spanien sehen sich traditionell aufgestellte Parteien mit dem Aufkommen von Populisten und stramm konservativen bis rechts angehauchten Parteien und ihren Unterstützern einem Druck ausgesetzt, auf den viele Politiker mit dem eigenen Rechtsruck meinen antworten zu müssen, so das GrenzEcho.
Ein echtes Problem zu lösen
Die Wirtschaftszeitung L'Echo stellt fest: Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron und die Bundeskanzlerin Angela Merkel haben sich gestern auf Reformen für die Eurozone geeinigt. "Endlich" kann man da sagen. Denn in Europa muss es vorangehen. Macron und Merkel haben dadurch bewiesen, dass sie doch noch richtungsweisende Entscheidungen für die EU treffen können. Doch beim Thema Flüchtlingspolitik müssen sie diese Fähigkeit noch unter Beweis stellen. Dieses Thema wird den nächsten EU-Gipfel beherrschen. Die Debatte zur Eurozone wird dadurch leider in den Hintergrund gedrängt, bedauert L'Echo.
Le Soir warnt: Beim Thema Flüchtlinge haben die Staats- und Regierungschefs der EU ein echtes Problem zu lösen. Und sie bekommen gerade vor Augen geführt, wie sie es nicht lösen sollten: ein italienischer Innenminister, der die Roma in seinem Land registrieren lassen will, um sie dann aus dem Land zu schmeißen, und ein US-Präsident, der Kinder in Käfige sperrt. Flüchtlingen die Menschenwürde abzuerkennen und sie entsprechend zu behandeln – von solchen Ideen darf sich Europa nicht leiten lassen, findet Le Soir.
Unwürdig und unmenschlich
La Libre Belgique sieht vor dem Hintergrund des Vorgehens des US-Präsidenten gegen illegale Flüchtlinge die gleiche Gefahr. In den USA werden zurzeit Flüchtlingskinder von ihren Eltern getrennt und zum Teil in Käfigen eingesperrt. La Libre Belgique schimpft: Diese Politik von Donald Trump ist schlichtweg unwürdig und unmenschlich. Sie ist aber auch ein Spiegel eines Phänomens, das sich immer weiter verbreitet in der Welt: Flüchtlinge werden nicht mehr als Menschen wahrgenommen, sondern als Wesen, die man auf alle mögliche Arten erniedrigen kann. Auch in Belgien ist das so. Hier sollen Flüchtlinge ja bald eingesperrt werden. Sicher: Kinder sollen dabei nicht von ihren Eltern getrennt werden. Aber kann man das grundsätzlich machen: Unschuldige Kinder einfach einsperren?, fragt anklagend La Libre Belgique.
Het Laatste Nieuws notiert: Dass Trump das Klimaabkommen aufkündigt, seine Atomwaffenpolitik betreibt und Handelskriege anfängt: alles schön und gut. Das kann er ruhig machen. Aber dass er Kinder in Käfige sperrt, das geht entschieden zu weit. Wie unmenschlich kann man sein? Hier geht es um Grundwerte eines jeden Menschen. Und diese Grundwerte werden gerade von einer Nation mit Füßen getreten, die sich gerne als moralisch überlegen in der Welt darstellt, wettert Het Laatste Nieuws.
L'Avenir hält fest: Heute ist der Weltflüchtlingstag. Pünktlich zu diesem Anlass meldet die UNO, dass es mit 68,5 Millionen Menschen noch nie so viele Flüchtlinge gab wie heute. Alle Maßnahmen, der Flüchtlingsproblematik Herr zu werden, sind bislang gescheitert. Neue, globale Ansätze müssen gefunden werden. Denn die Flüchtlingskrise wird weitergehen. Sie ist ein dauerhaftes Phänomen, das verantwortungsvolle politische Antworten erfordert, mahnt L'Avenir.
Kay Wagner