"Mission erfüllt", titelt L'Avenir. "Die Roten Teufel erfüllen Pflichtaufgabe", schreibt auch das GrenzEcho. "Getan, was getan werden musste", so die Schlagzeile von Het Belang van Limburg. "... aber nicht mehr", scheint La Libre Belgique hinzuzufügen.
Nüchterne Schlagzeilen für einen Arbeitssieg. Zwar hat die Nationalmannschaft ihr erstes WM-Gruppenspiel gegen Fußball-Zwerg Panama mit 3:0 gewonnen. Die Roten Teufel haben aber nicht jeden wirklich überzeugen können. Le Soir spricht denn auch von einem "sanften Einstieg". Es gibt aber auch deutlich positivere Schlagzeilen: "Es geht sehr gut los", notiert etwa La Dernière Heure. "Glänzender Auftakt für die Roten Teufel bei der WM", jubelt auch L'Echo.
Auf fast allen Titelseiten sieht man natürlich die beiden Torschützen, Dries Mertens und Romelo Lukaku. "Klasse, Dries, klasse Romelo", gratuliert Het Laatste Nieuws. "Die Erlöser", meint erleichtert Het Nieuwsblad. Die Schlagzeile von De Morgen mag heute als Fazit durchgehen: "Das macht Lust auf mehr".
Alle Zeitungen sind sich einig, dass die erste Halbzeit, abgesehen vom vielversprechenden Auftakt, eher mau war. "Eine Halbzeit Frust, eine Halbzeit Genießen", so fasst Het Nieuwsblad den Spielverlauf zusammen. Und fügt hinzu: "Zum Glück haben wir noch unsere Klasse". "Der Hauch eines Zweifels hat uns beschlichen", meint auch La Dernière Heure in ihrem Sportkommentar. Gewonnen haben die Roten Teufel jedenfalls nicht aufgrund von besonders gut geölten Spielzügen, sondern durch geniale Einzelaktionen. Das alleine wird nicht reichen, um ins Halbfinale zu kommen. Vielleicht müssen wir Zuschauer uns aber auch an die eigene Nase fassen: Haben wir nicht unsere Mannschaft einfach nur zu groß gesehen? Fest steht jedenfalls, dass die Jungs bei aller Klasse noch nachbessern müssen.
Het Laatste Nieuws beschäftigt sich seinerseits mit der reinen Zusammensetzung der Mannschaft und sieht darin quasi ein Symbol. Als Romelo Lukaku sein zweites Tor machte, hat da der Vlaams Belang-Politiker Filip Dewinter auch wieder an das Wort "Neger" gedacht, das er kürzlich noch bewusst provokativ im Parlament in den Mund nahm? Andererseits gibt es viele, die in der Super-Vielfalt der Roten Teufel ein neues Ideal sehen, die Blaupause für ein multikulturelles Gesellschaftsmodell, eine neue Belgitude ist. Das ist wohl ein frommer Wunsch. Wäre das nämlich so, dann würden die "Goldenen Jahre" der Roten Teufel wohl nicht zusammenfallen mit den "Goldenen Jahren" der N-VA.
Das "deutsche Drama"
Neben der wichtigsten Nebensache der Welt gibt es heute aber durchaus ernstere Themen: "Der deutsche Asylstreit stürzt die EU in den Krisenmodus", titelt etwa De Standaard. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat noch zwei Wochen Zeit, ihre Regierung zu retten. Im Raum steht ein Ultimatum des CSU-Innenministers Horst Seehofer, der, grob zusammengefasst, die deutschen Grenzen für Flüchtlinge schließen will. Merkel rechnet jetzt auf die Unterstützung ihrer europäischen Partner. Ende des Monats findet ja ein zweitägiger Sondergipfel statt, bei dem die europäische Flüchtlingspolitik im Mittelpunkt stehen wird. "Merkel hat zwei Wochen, um ihr Amt zu retten", notiert auch Le Soir auf Seite eins. Das allerdings ist eine "Mission impossible", fügt das Blatt kommentierend hinzu.
De Morgen spricht in seinem Leitartikel denn auch vom "deutschen Drama". Seehofer und seine CSU wollen offensichtlich mit Blick auf die bayrische Landtagswahl im September der AfD das Wasser abgraben. Die Seehofer-Offensive kommt für Merkel jedenfalls zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Würde man Seehofers Pläne umsetzen, dann würden die EU-Partner nämlich vor vollendete Tatsachen gestellt und der Brüsseler Asyl-Gipfel noch zusätzlich torpediert. Andererseits verfügt sie jetzt aber auch über einen starken Hebel: Durch die innenpolitische Krise in Deutschland erhöht sich der Druck auf die anderen Staats- und Regierungschefs, die eigentlich nicht anders können, als Merkel einen ehrenvollen Kompromiss zu ermöglichen.
Verweigerung der Menschlichkeit
Het Nieuwsblad wirft einen nachdenklichen Blick auf die jüngsten Ereignisse. Neben der Krise in Deutschland macht ja auch der italienische Innenminister mit einer neuen Anti-Roma-Kampagne von sich reden. Und in Amerika wird über die derzeit praktizierte Trennung von Flüchtlingskindern von ihren Eltern hitzig diskutiert. Het Laatste Nieuws bringt auf seiner Titelseite ein Foto, begleitet von dem Begriff "Kinderlager".
"Wir können alles infrage stellen", meint dazu Het Nieuwsblad: die europäische Asylpolitik, selbst internationale Verträge. Was aber niemals in Frage gestellt werden darf, das ist die fundamentale Menschlichkeit, auf die jeder Mensch Anrecht hat. Eine resolute Abschreckungspolitik etwa wird die Flüchtlinge nicht abhalten, sondern allenfalls dazu führen, dass noch mehr Menschen im Mittelmeer ertrinken. Schreckliche Umstände für Mitmenschen zu schaffen, bleibt nicht ungestraft. Wer anderen die Menschlichkeit verweigert, der verliert selbst an Menschlichkeit.
Aufwertung der Sozialpartner und des sozialen Dialogs
Einige Blätter schließlich beschäftigen sich mit der jüngsten Jobinitiative von Premierminister Charles Michel: Der hat gestern die sogenannte Zehnergruppe aus Arbeitgebern und Gewerkschaften dazu angehalten, das Problem des Fachkräftemangels und der offenen Stellen anzugehen. Damit hat der Regierungschef diese Thematik demonstrativ auf die politische Agenda gesetzt, analysiert Le Soir. Es gibt da aber noch weitere Interpretationsebenen: Erst einmal wertet Michel damit die Sozialpartner und damit den sozialen Dialog wieder auf. Zugleich rückt er seine Regierung wieder ein bisschen mehr ins Zentrum, was der CD&V gefallen dürfte. Vielleicht positioniert sich der Premier hier schon für eine mögliche Neuauflage seiner Koalition.
Roger Pint