"Die Stunde der Wahrheit", titelt Le Soir. "Es wird ernst", schreibt das GrenzEcho. "Endlich sind wir an der Reihe", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. Bei der Fußball-WM haben heute die Roten Teufel ihren ersten Auftritt. Im ersten Gruppenspiel geht es gegen Fußball-Zwerg Panama.
"Und die Teufel sind bereit!", bemerkt Het Belang van Limburg auf Seite eins. "Die Nationalmannschaft will gleich zum Auftakt eine Marke setzen", ist La Libre Belgique überzeugt. De Standaard ist präziser: "Selbstsichere Rote Teufel wollen einen besseren Start als Deutschland und Brasilien", glaubt das Blatt. Brasilien ist gestern gegen die Schweiz nicht über ein Unentschieden hinausgekommen, Titelverteidiger Deutschland verlor sogar mit 0:1 gegen Mexiko. Gazet van Antwerpen bringt dazu ein originelles Wortspiel, sogar auf Deutsch: "Mannschaft das nicht".
Die Zeitungen sind aber überwiegend zuversichtlich, dass die Roten Teufel sich gegen Panama durchsetzen werden. De Morgen nennt das heutige Spiel ein "Häppchen vorab". "Zeit für den Aperitif", meint auch Het Laatste Nieuws. La Dernière Heure wendet sich direkt an die Mannschaft: "Eden Hazard und die Roten Teufel, zeigt uns ein Feuerwerk!", fordert das Blatt.
Um 17 Uhr steht das ganze Land still
"Ab jetzt geht es um alles!", meint das GrenzEcho in seinem Kommentar. In Russland macht sich die "goldene Generation" auf, ihr unglaubliches Talent in etwas Zählbares einzutauschen. Der Moment dafür scheint ideal. Alle wissen aber, dass das heute gegen Panama kein Selbstläufer wird. Ein Sieg ist dennoch Pflicht.
"Jetzt oder nie", meint auch La Libre Belgique. Natürlich gibt es Wichtigeres als Fußball. Aber lasst uns doch einmal für den Moment die mitunter deprimierende Tagesaktualität vergessen, wenn nicht für den Fußball, dann zumindest für das Gemeinschaftsgefühl. Bleibt nur zu hoffen, dass die Spieler sich ganz in den Dienst der Mannschaft stellen, dass sie ihr Ego zurücknehmen, dass sie einen Monat lang vergessen, dass sie letztlich verwöhnte Kinder sind, dass sie eine Einheit bilden, die nur ein Ziel verfolgt. Das sind sie dem Land schuldig, das ihnen im Wesentlichen diesen Traum ermöglicht hat. "Bringt uns zum Träumen!", wünscht sich La Libre.
Einige Fans wollen den Traum jedenfalls live erleben und haben sich auf den Weg nach Sotschi gemacht, wo die Roten Teufel am späten Nachmittag um 17 Uhr belgischer Zeit auflaufen werden. Tausend Belgier sollen es sein, glaubt La Dernière Heure zu wissen. Doch auch in der Heimat laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren.
Unter anderem Het Nieuwsblad und Het Belang van Limburg bringen einige vielsagende Zahlen: Am Start sind drei Millionen Liter Bier, 210 Tonnen Chips und Cocktailwürstchen mit einer Gesamtlänge von 26 Kilometern. Und das sind allein die Zahlen der Supermarktkette Colruyt. "Und um 17 Uhr steht das ganze Land still", sind beide Blätter überzeugt. Beim Limonadenhersteller Coca-Cola werden etwa die Bänder stillstehen, auch im Hauptsitz von Proximus in Brüssel kann das Personal das Spiel auf einem Großbildschirm verfolgen. Die Verkehrsleitstellen rechnen mit einem ruhigen abendlichen Berufsverkehr.
Politische Reife ist kein Luxus
Es gibt heute aber auch noch ernstere Themen. 630 Flüchtlinge sind im spanischen Valencia eingetroffen. Ihr Schicksal steht sozusagen stellvertretend für die Verwerfungen innerhalb der EU in Bezug auf die Flüchtlingspolitik. Auch Asylstaatssekretär Theo Francken setzte gestern wieder den ein oder anderen giftigen Tweet ab. Unter anderem sprach er illegalen Einwanderern das Recht ab, noch Asyl in Europa zu beantragen, wie Het Laatste Nieuws noch einmal hervorhebt.
Solche Aussagen dienen in erster Linie dazu, die Umfragewerte der N-VA wieder nach oben zu treiben, glaubt die Zeitung. Damit würde die EU aber ihre eigenen Grundwerte verraten. Hier geht es nämlich nicht nur um Wirtschaftsflüchtlinge, sondern auch um Menschen, die sich vor Kriegen in Sicherheit bringen wollen. Und darüber darf nicht gefeilscht werden. Das Recht auf Asyl ist universell. Leider ist es im derzeitigen politischen Klima nicht mehr möglich, darüber eine vernünftige Debatte zu führen.
Die letzten Tage waren buchstäblich zum Verzweifeln, meint Le Soir. Im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsschiff "Aquarius" haben viel zu viele politische Entscheidungsträger sich für den unverantwortlichen Weg entschieden, indem sie nicht aufhören, mit dem Feuer der öffentlichen Meinungen zu spielen. Da werden vermeintlich einfache Lösungen in den Raum gestellt, von denen jeder weiß, dass sie weder legal, noch realistisch, noch umsetzbar sind. Trauriges Beispiel in Belgien war eben der N-VA-Asylstaatssekretär Theo Francken. Wir brauchen jetzt in ganz Europa Politiker, die ihrer Verantwortung gerecht werden. Politische Reife ist kein Luxus, sondern eine absolute Notwendigkeit.
Das Ende der Europäischen Union
In diesem Zusammenhang blicken viele Zeitungen auf die Situation in Deutschland. "Merkel wankt wegen der Flüchtlingspolitik ihres Innenministers", so formuliert es etwa De Morgen. Het Laatste Nieuws ist drastischer: "Uneinigkeit in der Flüchtlingspolitik kann Merkel zu Fall bringen", schreibt das Blatt auf Seite eins. De Standaard bringt ein Porträt des CSU-Innenministers und bemerkt: "Horst Seehofer pokert hoch". Für De Morgen steht der deutsche Koalitionsstreit aber nur stellvertretend für das allgemeine Klima in Europa.
Wir haben ein Problem, meint Het Belang van Limburg. Das ist nicht mehr wegzudiskutieren. Schuld sind unter anderem die östlichen EU-Staaten, die sich stur weigern, einen Teil der Last der Flüchtlingskrise mitzutragen. Dieser Mangel an Solidarität ist Gift, die jüngsten Entwicklungen in Italien sind der beste Beweis dafür. Und jetzt sogar Deutschland. Wenn Horst Seehofer seine Pläne in die Tat umsetzt, dann wäre das auf Dauer das Ende der Europäischen Union, wie wir sie heute kennen.
Roger Pint