"Flüchtlingskrise spaltet Regierung Merkel", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins. "Deutsche Regierung wankt", notiert De Tijd auf ihrer Titelseite. Und Het Nieuwsblad fragt: "Schafft Angela das noch?"
Den aktuellen Streit um die Flüchtlingspolitik in Deutschland nehmen viele Zeitungen zum Anlass, sich generell Gedanken zum Umgang der europäischen Staaten mit dieser Frage zu machen.
De Standaard stellt besorgt fest: Wenn das führende Land der Europäischen Union seine Grenzen schließen sollte, werden andere Länder sich legitimiert sehen, das auch zu tun. Dann bleibt von europäischer Solidarität nichts mehr übrig, und jeder denkt nur noch an sich. Die Chance, dass auf dem EU-Gipfel Ende des Monats eine Lösung für die Flüchtlingsproblematik gefunden werden könnte, würde dadurch unmöglich, prophezeit De Standaard.
Auch Le Soir fragt: Wie soll man in der aktuellen Situation noch an eine Lösung auf dem EU-Gipfel glauben? Die Meinungsverschiedenheiten beim Thema Flüchtlinge sind zu groß und zu zahlreich. Merkel kämpft in Berlin mit ihrem eigenen Koalitionspartner. Österreichs Kanzler Kurz träumt von einer Achse Berlin-Rom-Wien. Frankreichs Macron und Italiens Conte liegen im Clinch. Die Aufgabe für den EU-Gipfel ist extrem schwierig, schlussfolgert Le Soir.
Gegen Populismus muss man vorgehen
Ähnlich L'Avenir: Die Staaten der Visegrád-Gruppe, also Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei, dazu Österreich, Italien, aber auch Dänemark und die Niederlande: Aus all diesen Ländern hört man harsche Töne gegen den Zustrom von Flüchtlingen. Ideen, wie jetzt gerade von der CSU in Deutschland favorisiert, finden dort Zustimmung. Der französische Präsident Emmanuel Macron wird es sehr schwer haben, Unterstützer für seine gegenläufigen Pläne zu finden. Aber Populismus kann man nur besiegen, indem man gegen ihn vorgeht. Nicht, indem man ihn fürchtet, weiß L'Avenir.
La Libre Belgique meint: So überraschend das auch in unserer Zeitung klingen mag, aber Italien hat Recht. Dass die Regierung sich geweigert hat, dass Schiff mit 629 Migranten anlegen zu lassen, ist ein Akt der Verzweiflung. Mehr als drei Jahre lang hat die Europäische Union Italien alleine gelassen mit dem Flüchtlingsproblem. Auch ein Land wie Frankreich, wo Präsident Macron jetzt mit scharfen Worten das italienische Handeln kritisiert hat, hat sich nicht an die Verpflichtung gehalten, Italien zu helfen. Dass Merkel, Macron und Michel jetzt mit Populisten über eine gemeinsame Flüchtlingspolitik verhandeln müssen, haben sie durch ihre Untätigkeit selbst mitverschuldet, analysiert La Libre Belgique.
Das GrenzEcho schreibt: Eigentlich wäre jetzt der richtige Moment, nach vorne zu preschen und Europa endlich den Platz zu sichern, den es in der Welt längst hätte einnehmen müssen. Doch was geschieht? Die EU kümmert sich um ihre inneren Befindlichkeiten, allen voran die Flüchtlingsproblematik. Wenn die EU es nicht schafft, das Thema Migration zu lösen, verpasst sie die Chance, den vakanten Platz auf dem internationalen Parkett einzunehmen. Schlimmer noch: Die EU droht an dem Thema Migration zu zerbrechen, befürchtet das GrenzEcho.
De Morgen ist sich sicher: Von jetzt auf gleich lässt sich die Flüchtlingswelle nach Europa sowieso nicht stoppen. Langfristig werden auch Milliarden Euro an afrikanische Länder nicht reichen, um den Aufbruch von Flüchtlingen nach Europa zu verhindern. Allein schon die demographische Entwicklung legt es nahe, dass viele Afrikaner auch künftig den Weg nach Europa suchen. Migration hat es immer gegeben in der Geschichte der Menschheit. Die Frage ist, wie wir damit umgehen, meint De Morgen.
Muss uns das Angst machen?
Het Belang van Limburg macht sich Gedanken zu Äußerungen von Herman De Croo: Der Altpolitiker der OpenVLD hatte gesagt, dass in 13 Jahren 70 Prozent der Antwerpener Wähler einen Migrationshintergrund haben werden. Und dass dann auch der Bürgermeister der Scheldestadt sehr wahrscheinlich keine belgischen Wurzeln mehr haben wird. Dazu meint das Blatt: Das Phänomen wird nicht auf Antwerpen beschränkt bleiben. Auch in anderen Städten Belgiens werden immer häufiger Bürgermeister mit Migrationshintergrund regieren.
Muss uns das Angst machen? Der Blick ins Ausland sagt uns: Nein! Auch Städte wie London und Rotterdam haben Bürgermeister mit ausländischen Wurzeln. In Rotterdam ist Ahmed Aboutaleb ein Star. Denn er bekennt sich eindeutig zu den Werten der niederländischen Gesellschaft und führt eine Politik, die die Bürger begeistert. Die Herkunft eines Bürgermeisters wird künftig nicht wichtig sein. Es wird das Talent sein, das zählt, beruhigt Het Belang van Limburg.
Der König sollte nicht in Putins Hände spielen
Zur Fußball-WM in Russland fordert Het Nieuwsblad: König Philippe sollte darauf verzichten, zum Spiel der Roten Teufel gegen Tunesien nach Moskau zu fliegen. Denn damit würde er in die Hände von Russlands Präsident Putin spielen. Dem ist die Weltmeisterschaft ja nicht wegen des sportlichen Gehalts wichtig. Putin geht es um Politik: Er will Anerkennung für sein Land, das auf der internationalen Bühne zurzeit eher isoliert ist und in der Kritik steht. König Philippe sollte besser ein Public Viewing in seinem Schlosspark in Laeken organisieren, rät Het Nieuwsblad.
Kay Wagner