"Francken auf der Strafbank", titelt heute Het Belang van Limburg. Hintergrund ist die Standpauke von Premierminister Charles Michel für seinen Staatssekretär für Asyl und Migration Theo Francken gestern Nachmittag in der Kammer. Anlass waren dessen Aussagen, Flüchtlinge, die übers Mittelmeer nach Europa kommen, zurückzuschicken und mit diesen sogenannten "push-backs" den Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention zu umgehen.
Die Zeitung fragt sich: Was bewegt einen äußerst intelligenten Mann wie Theo Francken dazu, seinen Premier und Koalitionspartner immer wieder aufs Neue zu brüskieren? Der Grund ist ganz einfach: Die Wahlen. Als flämischer Halb-Gott weiß Francken, dass noch viel Raum ist, den harten N-VA-Standpunkt in Sachen Asyl und Migration in die Regierung hinein zu schmuggeln. Wie kein anderer weiß er, das Bauchgefühl so mancher flämischer Wähler zu berühren.
Mit Inhalt, aber oft auch mit populistischen Aussagen, die man eher an der Theke erwarten würde. N-VA-Kronprinz Theo weiß nur allzu gut, dass er ungeniert angreifen kann, ohne Angst vor einem Gegentor. Sein Verschwinden aus der Regierung wäre nämlich genau dieses Gegentor, das CD&V, OpenVLD und MR auf keinen Fall erzielen wollen. Das würde zu Neuwahlen und zu Schlagzeilen wie "Theo ist Gott" führen, prophezeit Het Belang van Limburg.
Belgien bald am runden Tisch?
L'Avenir kommentiert die Bewerbung Belgiens für einen der nichtständigen Sitze im UN-Sicherheitsrat. Dazu meint die Zeitung: Auch, wenn die heutige Abstimmung in der Vollversammlung geheim ist, und auch nicht alle Unterstützungsversprechen immer in die Tat umgesetzt werden, kann man davon ausgehen, dass Belgien für die nächsten zwei Jahre am wohl berühmtesten runden Tisch der Welt Platz nehmen wird. Wenn auch der Einfluss der nichtständigen Mitglieder relativ ist, es gibt ihn. Jede wichtige Entscheidung muss nämlich von neun der 15 Mitglieder validiert werden.
Darüber hinaus: Sitzt ein Land mit am Tisch, dann nimmt es an vorderster Front an allen Versammlungen und vorbereitenden Diskussionen teil. Nichtständiges Mitglied zu werden, ist also eine einmalige Gelegenheit auf der internationalen Bühne anerkannt zu werden und seinen diplomatischen Einfluss bei brisanten Themen zu demonstrieren. Die Länder, die für die Kandidatur Belgiens stimmen, tun dies aufgrund unserer Erfahrung und langen diplomatischen Tradition. Belgien ist für seine Expertise in Sachen Konsens und Kompromiss weltweit anerkannt, analysiert L'Avenir.
Gewerkschaften laufen die Mitglieder davon
"Wer braucht noch eine Gewerkschaft?", fragt sich Gazet van Antwerpen. Anlass für diese Frage ist der große Mitgliederschwund. Fast 90.000 Gewerkschaftsmitglieder haben zwischen 2014 und 2016 ihre Mitgliedschaft gekündigt. Dazu die Zeitung: Die Zahlen zeugen von einem großen Opportunismus bei den Gewerkschaftsmitgliedern. Sie werden Mitglied, wenn sie die Gewerkschaft nötig haben. Sobald das nicht mehr der Fall ist, sind sie weg. Immer mehr Menschen sind anscheinend davon überzeugt, dass sie keine Gewerkschaft brauchen.
Und Immer mehr Menschen sind auch unzufrieden mit dem Angebot der Gewerkschaften und ihrer Haltung gegenüber der Politik, heißt es. Entweder sind sie nicht streng genug gegenüber der Regierung, oder sie machen zu wenig Opposition. Die Folge ist auf jeden Fall, dass die Gewerkschaften schwächeln, und das genau jetzt, wo wir vor gigantischen sozialen Herausforderungen stehen: Renten, Digitalisierung, soziale Sicherheit und so weiter. Gerade jetzt müssten die Gewerkschaften eine wichtige Rolle spielen, aber es sieht so aus, dass viele Menschen der Ansicht sind, diese Rolle nicht gut zu erfüllen.
Vielleicht sollten die Gewerkschaften aufhören, ihr allseits bekanntes politisches Spiel zu spielen, aufhören in ihrem Bestreben alles behalten zu wollen, was jemals gewesen ist. Vielleicht sollten sie den sozialen Dialog auf konstruktive Weise führen und sich beim Aufbau eines neuen Sozialsystems unentbehrlich machen. Das ist die einzige Chance, eine weitere Flucht der Mitglieder zu verhindern, glaubt Gazet van Antwerpen.
Finanzieller Anreiz reicht nicht
"Ein Bonus für eine Ausbildung in einem Mangelberuf", titelt heute Le Soir. Pieter Timmermans, Chef des belgischen Arbeitgeberverbandes, hat vorgeschlagen, Arbeitslosen mehr Arbeitslosengeld zu zahlen, wenn sie sich in einem Mangelberuf ausbilden lassen. Also in einem Beruf, für den es wenig Bewerber gibt. Für die Zeitung ist dieser finanzielle Anreiz nicht ausreichend und zwar aus mehreren Gründen.
Erstens: Das Problem der fehlenden Arbeitskräfte betrifft ganz unterschiedliche Berufe. Vom Hausarzt über Architekt hin zu Lagerarbeiter oder Dachdecker. Zweitens: Viele Berufe sind Mangelberufe, weil sie wenig attraktiv sind. Einige sind schwer, andere schlecht bezahlt. Und manche sogar beides. Und schließlich drittens: der finanzielle Anreiz, den der Arbeitgeber-Chef vorschlägt, reicht nicht.
Findet ein Arbeitsloser eine neue Stelle, dann verliert er oft auch einen Teil seiner Kaufkraft. Da er bislang von Sozialtarifen und ähnlichem profitieren konnte und jetzt auch höhere Kosten hat, beispielsweise für Mobilität und Kinderbetreuung. Es wäre deshalb sinnvoll, auch über Steuerbefreiungen für Niedriglöhne nachzudenken, um diejenigen zu belohnen, die sich entscheiden, morgens zur Arbeit zu gehen, schlägt Le Soir vor.
Volker Krings