"24-Stunden-Fahndung nach Anschlagsdrohung", titelt heute De Morgen. In einem Interview mit der Zeitung hatte Fouad B. am Dienstag einen zweiten Anschlag in Lüttich angekündigt. Die Zeitung alarmierte daraufhin die Polizei. Einen Tag später wurde Fouad B., der Mann, der den Attentäter von Lüttich, Benjamin Herman, radikalisiert haben soll, in Ensival bei Verviers schließlich festgenommen.
De Morgen kommentiert die Geschichte so: Wollte sich dieser Mann nur wichtigmachen? Das können wir nur hoffen. Doch es ist gut, dass man kein Risiko eingegangen ist. Fouad B. hat ein beachtliches Vorstrafenregister. Er ist im islamistischen Terrormilieu von Verviers gut vernetzt. Seine Drohung war unmissverständlich. Bei allem Respekt für die harte Arbeit der Sicherheitsbehörden: Es ist beunruhigend, dass es einen ganzen Tag gedauert hat, einen möglicherweise sehr gefährlichen Kriminellen mit terroristischem Hintergrund aufzuspüren. Fouad B. wird in Verbindung gebracht mit dem jüngsten Terroranschlag in Belgien. Wenn so jemand ins Visier der Fahnder gerät, dann kann man doch erwarten, dass schneller gehandelt wird. Diese Geschichte bestätigt auch, was nach dem Grauen von Lüttich durchklang. Es steht nicht gut um die Begleitung von Radikalisierung und Deradikalisierung. Weder im Gefängnis noch da draußen, stellt De Morgen fest.
Die Politik hat versagt
Mit einem ähnlichen Thema beschäftigt sich La Libre Belgique: Der Unterfinanzierung und Überlastung der belgischen Justiz. Mehrere hochrangige Magistrate berichteten der Zeitung über Personalmangel, der dazu führt, dass es viel zu lange dauert, bis Urteile gesprochen werden können. Für die Magistrate liegt das Versagen bei der Politik, die aus budgetären Gründen offene Stellen nicht besetzt. Dazu meint die Zeitung: Die Klagen sind nicht neu. Doch es werden immer mehr. Die Verzögerung, freie Stellen zu besetzen, versetzt die Richter in eine komplizierte, um nicht zu sagen unhaltbare Lage. Hinzu kommt: Viele Magistrate sind langzeitkrank. Oftmals aufgrund eines Burn-outs. Aber auch die Bürger werden bestraft und sind mit einer langsamen und nicht durchsetzungsfähigen Justiz konfrontiert. Das ermutigt keinen, sie auch in Anspruch zu nehmen. Ob es vielleicht genau das ist, was die Regierung bezwecken will, fragt sich La Libre Belgique.
181 Euro statt Strafverfolgung
In dieses Thema passt auch der Kommentar von Het Nieuwsblad: Die Regierung plant nämlich Strafvergleichszahlungen bei Ladendiebstahl. Wer erwischt wird, füllt noch im Laden ein Standardformular aus und zahlt dem Inhaber 181 Euro. Damit entgeht der Ladendieb einer Strafverfolgung. Für Staatsanwaltschaft und Polizei ist diese Art Kriminalität nämlich nicht prioritär.
Het Nieuwsblad kommentiert das so: Es ist bedauerlich, dass das verkehrte Instrument benutzt wird, kleine Straftaten anzugehen, die für großen Ärger und hohe Kosten sorgen. Die Liste der staatlichen Aufgaben, die outgesourced werden, beginnt lang zu werden. Es ist eine Art Automatismus geworden. Sobald die Staatsanwaltschaft ruft: "Keine Priorität", die Polizei sagt: "da haben wir keine Zeit für" und ein Minister oder Bürgermeister diese Meinung teilt, folgt die Privatisierung. Das kann als praktische Lösung bezeichnet werden, aber auch als Versagen der Politik. Darüber hinaus ist es sehr subjektiv, was wichtig und was nicht wichtig ist. Es entsteht ein Gefühl von Straflosigkeit, wenn Kleinkriminalität nicht mehr prioritär ist. Die Belgier würden sicher lieber Steuern zahlen, wenn der Staat das Geld dafür ausgibt, was der Steuerzahler für prioritär hält. Sicherheit, und damit auch die Bekämpfung von Kleinkriminalität, ist eines dieser Dinge, meint Het Nieuwsblad.
Abschiebelager vereinbar mit europäischen Werten?
De Standaard kommentiert die Pläne Österreichs und Dänemarks, ein Lager für abgewiesene Asylbewerber zu errichten. Und das an einem "wenig angenehmen Ort" außerhalb der EU. Dazu meint die Zeitung: Menschen in ein Verlies zu stecken, in der Hoffnung, damit potentielle Asylbewerber abzuschrecken, nach Europa zu kommen: Das ist höchstwahrscheinlich eine Wunschvorstellung. Denn die Chance ist groß, dass Flüchtlinge dann in die Illegalität abtauchen. Es ist aber auch unmenschlich, denn damit steckt man Menschen, die nichts Verbotenes getan haben, in eine Art Gefängnis. Wie weit ist das wohl von unseren europäischen Werten entfernt? Politisch ist das durchaus verständlich.
Obwohl Europa derzeit nicht von Asylbewerbern überflutet wird, ist die Krise von 2015 noch frisch im Gedächtnis. Dass sich solch eine Krise wiederholen könnte, das ist das Schreckensszenario mancher europäischer Politiker, die darüber hinaus mit einem immer rechteren Wahlvolk konfrontiert sind. Falls das Problem der illegalen Migration nämlich nicht gelöst wird, könnten immer mehr Länder eine extrem rechte und damit per Definition antieuropäische Regierung wählen. Kein Politiker will das auf dem Gewissen haben. Darum ergreifen sie Maßnahmen, die wir vor ein paar Jahren nie für möglich gehalten hätten, kommentiert De Standaard.
Volker Krings