"Ein Gedenken in Weiß für die Opfer von Lüttich", titelt Le Soir. "Lüttich gedenkt der Opfer des Terrors", schreibt Het Laatste Nieuws. "Anschlag von Lüttich: Das System hat nicht funktioniert", so die Schlagzeile von L'Avenir.
3.000 Menschen haben am Sonntag in Lüttich in einem weißen Marsch der drei Opfer des Anschlags vom vergangenen Dienstag gedacht. Dazu meint La Dernière Heure: Die Reaktion der Lütticher auf dieses Drama ist bemerkenswert. Zwar konnte man am Sonntag eine gewisse Wut spüren, auch Unverständnis und ein bisschen Aggressivität. Aber im Allgemeinen sind die Teilnehmer des Gedenkmarsches sehr würdig geblieben und geeint in ihrem Schmerz. Es ist das Geheimnis der Lütticher, wie sie dazu in der Lage sind. Kein Terrorist wird ihnen diese Fähigkeit nehmen können, zeigt sich La Dernière Heure beeindruckt.
L'Avenir hält fest: Dieser Gedenkmarsch war eine Art wohltuende Auszeit in der politischen Debatte, die entbrannt ist als Folge des Lütticher Anschlags. Dass die Debatte weitergehen muss, ist klar. Denn alles, was bisher gesagt wurde, muss weiter diskutiert werden. Zu sagen, dass das System in Hinsicht auf den Attentäter gut funktioniert hat, wie es Justizminister Koen Geens behauptet, ist nur zur Hälfte wahr. Ehrlicher ist es, zu sagen, dass zahlreiche Fragen offen sind, findet L'Avenir.
Gazet van Antwerpen notiert: Mit einer einzigartigen Medien-Offensive hat Koen Geens am Wochenende versucht, die Diskussion über den Anschlag von Lüttich unter Kontrolle zu halten. Doch eines macht der Anschlag klar: Die Politik muss mehr tun, um die Bürger zu schützen. Der Rechtsstaat muss wieder mehr respektiert werden, so Gazet van Antwerpen.
Das GrenzEcho schreibt: Dem Täter hätte niemals Freigang gewährt werden dürfen. Koen Geens macht es sich aber zu einfach. In letzter Instanz ist er und kein anderer verantwortlich für das gute Funktionieren der Justiz in Belgien. Wenn Koen Geens wirklich zwei Tage ernsthaft darüber nachgedacht hat, ob er zurücktreten soll, dann hätte die Antwort eigentlich auf der Hand liegen müssen, legt das GrenzEcho dem Minister den Rücktritt nahe.
Le Soir setzt das Attentat von Lüttich in einen größeren Zusammenhang und resümiert: Innerhalb von elf Tagen hat Belgien zwei äußerst ungewöhnliche Dramen erlebt. Zunächst der Tod des Flüchtlingsmädchens Mawda. Dann das Attentat von Lüttich. Die emotionalen Reaktionen auf beide Ereignisse haben gezeigt: Unsere Politiker sind mehr denn je dazu verpflichtet, mit kühlem Kopf und Bedacht ihre Entscheidungen zu treffen. Sie müssen dem Recht verpflichtet bleiben angesichts einer Bevölkerung, die durch Unsicherheit, Gewalt und Komplexität überfordert ist. Europa könnte dabei eine Richtung weisen. Aber Europa schafft es nicht mehr, gemeinsame Lösungen zu bieten, kritisiert Le Soir.
Wer steckt hinter den E-Mails?
Het Belang van Limburg kommt auf die sehr wahrscheinlich gefälschten E-Mails zurück, auf die SP.A-Chef John Crombez in der F-16-Debatte hereingefallen ist und führt aus: Noch ist nicht klar, wer diese Mails geschrieben hat. Die SP.A selbst? Politische Gegner, um die SP.A in Misskredit zu bringen? Der französische Rüstungskonzern Dassault, um doch noch seine Rafale-Kampfflieger an Belgien verkaufen zu können? Oder frustrierte Offiziere, die den Skalp von Verteidigungsminister Vandeput wollen?
Egal wie, die Folgen dieser Affäre werden John Crombez und seine SP.A noch lange spüren. Ihre Glaubwürdigkeit hat gelitten, weiß Het Belang van Limburg.
Neuwahlen liegen in der Luft
Zur politischen Situation in Spanien notiert La Libre Belgique: Der neue Premierminister Pedro Sánchez wird es jetzt schwer haben. Denn die Abwahl des bisherigen Premierministers Rajoy war der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich Sánchez und seine Sozialisten mit all den anderen Parteien hatten einigen können. Jetzt eine konstruktive Politik zu führen, wird ganz schwer. Zu unterschiedlich sind die Interessen der Sozialisten, der Basken, der Katalanen, der extremen Linken von Podemos und so weiter.
Neuwahlen liegen quasi in der Luft. Sehr wahrscheinlich werden die zu einer noch größeren Aufsplitterung des Parteienspektrums führen und Spanien noch unregierbarer machen. Eine neue Krise für Europa zeichnet sich ab. Die Europäische Union könnte darauf gut verzichten, ist sich La Libre Belgique sicher.
Mehr Europa - aber vor allem ein besseres
Auch De Morgen meint, allerdings in Bezug auf Italien: Eine Krise ist jetzt das Allerletzte, was die Europäische Union braucht. Doch zeichnet sich genau das gerade in Italien ab. Wenn die neue Regierung Ernst macht mit ihrer Politik des Geldausgebens, wird es eine neue Finanzkrise geben. Die wird diesmal ungleich heftiger ausfallen, als bei Griechenland.
Aber halten wir auch fest: Europa hat die Populisten, die es verdient. Es wird Zeit, dass die EU mehr auf ihre Bürger hört. Sie muss sich darum kümmern, eine gerechte Sozial-, Steuer- und Sicherheitspolitik zu schaffen. Ja, wir brauchen mehr Europa, aber wir brauchen vor allem auch ein besseres Europa, zeigt sich De Morgen überzeugt.
Kay Wagner