"Italien auf dem Weg zu Neuwahlen", titelt L'Echo. "Notregierung für Italien", schreibt Het Belang van Limburg auf Seite eins.
Italien versinkt im politischen Chaos. Staatspräsident Sergio Mattarella hat die Bildung einer Regierung per Veto verhindert. Eigentlich stand ja schon eine Koalition aus der rechtsextremen Lega-Partei und der Fünf-Sterne-Bewegung. Beide gelten als europakritisch.
Problematisch war für Mattarella insbesondere die Absicht, den Eurokritiker Paolo Savona zum Finanzminister zu machen. Für den Staatspräsidenten war das offensichtlich eine zu riskante Personalie. Schon jetzt reagieren die Finanzmärkte mit sichtbarer Nervosität. "Das Misstrauen Italien gegenüber ist so groß, wie seit vier Jahren nicht mehr", notiert De Tijd auf seiner Titelseite. "Ökonomen sehen Italien in Gefahr", schreibt auch das GrenzEcho.
"Herr Schere" soll Italien retten
In der Zwischenzeit hat Staatspräsident Mattarella den Ökonomen Carlo Cottarelli mit der Bildung einer Regierung beauftragt. Der Mann gilt als Verfechter eines harten Sparkurses und trägt deshalb auch den Spitznamen "Herr Schere". "Herr Schere soll Italien auf einem strikten Sparkurs in die Wahlen führen", so formuliert es denn auch La Libre Belgique.
Die Entscheidung von Staatspräsident Mattarella war nötig, aber sehr riskant, glaubt Le Soir in seinem Leitartikel. Indem er Savona als Finanzminister verhinderte, wollte er die Position seines Landes in Europa schützen. Mittelfristig besteht aber die Gefahr, dass die beiden europakritischen Parteien Lega und Fünf-Sterne dadurch nur noch stärker werden. Dann droht der EU eine Krise, die das Griechenland-Problem von vor einigen Jahren noch wie einen Sonntagsspaziergang aussehen lässt.
Het Belang van Limburg sieht das ähnlich. Die Erleichterung ist wohl nur von kurzer Dauer. Der Staatspräsident dürfte ab jetzt nicht mehr als neutraler Schiedsrichter wahrgenommen werden. Und Populisten in ganz Europa dürften wohl die Ereignisse in Rom als Beweis für ihre Thesen sehen, wonach die Eurokraten längst die Macht übernommen haben. Die nächste Wahl in Italien droht deshalb zu einem Referendum zu geraten, über die Beziehung zur EU.
Italiens Demokratie ist auf "Stand-by"
"Italien steht am Abgrund", warnt L'Avenir. Die Frage ist erlaubt, wie lange der Staatspräsident noch die euro-feindlichen Strömungen eindämmen kann. Ob Italien überhaupt in der Europäischen Union verbleiben wird, diese Frage ist auch nicht mehr tabu. Über die möglichen Konsequenzen für die großen wirtschaftlichen und politischen Gleichgewichte möchte man da gar nicht nachdenken.
Die Demokratie wurde in Italien mal eben auf "Stand-by" gesetzt, meint Het Laatste Nieuws. Für die Populisten ist das ein gefundenes Fressen. Sie sehen ihre These bestätigt, wonach das Establishment den Willen des Volkes im Zweifel ignoriert, dass in Italien die Banken die Macht haben und nicht die Wähler, dass das Diktat aus Berlin und Paris kam. Für Europa muss all das ein Weckruf sein. Die EU braucht jetzt ganz schnell Reformen, eine Stärkung der Währungsunion und auch eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge.
Eben diese Debatte, nämlich die über den Umgang mit der Migrationsproblematik, die ist aber leider offensichtlich unmöglich zu führen, beklagt La Libre Belgique. Da stehen sich zwei Weltbilder gegenüber: Die einen, die unsere Gesellschaften durch den Islam bedroht sehen und die anderen, die am liebsten alle Grenzen öffnen würden. Mögliche Schnittmengen sind da kaum noch zu erkennen. Insbesondere die Ereignisse in Italien zeigen aber, dass Untätigkeit auch keine Option ist. Italien und auch Griechenland dürfen sich da durchaus im Stich gelassen fühlen. Die traditionellen Parteien müssen sich des Themas jetzt annehmen und dabei staatsmännisches Verhalten an den Tag legen.
Bleiberecht aus humanitären Gründen?!
Diese Problematik sorgt ja auch innerhalb der Föderalregierung weiter für Spannungen. Dies natürlich nach dem Tod der kleinen Mawda. Insbesondere die N-VA will da offensichtlich vermeiden, ein Exempel zu statuieren, dass nicht in ihrem Sinne wäre, analysiert Het Nieuwsblad.
Auf dem Tisch liegt ja die Möglichkeit, den Eltern des Mädchens ein Bleiberecht aus humanitären Gründen zuzuerkennen. Aus der Tragödie ist eine Staatsaffäre geworden, was eigentlich hätte vermieden werden müssen.
Welch ein Kontrast zu Frankreich, wettert De Morgen. Da bekommt Mamoudou Gassama mal eben unbürokratisch ein Bleiberecht. Er wird als Held gefeiert, nachdem er in einer halsbrecherischen Aktion einem Kleinkind das Leben gerettet hatte. Davon abgesehen, dass sich auch hier unbequeme Fragen stellen. Was wäre etwa passiert, wenn die Rettungsaktion nicht gefilmt worden wäre?
"Das ist doch alles scheinheilig", findet ihrerseits La Dernière Heure. Der Retter, den man Spiderman getauft hat, wird hier doch nur politisch instrumentalisiert. Er wird zum Feigenblättchen, um von der ansonsten restriktiven Migrationspolitik abzulenken. Musste er erst ein Kind retten, um sich als "guter Franzose" zu empfehlen?
Noch unbequemer ist da allerdings die Frage, ob so etwas auch in Belgien möglich gewesen wäre. Premier Charles Michel ist es ja bislang nicht gelungen, Bart De Wever klar zu machen, dass dessen Aussagen im Zusammenhang mit Mawdas Tod würdelos waren.
Roger Pint