"Tod von Mawda: Bart De Wever überspannt den Bogen mit seinen Provokationen", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins. "Die kalkulierte Unmenschlichkeit von Bart De Wever", so L'Avenir auf seiner Titelseite. Und die Schlagzeile bei De Morgen: "Kurzes Leben, langer Leidensweg".
Viele Zeitungen gehen auf die Äußerungen von Bart De Wever zum Fall des Flüchtlingskinds Mawda ein: Der N-VA-Vorsitzende hatte gesagt, dass die Eltern einen Teil der Verantwortung für den Tod des zweijährigen Mädchens tragen. Mawda war von der Kugel eines Polizisten getötet worden.
La Libre Belgique regt sich über Bart De Wever auf: Sein Fehler ist vor allem moralischer Natur. Er verdeutlicht einen latenten Rassismus. Eine intellektuelle und geistige Unfähigkeit zu erkennen, dass die Menschen frei und gleich sind. Die Hauptverantwortlichen in dem Drama sind die Schlepper, die ohne Skrupel Menschen wie Gegenstände behandeln. Angesichts des Todes eines Kindes sind Herkunft und Nationalität der Eltern egal: Man betet, man weint und man hält den Mund. Bart De Wever ist schamlos. Er hat seine Ehre verloren, wettert La Libre Belgique.
Unanständig, pervers und unerhört
Ähnlich hart reagiert Le Soir: Bart De Wever hat vor einigen Monaten entschieden, in seinem nationalistischen Diskurs den "wallonischen Schmarotzer" durch den bedrohlichen muslimischen Flüchtling zu ersetzen. Dieses neue Feindbild lässt sich zurzeit besser verkaufen, es bringt ihm auch Sympathien im frankophonen Landesteil. Bei der Instrumentalisierung dieses Feindbildes ist ihm auch der Tod eines zweijährigen Kindes nicht zu schade. Das ist unanständig, pervers und unerhört, empört sich Le Soir.
De Morgen analysiert: Im Fall von Mawda geht es um menschliche Demut. Diese Demut scheint De Wever nicht zu kennen. Durch seine Worte macht er deutlich, dass er die Eltern nicht als gleichwertige Mitmenschen ansieht. Er blendet ihr persönliches Leid aus, als ob es nicht existiere. Aus rein politischem Opportunismus. Das ist unmenschlich. Für einen führenden demokratischen Politiker ist das gefährlich. Denn Unmenschlichkeit steht einem Politiker in einem liberal-demokratischen System nicht gut zu Gesicht, hält De Morgen fest.
Het Laatste Nieuws weiß: Die Eltern von Mawda hatten Bart De Wever nicht nötig, um zu wissen, dass sie einen Teil der Verantwortung für den Tod ihrer Tochter tragen. Sie waren sich bewusst, dass sie sich und ihr Kind in Gefahr brachten, als sie sich den kriminellen Schleppern anvertrauten. Deshalb ist es auch schade, dass die Anwälte der Eltern sie nicht davon überzeugen konnten, diese Schlepper unter den Insassen des Kleinbusses zu identifizieren. Denn die Schlepper sind die Hauptschuldigen der Tragödie, ist sich Het Laatste Nieuws sicher.
Für De Standaard ist klar: Natürlich tragen die Eltern Verantwortung für das, was geschehen ist. Das steht außer Frage. Aber in der Politik gibt es auch so etwas wie moralische Verantwortlichkeit. Daran hat es Bart De Wever gemangelt. Er hätte sich besser an das halten sollen, was Asylstaatssekretär und Parteikollege Theo Francken am Donnerstagnachmittag in der Kammer gefordert hatte. Nämlich, den Fall Mawda nicht für politische Zwecke zu missbrauchen, beklagt De Standaard.
Kein schneller Kompromiss in Sicht
Das GrenzEcho macht sich Gedanken zur Rentenreform: Die "Liste der schweren Berufe" im öffentlichen Dienst, auf die sich Pensionsminister Daniel Bacquelaine und zwei große Gewerkschaften geeinigt hatten, ist am Freitag vom Kernkabinett nicht bestätigt worden. Das GrenzEcho sieht dadurch den ganzen Prozess der Rentenreform verzögert und notiert: Klassisch versucht man nämlich im Wahljahr - und das wird heute eingeläutet - Geschenke, statt bitterer Pillen, zu verteilen.
Es ist also kaum zu erwarten, dass die jetzige Koalition noch vor dem 26. Mai 2019 einen Rentenkompromiss aus dem Hut zaubert. Das muss man auch nicht unbedingt bedauern. Bei einem Generationenvertrag wie dem Rentengesetz kommt es weniger darauf an, einen schnellen Kompromiss zu finden, als eine tragfähige, langfristige Lösung zu erarbeiten, glaubt das GrenzEcho.
Ein heißer Sommer für Europa?
De Tijd sieht schwere Zeiten auf die EU zukommen und notiert: Nicht nur die neue Regierung in Italien sorgt für Unruhe - sie wird eine schwere Belastung für den Euro bedeuten. Auch in Spanien ziehen sich dunkle Wolken zusammen. Am Freitag haben die Sozialisten einen Misstrauensantrag gegen Ministerpräsident Mariano Rajoy im Parlament eingebracht. Grund sind wieder einmal Korruptionsfälle innerhalb von Rajoys Partei, der konservativen PP. Das könnte schnell zu politisch instabilen Verhältnissen in Spanien führen. Etwas, was Europa gar nicht gebrauchen kann. Dank Italien und Spanien könnte der Sommer ein heißer werden für Europa, orakelt De Tijd.
Ebenfalls zu Europa kommentiert L'Avenir: Mit der Datenschutz-Grundverordnung hat die EU ein gutes Instrument geschaffen, um ihre Bürger besser zu schützen. Dieses Beispiel sollte Schule machen. Europa ist eine Wirtschaftsmacht, aber politisch spricht es nicht mit einer Stimme. Das muss sich ändern: Auch politisch muss die EU weltweit mehr Gewicht bekommen, als Einheit. Denn auch das wird den Bürgern mehr Schutz bringen, ist L'Avenir überzeugt.
Kay Wagner