"Großer Streit in der Regierung über Liste der schweren Berufe", titelt De Tijd. "Bacquelaine verzockt sich", heißt es bei De Standaard. "Rentenreform droht das Chaos", so die Schlagzeile bei Gazet van Antwerpen.
Der Streit um die "Liste der schweren Berufe" im Öffentlichen Dienst, auf die sich Pensionsminister Daniel Bacquelaine mit Gewerkschaftsvertretern im Rahmen der Rentenreform geeinigt hat, sorgt für viel Wirbel.
Het Laatste Nieuws kommentiert: Einen Verdienst hat diese Einigung immerhin, obwohl man eigentlich gar nicht mehr von einer Einigung sprechen kann. Sie bietet eine Alternative zu den aktuellen Vorruhestandsregelungen. Einen Bahnmitarbeiter oder einen Soldaten, der mit 55 Jahren in die Rente geht, das wird es nicht mehr geben. Auf einen Schlag sind es mindestens 60 Jahre. Das ist schon mal gut. Doch kann man sich durchaus die Frage stellen: Macht es Sinn, die Hälfte aller Berufe im Öffentlichen Dienst als "schwer" einzustufen - so, wie es die aktuelle Liste macht, fragt zweifelnd Het Laatste Nieuws.
Ähnlich L'Avenir: 43 Berufe sind als schwer eingestuft worden. Ist das wirklich zu vertreten? Die Regierungsparteien müssen einen gemeinsamen Standpunkt dazu finden. Am Freitag fangen sie damit an. Das wird damit beginnen, dass sie sich die Einigung genau anschauen. Die OpenVLD hat sich am Donnerstag geweigert, einfach die Katze im Sack zu kaufen. Genauso macht es übrigens auch die sozialistische Gewerkschaft CGSP. Vielleicht kommt dann heraus, dass man ein bisschen zu schnell von einer Einigung gesprochen hat. Die Liste hat immerhin den Verdienst, die Diskussion um die schweren Berufe voranzubringen, glaubt L'Avenir.
Der falsche Weg
De Morgen bemerkt: Bei der ganzen Diskussion um die schweren Berufe und die Vorteile, die diese im neuen Rentensystem versprechen, versucht jeder, das Maximale für sich rauszuschlagen. Jeder will seinen Beruf als besonders schwer bewertet wissen, damit er in den Genuss einer frühen Rente kommen kann. Dabei wird eines leider vergessen: Ohne Solidarität hat unser gut ausgebautes Sozialsystem keine Zukunft. Nur auf seinen eigenen Vorteil zu achten, ist deshalb aus unserer Sicht der falsche Weg, mahnt De Morgen.
In die gleiche Richtung argumentiert De Tijd und führt aus: Wer einen Wohlfahrtsstaat haben will, der muss auch dafür arbeiten. Schweden gilt ja als ein äußerst ausgeprägter Wohlfahrtsstaat. Ziehen wir doch einmal einen Vergleich: In Flandern arbeiten laut Statistiken rund 70 Prozent der 15- bis 64-Jährigen. In Schweden sind es 82 Prozent. Mehr arbeitende Menschen bedeuten auch mehr Möglichkeiten für einen Wohlfahrtsstaat. Auch daran sollte in der aktuellen Diskussion gedacht werden, rät De Tijd.
Auch De Standaard schaut nach Skandinavien und berichtet: In diesen Ländern wird Arbeit viel mehr als Vergnügen wahrgenommen als bei uns, als Einnahme seines Platzes in der Gesellschaft. Das ganze System des Arbeitsmarktes ist modern gestaltet und den heutigen Zeiten angepasst: Flexibilität und Abwechslung werden großgeschrieben. Karrierewechsel sind dort etwas ganz Normales. Die aktuelle Rentendiskussion bei uns trägt all dem keine Rechnung. Sie geht von veralteten Prinzipien des Arbeitslebens aus: einmal Bahnarbeiter, immer Bahnarbeiter. Auch diese falsche Prämisse führt dazu, dass der Streit um die schweren Berufe so unsäglich ist, weiß De Standaard.
Gute Idee, schlechte Vorbereitung
Zur am Freitag in Kraft tretenden Datenschutz-Grundverordnung notiert La Libre Belgique: Diese EU-Verordnung ist eine gute Sache. Ihre Umsetzung würde zu mehr Sicherheit führen beim Umgang mit persönlichen Daten. Gerade für die Online-Welt ist das von Bedeutung. Gut ist auch, dass die neuen Regeln in allen EU-Ländern angewendet werden müssen. Auch nicht-europäische Unternehmen müssen sich nach ihnen richten. Dadurch besteht die Möglichkeit, dass diese Unternehmen die neuen Regeln auch anderswo anwenden. Die neue Datenschutz-Grundverordnung könnte weltweit Schule machen, freut sich La Libre Belgique.
Ähnlich sieht das Le Soir, bemerkt aber gleichzeitig: So gut die neue Verordnung ist, so schlecht hat Belgien sich auf ihre Umsetzung vorbereitet. Ein Gesetz zur neuen Verordnung gibt es noch nicht, die vorgesehene Kontrollinstanz ist noch nicht arbeitsfähig. Das Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung verläuft bei uns chaotisch und völlig improvisiert, beklagt Le Soir.
Unerwünschte Krokodilstränen
La Dernière Heure schreibt zur Ankündigung des Anwalts von Marc Dutroux, dass Dutroux einen Brief an die Eltern seiner Opfer schreiben will: In diesem Brief will sich Dutroux entschuldigen. An der Aufrichtigkeit seiner Entschuldigung lässt sich allerdings schon jetzt zweifeln. Dutroux hat seit seiner Festnahme 1996 nie ein Wort des Bedauerns über seine Lippen gebracht. Warum sollte er plötzlich einsichtig geworden sein?
Hinter seinem Vorhaben ist vielmehr eine Taktik zu sehen - die Taktik nämlich, die öffentliche Meinung für sich zu gewinnen. Ein falscher Ehrgeiz. Denn keiner will die Krokodilstränen von Dutroux sehen. Von dem Mann, der Belgien 1996 in ein kollektives Trauma gestürzt hat, so La Dernière Heure.
Kay Wagner