"Kein Nainggolan bei der WM", titelt De Morgen. "Publikumsliebling Nainggolan wurde von Martínez aussortiert", so die Schlagzeile von La Libre Belgique. "Radja Nainggolan will definitiv kein Roter Teufel mehr sein", schreiben Het Belang van Limburg und Gazet van Antwerpen.
Seit gestern hängt in Fußball-Belgien der Haussegen schief. Nationaltrainer Roberto Martínez hat gestern die Namen der 28 Spieler bekanntgegeben, die im erweiterten WM-Kader sind. Und Radja Nainggolan ist eben nicht mit dabei. Der Mittelfeldspieler des AS Rom mit dem markanten Irokesenschnitt und den knalligen Tätowierungen ist der Liebling der Fans – und zwar in allen Landesteilen.
"Martínez geht ein ziemliches Risiko damit ein, Nainggolan zu Hause zu lassen", notiert denn auch L'Avenir auf Seite eins. Der 30-Jährige zog jedenfalls umgehend seine Konsequenzen und beendete seine internationale Karriere. "Was für ein Schlamassel!", beklagt Le Soir auf seiner Titelseite.
Martínez selbst hat seine Entscheidung mit taktischen Erwägungen begründet. "Nur kann die keiner nachvollziehen", bemerkt Het Nieuwsblad und klagt in Blockbuchstaben an: "Wer ist denn hier der Sturkopf?" Jeder weiß nämlich, dass beide Männer sich nicht mögen.
"Ich bin traurig", sagt Radja Nainggolan jedenfalls auf Seite eins von Het Laatste Nieuws. "Martínez hat mir mal eben meinen Kindheitstraum zerstört", fügt er hinzu. "Ich akzeptiere die Argumente des Nationaltrainers nicht", sagt er im Interview mit La Dernière Heure.
Bauch- gegen Vernunftmensch
Die Kommentatoren in den Zeitungen sind so ein bisschen hin und her gerissen. Die in fußballerischen Dingen einflussreiche Zeitung Het Laatste Nieuws etwa bringt Verständnis für die Entscheidung des Nationaltrainers auf: Nainggolan ist ein guter Fußballspieler und ein toller Typ, keine Frage. Nur ist er eben nicht die zentrale Figur, die am Ende darüber entscheiden wird, ob wir nun Weltmeister werden oder nicht. Er passt ganz einfach nicht in das System des Nationaltrainers. Obendrauf kommt dann noch mal die Tatsache, dass beide sich nicht verstehen. Nainggolan agiert aus dem Bauch heraus, sein spontaner Rücktritt beweist das. Der Vernunftmensch Martínez, der Wert auf taktische Disziplin legt, kann mit solchen Leuten nichts anfangen.
Das GrenzEcho bringt gleich zwei Standpunkte, pro und kontra: Man kann die Entscheidung von Roberto Martínez als Desaster empfinden – menschlich, aber vor allem sportlich. Man kann ihn aber auch einfach nur konsequent nennen. Radja Nainggolan ist ein schwieriger Charakter, und das ist noch nett ausgedrückt. Dass er nicht nominiert wurde, ist allein seinem Verhalten zuzuschreiben. Kritisieren muss man allenfalls, dass Roberto Martínez hier nicht mit offenen Karten spielt und stattdessen angebliche taktische Gründe als Begründung vorschiebt.
Aber eines muss man dem Nationaltrainer lassen, findet Het Belang van Limburg: Martínez geht nicht den Weg des geringsten Widerstands. Mutig ist er, der Coach. Er riskiert dabei sogar einen Fan-Protest. Für heute ist ja sogar eine Kundgebung geplant. Nainggolan ist eben für Martínez nicht der Eckpfeiler dieser Mannschaft. Das sind Leute wie Lukaku, Hazard, De Bruyne oder Courtois. Wenn einer von denen Zigaretten paffend fotografiert würde, Martínez würde sie trotzdem mitnehmen.
Ein atypisches Vorbild
Radja Nainggolan ist tatsächliches ein atypisches Vorbild, stellt Het Nieuwsblad fest. Ein Profifußballer, der Tabak und Alkohol nicht abgeneigt ist und der damit offen umgeht, davon gibt es nicht so viele. Der Mann macht eben sein Ding. Auch seine Tattoos beweisen das. Viele Fans können sich mit ihm identifizieren. Zugleich bewundern sie ihn. Der Mann mit den indonesischen Wurzeln ist arrogant und siegessicher, Charakterzüge, die der Belgier manchmal gerne hätte, aber nicht hat.
La Dernière Heure hält die Entscheidung des Nationaltrainers dennoch für gefährlich: Roberto Martínez riskiert einen Bruch, gleich mehrere sogar. Erst einmal innerhalb der Mannschaft: Es ist bekannt, dass gewisse Spieler an Radja Nainggolan festhalten wollten. Noch gefährlicher für den Coach sind aber die Fan-Proteste. Der Graben zwischen dem Publikum und der Mannschaft wird damit nur noch tiefer. Für Martínez gibt es jetzt nur noch einen Ausweg: Er muss die Mannschaft zu einem großen Erfolg führen.
Sind Flüchtlinge eigentlich noch Menschen?
"Die Eltern von Mawda liefern ihre Version der Ereignisse", so derweil die Schlagzeile von La Libre Belgique. De Morgen ist präziser: "Mawdas Eltern widersprechen der Staatsanwaltschaft".
Die zweijährige Mawda war am frühen Donnerstagmorgen getötet worden, als die Polizei einen Kleinbus mit 30 Migranten stoppte. Die Eltern des Mädchens erklärten jetzt, dass nur ein einziger Schuss gefallen sei. Ein Polizist hat demnach offenbar versucht, auf den Fahrer des Transporters zu schießen. Und eben diese Kugel habe dann die kleine Mawda getroffen. Die Eltern haben vom Tod ihrer Tochter erst viel später erfahren – nämlich einen Tag nach den Ereignissen. "Morgen dürfen sie ihr Töchterchen noch beerdigen, danach droht ihnen die Ausweisung", bemerkt Het Nieuwsblad.
Sind Flüchtlinge eigentlich noch Menschen?, fragt sich provokativ Het Laatste Nieuws. Die Ereignisse um den Tod der kleinen Mawda lassen da ernste Zweifel aufkommen. Wenn der Tod des Mädchens und der Umgang damit das Resultat der Migrationspolitik dieser Regierung sind, dann gerät jedenfalls die Menschlichkeit in Gefahr. Hier geht es nicht nur ums Prinzip. Sondern eben um Menschen.
De Standaard fordert denn auch eine neue Debatte, insbesondere über den Umgang mit Transitmigranten. Dabei besteht allerdings die Gefahr, dass sich alle Beteiligten in ihren ideologischen Schützengräben verbarrikadieren.
Prinzipiell sollte man schon einmal damit anfangen, einen klaren Unterschied zu machen zwischen Migranten und Menschenschmugglern, meint De Morgen. Es ist richtig, Schleuserkriminalität zu bekämpfen. Nur sollte die Regierung hier noch einmal den Rahmen neu definieren. Menschenleben müssen in jedem Fall geschützt werden, das sind wir Mawda schuldig.
Roger Pint